Close the gap -
Gut vernetzt Hepatitis C eliminieren
26. Juli 2024
Am 21./22. Juni 2024 fand in der AbbVie Firmenzentrale in Wiesbaden zum siebten Mal das bundesweite PLUS-Forum statt, welches sich aus der Hepatitis-C-Nurse-Academy, dem Suchtexpert*innen-Gremium und der Netzwerk-Veranstaltung zusammensetzt. Unter dem Motto „Close the gap - Gut vernetzt Hepatitis C eliminieren“ trafen sich zahlreiche Teilnehmende aus den Bereichen Medizin, Soziale Arbeit, Suchthilfe und Politik, um die Ziele der WHO und der „BIS 2030-Strategie“ der Bundesregierung zur Elimination von Hepatitis C zu unterstützen. In einem regen interdisziplinären sowie interaktiven Austausch wurden u. a. in Workshops und einer Podiumsdiskussion mit führenden Expert*innen Lücken in der Versorgung aufgedeckt und daran gearbeitet, diese zu schließen. Dabei standen innovative Lösungsansätze zur besseren Einbindung relevanter Risikogruppen unter besonderer Berücksichtigung des Netzwerkgedankens im Mittelpunkt.
Hohe Krankheitslast durch Hepatitis C
„Man schätzt, dass es in Deutschland etwa 189.000 Menschen mit Hepatitis C gibt“, eröffnete Dr. Peter Buggisch, ärztlicher Leiter des Leberzentrums Hamburg am IFI-Institut für Interdisziplinäre Medizin, die Netzwerkveranstaltung.1 Er verwies in einem 360°-Blick auf die hohe Krankheitslast in Form schwerwiegender Komplikationen im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf, wie z. B. Leberzirrhosen oder hepatozelluläre Karzinome. Der Experte hob hervor, dass die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) eine Systemerkrankung ist, die weitere Erkrankungen triggern kann. Insbesondere berichten viele Betroffene von psychischen Problemen. Während es keine Symptome gibt, die der Hepatitis C direkt zugeordnet werden können, ist die Erkrankung mit einem einfachen Bluttest sehr gut und schnell zu diagnostizieren.
WHO-Ziel 2030: Ehrgeiz dringend hochhalten
Dr. Buggisch betonte die Notwendigkeit zum Handeln, um das WHO-Ziel der Hepatitis-C-Eliminierung bis zum Jahr 2030, welchem sich auch die deutsche Bundesregierung verschrieben hat, zu erreichen.2,3 Aktuelle Modellrechnungen legen nahe, dass eine Erfüllung des Ziels bis 2030 in Deutschland voraussichtlich verfehlt und erst viele Jahre später, etwa 2046, erreicht wird. Der Ehrgeiz müsse daher unbedingt hochgehalten werden. Mit dem HCV-Tracker steht in Deutschland allen Behandelnden ein Tool zur Verfügung, welches die aktuellen Entwicklungen der Hepatitis-C-Neudiagnosen und der antiviralen Behandlungen in Deutschland grafisch abbildet. Das Tool wurde in einer Kooperation zwischen der Leberstiftung und dem Unternehmen AbbVie entwickelt. Auch wenn das WHO-Ziel nicht auf einzelne Bundesländer in Deutschland heruntergebrochen werden kann, lässt sich auf Länderebene ein aktueller Blick auf den Status Quo der neu diagnostizierten und behandelten Patient*innen werfen.
Weitere Informationen zum HCV-Tracker: http://www.hcv-tracker.de
Moderne Therapien ermöglichen Heilung der Hepatitis C
Mit direkt antiviral wirksamen Substanzen (direct acting antivirals, DAAs) stehen hocheffektive Medikamente zur Verfügung, die im Gegensatz zu früheren Medikamenten bei kurzer Therapiedauer die Heilung# der Viruserkrankung ermöglichen. „Und Heilung bedeutet, dass sich das Virus nicht irgendwo abkapselt oder versteckt, sondern dass es wirklich weg ist“, ergänzte Dr. Buggisch. Die Verträglichkeit der DAAs stufte er als sehr gut und ohne Gefahren ein.
Meilenstein mit Potenzial: HCV-Screening im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung
Mit der Einführung des Screenings auf Hepatitis C im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung (Check-up 35) im Oktober 2021 wurde ein wichtiger Meilenstein zur Steigerung der Diagnoserate gelegt.4
Während die Zahl der HCV-Neudiagnosen nach Einführung zunächst gestiegen war, ist aktuell ein Rückgang zu verzeichnen. Die Expert*innen berichteten mit etwas Ernüchterung, dass das HCV-Screening nur bei etwa 40 % bis 50 % der Check-ups überhaupt durchgeführt wird. Bei einem Großteil der Check-ups wird es demnach aktuell versäumt, auf dem Anforderungszettel an das Labor das entsprechende Kreuz zu setzen. Als mögliche Ursache wurde eine Unsicherheit in Hinblick auf die erforderlichen Maßnahmen bei positivem Testergebnis diskutiert. Um dieser zu begegnen, ist in Köln unter Leitung der Deutschen Leberhilfe mit Unterstützung der Firma AbbVie und weiteren Industriepartnern die Initiative Hepatitis-freies Köln entstanden. Diese verfolgt das Ziel, dass jede*r Kölner*in nach positivem Test umgehend Zugang zu einer leitliniengerechten und evidenzbasierten Therapie erhält. Bei diesem Projekt werden die Labore aktiv mit eingebunden. Bei positivem Testergebnis erhalten die Hausärzt*innen begleitend zum Laborbefund eine Übersicht der Schwerpunktpraxen und Kliniken für die Behandlung von Hepatitis C.
Weitere Informationen zur Initiative: http://www.Hepatitisfreies-koeln.de
Zugang zu den Risikogruppen über maßgeschneiderte Versorgungsangebote
Während die Allgemeinbevölkerung z. B. mit dem Check-up 35 gut erreichbar ist, gilt das nur sehr bedingt für die vulnerablen Gruppen. Dazu zählen aktiv Drogengebrauchende und Menschen mit Migrationsgeschichte aus Regionen mit hoher Hepatitis-C-Prävalenz, teilweise auch Substituierte sowie Menschen in Haft. Ein Fokus der Netzwerkveranstaltung lag daher auf der Erreichbarkeit dieser Gruppen. In einer Vielzahl innovativer Projekte wurden Zugangswege zu Prävention, Testung und Behandlung über niedrigschwellige, maßgeschneiderte Versorgungsangebote aufgezeigt. Eines davon ist die PLUS-Initiative in Bochum mit dem Kooperationspartner Zentrum WIR (Walk in Ruhr) in einer Schlüsselrolle für Menschen mit Migrationsgeschichte. In dem Zentrum arbeiten sechs Health Adviser, die an der Schnittstelle zwischen den Angeboten von Ambulanz, Aidshilfe Bochum e. V., Gesundheitsamt Bochum, Madonna, Rosa Strippe und pro familia Bochum stehen. Sie bilden die erste Anlaufstelle des Zentrums für Ratsuchende und übernehmen gleichzeitig aufsuchende Arbeit. Sie gehen zum Beispiel direkt in die Communities von Menschen mit Migrationsgeschichte. Dort werden regelmäßig Aktionen zur Verbesserung der Versorgungssituation umgesetzt, wie z. B. Test- und Beratungstage in Wohneinrichtungen. Fortbildungen für Multiplikatoren, d. h. für Menschen, die direkt mit den Communities in Kontakt stehen, sind ein weiterer Erfolgsfaktor zur Erreichung dieser Zielgruppe und nicht zuletzt zum Ausbau des Netzwerks.
Erfolgreiches Übergangsmanagement an der Schnittstelle von der Haft zur Freiheit
Ein runder Tisch mit vielen Beteiligten war der Startschuss eines weiteren Projekts der PLUS-Initiative in Hamburg für Menschen in Haft, einer vulnerablen Gruppe mit einem hohen Anteil an HCV-Positivität. In Hamburg haben Menschen in Haft im Rahmen des Resozialisierungsgesetzes bei Haftentlassung einen Rechtsanspruch auf ein Übergangsmanagement von sechs Monaten. Im Rahmen des Projekts wurde das Übergangsmanagement um gesundheitliche Aspekte angereichert.
Neben vielen Beratungs- und Hilfseinrichtungen nahmen auch Behandler*innen sowie Mitarbeiter*innen von Gesundheitsbehörde und Justizvollzugsanstalt (JVA) an dem runden Tisch teil. Es wurde das Ziel verfolgt, Menschen noch während der Haft eine Testung anzubieten und bei Bedarf nach Haftentlassung einer Behandlung zuzuführen. Neben ganz praktischen Schritten, wie z. B. dem Austausch von Telefonnummern unter den Netzwerkpartner*innen, wurden die Übergangsmanager*innen in Basisschulungen zur Erkrankung geschult, um die Testmotivation zu steigern. Positiv getestete Menschen werden nach Haftentlassung auf Wunsch auf dem Weg in die Behandlung begleitet und erhalten an Schlüsselstellen Unterstützung, wie z. B. beim Terminmanagement, dem Krankenversicherungsnachweis sowie der Bereitstellung medizinischer Dokumentationsunterlagen.
Fazit
An zwei Tagen wurden im Rahmen des 7. bundesweiten PLUS-Forums Strategien und Projekte aus unterschiedlichen Regionen, Einrichtungen und Institutionen Deutschlands vorgestellt, die zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Hepatitis C beitragen. Alle Teilnehmenden wurden durch den Erfolg ihrer Aktivitäten in ihrem Engagement bestätigt und haben gleichzeitig Inspiration für zukünftige Projekte mitgenommen. Zum Abschluss waren sich die Akteure darin einig, dass weiterhin ein konsequentes und pragmatisches Vernetzen und Kooperieren erforderlich ist, um die bestehenden Versorgungslücken zu schließen. Der Ehrgeiz muss dringend hochgehalten werden, damit Deutschland hinsichtlich des WHO-Ziels der Elimination von Hepatitis C bis zum Jahr 2030 wieder auf Kurs kommt.
# Als von einer chronischen Hepatitis C geheilt gelten Patient*innen, die 12 Wochen nach Behandlungsende ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virologic response, SVR12) aufweisen.
Vorankündigung: 8. bundesweites PLUS-Forum am 23. und 24. Mai 2025 in Wiesbaden.
Literatur
1. Polaris Observatory HCV Collaborators: Lancet Gastroenterol Hepatol. 2022;7(5):396-415.
2. World Health Organization (WHO). Global Hepatitis Report, 2017; https://www.who.int/publications/i/item/9789241565455.
3. Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2016). Bis 2030 – Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen.
4. Beschluss Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie: Einführung eines Screenings auf Hepatitis-B- und auf Hepatitis-C-Virusinfektion, 20.11.2020; https://www.g-ba.de/beschluesse/4566/; Letzter Abruf: 22.06.20204.
Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG