Generika im Kommen

Generika haben im HIV-Bereich bislang keine Rolle gespielt. Das wird sich in Zukunft möglicherweise ändern. Einige häufig eingesetzte antiretroviralen Substanzen werden in absehbarer Zeit als Generika zur Verfügung stehen. Dies wirft zahlreiche Fragen auf, mit denen man sich heute schon beschäftigen sollte.

Medikamenten-mobile
© Ramona Pauli

Medikamente mit einem neuen Wirkstoff sind zunächst patentgeschützt. Nach 10 bis 15 Jahren läuft in der Regel der Patentschutz ab und andere Pharmaunternehmen dürfen diesen Wirkstoff produzieren. Diese patentfreien Medikamente werden als Generika bezeichnet. Im HIV-Bereich gab es in Deutschland bislang keinen relevanten Markt für  Generika. Die Einführung der Generika für Zidovudin, Didanosin, Saquinavir und Lamivudin betraf nur einen kleinen Teil der Patienten, da diese Arzneimittel heutzutage seltener in aktuellen Therapieregimes verwendet werden und die Verordnungszahlen rückläufig sind.1 Dies ändert sich mit den anstehenden Generika-Zulassungen von Nevirapin, Efavirenz und Ritonavir dieses Jahr und von Abacavir, Lopinavir und Tenofovir in den Folgejahren. HIV& more ist den damit verbundenen Fragen nachgegangen und hat verschiedene Experten befragt.


Dr. Sören  TwarocK,  Düddeldorf

Fragen an den Pharmakologen Dr. Sören Twarock, Düsseldorf

Sind Generika gleich gut wie die Orginalpräparate?

Nach den gesetzlichen Vorgaben des §22 und §24 AMG bzw. Artikel 10 der EU-Richtlinie 2001/83/EG muss für die Zulassung eines Generikums zum Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit u.a. eine Bioäquivalenz nachgewiesen werden. Genaue Definitionen und Vorgehensweisen finden sich in den entsprechenden Leitlinien der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA)2 und der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA).3 Die Äquivalenz der Bioverfügbarkeit von Originalpräparat und Generikum wird dabei anhand verschiedener Kenngrößen wie cmax (maximal erreichte Plasmaspiegelkonzentration), tmax (Zeitpunkt des Erreichens von cmax) und der AUC (Area under the curve, total bioverfügbare Arzneistoffmenge) bestimmt. Zusätzlich wird meist eine Evaluation der Freisetzungskinetik der Arzneiform nach europäischem (Ph.Eur.) oder US-amerikanischem Arzneibuch (USP) durchgeführt. Bei einem niedermolekularem Arzneimittel muss die Bioverfügbarkeit mit einem 90%igen Vertrauensbereich (9 von 10 Messpunkten liegen im Zielbereich) zwischen 80% und 125% der Bioverfügbarkeit des Referenzpräparats liegen. Diese Abweichung führt bei den meisten Arzneimitteln nicht zu einer klinisch signifikanten Beeinträchtigung der Therapie. Problematisch wird diese Abweichung allerdings bei so genannten „Critical Dose Pharmaka“, bei denen bereits geringe Schwankungen der Wirkspiegel therapeutisch relevant sein können. Zu diesen zählen z.B. Antikonvulsiva, Antiarrhythmika und Antikoagulantien, hier werden engere Grenzen zwischen 90-111% gefordert. Noch enger liegen die Grenzen z.B. für Arzneimittel gegen Transplantatabstoßung wie Ciclosporin und Tacrolimus.

Welche klinischen Konsequenzen sind zu erwarten?

Bei den zu erwartenden Umstellungen von HIV-Patienten auf generische Präparate sind vor allem folgende Szenarien zu betrachten. Erstens ist es theoretisch denkbar, dass ein Patient von einem Generikum mit 80%iger Bioverfügbarkeit des Originals auf ein Präparat mit einer 125%igen Bioverfügbarkeit eingestellt wird oder umgekehrt. Eine niedrigere Bioverfügbarkeit könnte in diesem Kontext zu schlechterer Wirksamkeit, höhere Wirkspiegel zu vermehrten Nebenwirkungen führen. In der Praxis beträgt die Abweichung vom Originalpräparat aktuellen Studien zufolge allerdings zumeist weniger als 5%.4 Eine exemplarische Überprüfung an der bereits zugelassenen generischen Kombination Lamivudin/Zidovudin Hexal® zeigt, dass die Abweichungen der AUC für Lamivudin bei unter einem Prozent bzw. für Zidovudin bei unter zwei Prozent liegen.5 Dies ist nur eine Stichprobe, allerdings kann man vor dem Hintergrund der oben zitierten Studie davon ausgehen, dass klinisch relevante Dosisschwankungen bei einer Umstellung auf Generika sehr wahrscheinlich nicht zu erwarten sind. Viel wichtiger sind der individuelle Metabolismus des Patienten, seine Adhärenz zur Therapie und mögliche Arzneimittelinteraktionen. In Zweifelsfällen kann das bei antiretroviraler Therapie mit NNRTI und PI gebräuchliche Drug Monitoring helfen, Plasmaspiegelschwankungen zu erkennen.

Medikamente
© Deinert

Der zweite Sachverhalt, den es zu bedenken gilt, scheint (nicht nur) für deutsche Verhältnisse der wichtigste zu sein. Aus einer Vielzahl an Studien geht hervor, dass die Adhärenz des Patienten zu seiner Medikation einen nicht zu unterschätzenden Faktor für den Therapieerfolg darstellt.6 Wie aus den Verordnungszahlen in Deutschland ersichtlich ist, wird diesem Konzept durch die Verschreibung von Kombinationspräparaten seit einigen Jahren bei Neueinstellungen zunehmend Rechnung getragen.1 Zur Anwendung kommen Kombinationspräparate mit zwei (z.B. Emtricitabin und Tenovofir in Truvada®) oder drei Wirkstoffen (z.B. Efavirenz, Emtricitabin und Tenofovir in Atripla® oder Emtricitabin, Rilpivirin und Tenofovir in Eviplera®). Der Ersatz einer dieser Substanzen durch ein Generikum würde dazu führen, dass zwei bzw. drei Tabletten vom Patienten eingenommen werden müssten. Ähnliche Szenarien sind auch für Ritonavir, Abacavir und Lopinavir vorstellbar, da auch sie in Kombinationspräparaten angeboten und verschrieben werden. Nevirapin wird momentan nur als Einzelpräparat angeboten.7 Im Falle des bald zugelassenen generischen Efavirenz könnte durch eine Kombination mit Truvada® immerhin eine Zweitabletten-Therapie erhalten bleiben. Hier wird wohl erst die Generika-Zulassung von Tenofovir 2017 eine Änderung bringen, wobei zu erwarten ist, dass zu diesem Zeitpunkt auch generische Dreifachkombinationen auf den Markt kommen werden. Bei diesen Überlegungen muss allerdings bedacht werden, dass in den meisten Untersuchungen zum Vergleich von Adhärenz und Therapieerfolg vor allem die mehrmals tägliche Einnahme gegenüber einer einmal täglichen Gabe zu einer verschlechterten Wirksamkeit führte.6 Eine Änderung der Einnahmehäufigkeit ist beim Einsatz eines bioäquivalenten Generikums aber nicht zu erwarten. Zudem wären bezogen auf das Beispiel der Kombinationstherapie mit Tenofovir, Efavirenz und Emtricitabin nicht wie in den Anfängen der HIV-Therapie bis zu 40 Tabletten täglich einzunehmen, sondern maximal 3-4 Tabletten einmal am Tag.

Bedenklich sind dagegen die Tendenzen in den USA, noch im Patentschutz befindliche Präparate durch „geringfügig schlechter“ wirksame patentfreie Medikamente zu ersetzen.8 In dem zitierten Rechenbeispiel wird in der gebräuchlichen Dreifach-Kombination Efavirenz, Emcitritabin und Tenofovir nicht nur Efavirenz durch ein Generikum ersetzt, sondern auch Emcitritabin durch das eine geringere Wirksamkeit und schlechtere Resistenzlage aufweisende generische Lamivudin ausgetauscht. Das würde zu einer qualitätsadjustierten Lebenszeitverkürzung von ca. einem halben Jahr führen, soll aber in den USA ca. 1 Milliarde Dollar pro Jahr einsparen helfen. Dieses Vorgehen scheint ethisch fragwürdig, so dass man hoffen kann, dass solche Gedankenspiele in Deutschland bzw. der EU nicht zu Anwendung kommen werden. Der alleinige generische Ersatz von Efavirenz würde ebenfalls Kosten einsparen und erwartungsgemäß nicht zu einer Verschlechterung der Prognose führen, so dass dieser Ansatz wohl auch in Deutschland angewandt werden wird.


Arzneimittel-wirtschafts-experten Simon-Moritz Lampert,  Wiesbaden

Fragen an den Arzneimittel-Wirtschaftsexperten Simon-Moritz Lampert, Wiesbaden 

Wann gibt es ein Prüfverfahren?

Bayern – bei Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um mehr als 15% Beratung, bei mehr als 25% kommt es zu einem Prüfverfahren. Der Arzt kann sich durch Aufstellung seiner Praxisbesonderheiten entsprechend entlasten. Die Prüfung findet quartalsweise statt. Außerhalb Bayerns – Prüfverfahren bei Überschreitung der Richtgrößen um mehr als 15% Beratung, mehr als 25% Prüfverfahren. Durch Praxisbesonderheiten kann sich der Arzt entlasten.

Wie wird Wirtschaftlichkeit geprüft?

Die Wirtschaftlichkeit bei Arzneimitteln wird auf unterschiedliche Art und Weise geprüft: Richtgrößenprüfung/(Ersatzrichtgrößenprüfung in Bayern) bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens bzw. des Fachgruppendurchschnitts um mehr als 25%. Daneben gibt es je nach KV-Region weitere Prüfarten, z.B. die Einzelfallprüfung und Stichprobenprüfung oder auf Antrag der Krankenkassen die Prüfung auf sonstigen Schaden, wenn Arzneimittel z.B. off label, also außerhalb  der Zulassungen, verordnet wurden.

Wie läuft so ein Prüfverfahren ab? Was sollte man tun?

Das Überschreiten des Richtgrößenvolumens löst zunächst automatisch eine Prüfung aus. Der Gesetzgeber hat die zwei unter 1.) genannten Grenzwerte vorgegeben: Ab 15% Überschreitung erfolgt eine Beratung für den Arzt, und erst ab 25% Überschreitung wird der Arzt regresspflichtig, wenn er die Überschreitungen nicht etwa durch Praxisbesonderheiten begründen kann. Die Summe wird durch das Prüfgremium mittels Bescheid festgesetzt. Wenn der Vertragsarzt erstmalig seine Richtgröße um 25%  überschreitet, dann erfolgt zunächst zwingend eine Beratung, kein Regress (Grundsatz seit 2012: „Beratung vor Regress“). Ein Regress kann dann erst für Verordnungen nach dem Prüfzeitraum festgesetzt werden.

Der Arzt sollte sich Prüfverfahren möglichst aktiv verhalten. So sollte er gegen den  Prüfbescheid vorgehen, indem er zunächst Widerspruch einlegt (Monatsfrist beachten!), die Begründung kann er auch zu einem späteren Zeitpunkt vorlegen.

Durch den Widerspruch wird die Zahlung (Honorarkürzung) zunächst gehemmt, also nicht wirksam. Danach erfolgt der Widerspruchsbescheid, der wiederum vor dem Sozialgerecht beklagt werden kann, allerdings ohne aufschiebende Wirkung; d.h. die Regresssumme wird zunächst abgezogen. Spätestens beim Sozialgericht sollte ein spezialisierter Anwalt hinzugezogen werden.

Wie groß ist mein Arzneimittelbudget?

Die Richtgröße ist eine fiktive Durchschnittsgröße je Patient.

Der einzelne Arzt (außerhalb Bayerns) – kann es sich ausrechnen:

Richtgrößen Mitglied/Familienangehöriger x Anzahl Scheine M/F

Richtgröße Rentner x Anzahl Scheine Rentner 

• Welchen Einfluss haben rabattierte Arzneimittel?

Beide Summen zusammengezählt ergibt sein Richtgrößenvolumen pro Quartal.

Stichwort: Rabattverträge

Der Arzt ist nicht verpflichtet, nur Rabattvertragspräparate zu verordnen.  Eine zeitnahe Information wann welches Produkt unter Rabattvertrag steht, hat der Arzt i.d.R. nicht. Hier ist der Apotheker zuständig! Er soll – wenn der Arzt die Substitution nicht ausgeschlossen hat –zugunsten eines Rabattvertragsproduktes austauschen. Wird ein Rabattvertragsprodukt abgegeben, so wird der Rabattvorteil  idR nachträglich von der Regresssumme des Arztes pauschaliert abgezogen.

Der Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Das heißt, wenn zwei Präparate absolut gleichwertig sind, dann ist der Preis entscheidend. Gibt es jedoch Unterschiede die einen patientenrelevanten Nutzen darstellen, wie z.B. bei  Wirksamkeit, Nebenwirkungen, Compliance, Verträglichkeit, Darreichungsform usw. dann ist der Preis nicht das Entscheidende. Dann ist das teurere Arzneimittel auch wirtschaftlich.

Was sind regionale Zielvereinbarungen?

Regionale Zielvereinbarungen sind Vereinbarungen von KV und Kassen auf regionaler Ebene, die z.B. Generika- oder Leitsubstanzquoten vorgeben. Diese Quoten dienen insbesondere der Steuerung der Arzneimittelverordnungen.

Die meisten dieser Vereinbarungen regeln keine unmittelbaren Konsequenzen, sind also nicht regressrelevant. Die Quote drückt typisierend aus, was aus Sicht von KV und Kassen bei wirtschaftlicher Verordnungsweise in einer durchschnittlichen Praxis erreicht werden kann. Vorschläge dazu werden alljährlich auf Bundesebene zwischen KBV und Krankenkassen in den Rahmenvorgaben entwickelt.

Geldscheine
© Bilderbox

Die Quote zwingt aber weder zur Verordnung bestimmter Wirkstoffe noch sanktioniert sie Quotenverfehlungen mit Regressen.  In Bayern wurden seit 2011 keine  neuen Zielvereinbarungen abgeschlossen. Somit gelten die alten Werte für 2011 weiter.

Sind Generika wirtschaftlicher als Originalpräparate?  

Dies kann so pauschal nicht gesagt werden. Entscheidend ist der Preis und ob es bei der Krankenkasse einen Rabattvertrag zu diesem Generikum gibt. Rabattvertragsarzneimittel sind per se als wirtschaftlich zu betrachten. Ansonsten sind Generika meistens preisgünstiger als das Original, was ein Anhaltspunkt für die Wirtschaftlichkeit des Generikums sein kann.


Siegfried SchwarzeFragen an den Patienten Siegfried Schwarze, Berlin

Was ist wichtig für die Patienten?

Für die Patienten ist zunächst wichtig zu wissen, dass Generika die selben Qualitätsstandards erfüllen müssen wie die Originalpräparate. Es sind also keinesfalls „Billigpillen aus Indien“ mit zweifelhaften Inhaltsstoffen. Aber die Patienten müssen sich darauf einstellen, dass sie nicht jedes mal das selbe Generikum bekommen, d.h. die Hersteller (und damit Name, Form und Farbe der Pillen) können wechseln. Mit diesen Problemen kämpfen Patienten in anderen Indikationsgebieten schon lange, jetzt „erwischt“ es eben auch so langsam die HIV-Patienten. Dies kann sich aber zum Vorteil entwickeln, sobald ein Hersteller ein Präparat nicht liefern kann. Dann ist es von Vorteil, wenn es noch andere Anbieter gibt, die einspringen können.

Da die Generika deutlich günstiger sind als die Originalpräparate, sollte es langfristig zu Einsparungseffekten kommen, von denen alle Versicherten profitieren. Dies kann sich allerdings ins Gegenteil verkehren, wenn die Generika z.B. mehr Nebenwirkungen oder sonstige Behandlungsprobleme machen, deren Beseitigung wieder Geld kostet.

Derzeit haben die HIV-Behandler noch keinen finanziellen Druck durch die Kassen; sie müssen also noch keine Generika verschreiben. Manche Ärzte machen es dennoch „aus Prinzip“, da sie nicht einsehen, dass Pharmahersteller auf Kosten der Allgemeinheit Riesengewinne einfahren.

Es wäre schön, wenn die Hersteller die Entwicklungskosten für neue Medikamente transparent machen würden. Bei solchen Diskussionen werden immer wieder Summen in der Größenordnung von einer Milliarde Euro pro Medikament, das die Marktzulassung erreicht, genannt. Aber vermutlich sind die Entwicklungskosten für ein neues Herz-Kreislauf-Medikament, für dessen Zulassung klinische Endpunktstudien mit mehreren Tausend Teilnehmern gefordert werden, deutlich höher als für ein neues HIV-Medikament, für dessen Zulassung Surrogatmarkerstudien (d.h. Viruslast/CD4-Zellzahl) an einer dreistelligen Patientenzahl über 24 bis 48 Wochen normalerweise ausreichen.

Wird es Auswirkungen auf die Forschung geben?

Pharma-Hersteller sind zunächst einmal keine karitativen Einrichtungen und müssen mit ihren Entwicklungen Geld verdienen. Wenn absehbar ist, dass in einem Indikationsgebiet vorwiegend Generika verordnet werden und dass es schwierig wird, neue Medikamente zu entwickeln, für die sich ein Zusatznutzen belegen lässt, werden die Hersteller sich neuen Indikationsgebieten zuwenden. Den Beginn einer solchen Entwicklung können wir gerade verfolgen: HIV ist weitgehend „abgegrast“, viele Hersteller ziehen sich aus der Entwicklung zurück und/oder setzen jetzt auf Hepatitis C. Diese Entwicklung ist gerade bei den Impfstoffen besorgniserregend. Hier engagieren sich leider nur noch sehr wenige Firmen in der Forschung. Andererseits sind Generikahersteller gezwungen, den Gewinn über das Volumen zu machen. Für Nischenindikationen oder „Orphan Diseases“ gibt es deshalb manchmal keine Generika oder so wenige, dass kein wirklicher Preiswettbewerb entsteht.


Apotheker  Erik Tenberken,  KölnFragen an den Apotheker Erik Tenberken, Köln

Was muss der Apotheker abgeben, wenn es Generika gibt?

Apotheke: medikamente
© Ramona Pauli

Wenn der Arzt kein „ Aut Idem“ Kreuz gesetzt hat, ist der Apotheker gehalten,  eines der 3 günstigsten Arzneimittel gleicher Zusammensetzung auf dem Markt abzugeben.

Das können Importe oder eben auch Generika sein. Der Apotheker kann auch das verordnete Originalpräparat abgeben, setzt sich dabei aber der Gefahr der Retaxation durch die Krankenkasse aus. Da die HIV-Generika preislich meist 25% unter dem Preis des Originalarzneimittels liegen, läuft es hier meist auf einen Ersatz durch ein Generikum heraus.

Was muss der Arzt auf das Rezept schreiben, damit das Original abgegeben wird?

Möchte der Arzt, dass der Patient das verordnete Originalpräparat erhält, muss der Arzt das „Aut Idem” Kreuz setzen. Damit übernimmt der Arzt auch die Verantwortung gegenüber der Krankenkasse, und muss dieses gegebenenfalls auch begründen können.

Wie erkennt der Arzt, ob es Rabattverträge zwischen Hersteller und Kasse gibt?

Das kann der Arzt überhaupt nicht erkennen, denn die Ärztesoftware gibt diese Information in der Regel nicht her.  Und selbst wenn, ist diese meist veraltet, denn dort werden die Daten zumeist nur quartalsweise erneuert. Die Apotheken erhalten zum 01. und zum 15. eines jeden Monats ein Softwareupdate. In der Apotheke muss bei der Belieferung eines jeden Rezeptes auch die Kassennummer in das Kassenprogramm eingegeben werden, dann erscheint der zugehörige Rabattvertrag und somit das Arzneimittel, welches abzugeben ist.

Was passiert, wenn es zu einem Wirkstoff mehrere Rabattverträge gibt?

Rezept ausstellen
© Bilderbox

Die Kassensoftware gibt bei gleichwertigen Rabattverträgen diese dem Apotheker zur Auswahl, der kann dann zwischen den Präparaten wählen. In unserer Apotheke entscheiden wir uns in diesen Fällen mit Hilfe des Kundenkontos an der Historie des einzelnen Kunden, damit dieser so wenig Arzneimittelwechsel wie möglich hat.

Wann werden Reimporte abgegeben?

Die Reimporte gehören ebenfalls zu den preisgünstigen Arzneimitteln, die als Alternative bei der Abgabe des Originals in Betracht gezogen werden müssen.

Gleichzeitig haben die Apotheken eine Reimportquote pro Krankenkasse zu erfüllen, die zur Zeit bei 5% liegt. Wichtig ist zu erwähnen, dass bei den Reimporten das „Aut Idem“ Kreuz nicht vor der Abgabe eines Importes schützt, da die Importe per Definition als gleichwertig eingestuft sind.

Wie werden dem Kunden die Arzneimittelwechsel vermittelt?

Wird ein Wechsel unvermeidlich, werden über Tablettendummies und Aufklärungsbroschüren die Unterschiede dem Kunden erklärt, um Complianceproblemen vorzubeugen. Sollten doch  Schwierigkeiten auftreten, wird gemeinsam mit dem behandelnden Arzt unverzüglich eine Lösung erarbeitet.



1  Schwabe U, Paffrath D: Arzneiverordnungsreport 2012, Springer Verlag

2 Committee for Medicinal Products for Human Use (2010), European Medicines Agency: Guideline on the Investigation of Bioequivalence

3 Center for Drug Evaluation and Research (2003), United States Food and Drug Administration: Guidance for Industry: Bioavailability and Bioequivalence Studies for Orally Administered Drug Products – General Considerations

4 P.E. Nwakama et al., 12th Annual FDA Science Forum (18.-20. April 2006), Center for Drug Evaluation and Research, United States Food and Drug Administration: Generic Drug Products Demonstrate Small Differences in Bioavailability Relative to the Brand Name Counterparts: A Review of ANDAs Approved 1996-2005

5 Fachinformation Lamivudin/Zidovudin Hexal® 150 mg/300 mg Filmtabletten, Stand März 2013, Bioverfügbarkeitsuntersuchung (offen, cross-over, randomisiert, Nüchterngabe) an 52 gesunden männlichen Probanden (19-44 Jahre), im Anhang

6 Bogner J, hiv and more, Ausgabe 04/2012: Adhärenz

7 Rote Liste, Stand 08/2013

8 R.P. Walensky et al., XIX International Aids Conference, Washington (2012): The clinical and economic impact of a generic first-line antiretroviral regimen in the U.S. http://pag.aids2012.org/abstracts.aspx?aid=21075

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