Die häufigsten Fragen bei Erstdiagnose HIV
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen HIV und AIDS?
Die HIV-Infektion ist eine chronische Infektion, die zu einer Schwächung des Immunsystems führt. Man kann die HIV-Infektion in Stadien einteilen: Die akute HIV-Infektion verläuft ähnlich wie eine Grippe, die einige Wochen nach Ansteckung auftritt und selten länger als vier Wochen andauert. Darauf folgt eine Periode von mehreren Jahren, in denen die meisten Patienten völlig beschwerdefrei sind. Wenn sich die Abwehrlage verschlechtert, können Erkrankungen auftreten wie Pilzbefall der Mundhöhle (Soor), eine Gürtelrose (Herpes zoster) oder eine orale Haarleukoplakie (nicht abstreifbare Beläge am Zungenrand). Diese Erkrankungen sind noch nicht AIDS-definierend. Von AIDS spricht man, wenn eine sogenannte AIDS-definierende Erkrankung auftritt. Dies ist bei schwer geschädigtem Immunsystem (sehr niedriger CD-Zellzahl, hoher Viruslast) der Fall. Zu AIDS-definierenden Erkrankungen gehören z.B. die PCP (eine Lungenentzündung mit Pneumocystis), das Kaposi-Sarkom, Lymphome oder CMV-Infektionen. Das Vollbild AIDS ist bei früher Diagnosestellung der HIV-Infektion und rechtzeitiger Therapie zu verhindern. Durch die Verfügbarkeit der HIV-Medikamente ist normale Lebenserwartung zu erreichen.
Muss ich sofort Tabletten einnehmen?
Mit der Therapie muss man sofort beginnen, wenn man
- eine sogenannte Aids-definierende Erkrankung hat (z.B. Kaposi-Sarkom usw.)
- entsprechende Beschwerden hat (z.B. Gewichtsverlust, rezidivierende Infektionen, chronische Erschöpfung und Müdigkeit, usw.)
- das Immunsystem deutlich geschädigt ist (weniger als 350 CD4-Zellen/µl)
- die Viruslast hoch ist (mehr als 100.000 Kopien/ml)
Angesichts der immer besseren und verträglicheren Medikamente wird heutzutage aber häufig gleich nach Diagnose mit der Behandlung begonnen. Gründe dafür können z.B. der Schutz von HIV-negativen Sexualpartnern, eine Schwangerschaft, Begleiterkrankungen oder das Alter des Patienten sein.
Auch bei einer akuten HIV-Infektion, wenn der Infektionszeitpunkt nur wenige Wochen zurückliegt, wird eine sofortige Therapie empfohlen.
Wie ist es mit Nebenwirkungen der Therapie?
Im Allgemeinen ist die HIV-Therapie heute einfach und gut verträglich, doch wie alle rezeptpflichtigen Arzneimittel können auch die HIV-Medikamente Nebenwirkungen haben. Vor- und Nachteile sowie Nebenwirkungen der Therapie müssen offen angesprochen werden. Für jeden Patienten wird die für ihn spezielle Therapie ausgewählt. Dabei werden Toxizitäten, Vorerkrankungen und Begleitmedikation sowie der Lebensalltag des Patienten berücksichtigt. Die antiretrovirale Therapie besteht in der Regel aus der Kombination von 3 Medikamenten. Je nach Substanzklasse gibt es unterschiedliche Nebenwirkungen und am Anfang sind bei manchen Medikamenten besondere Kontrollen nötig. Nebenwirkungen von einzelnen Medikamenten finden Sie hier
Werde ich früher sterben?
Das theoretisch wichtigste Therapieziel, nämlich der Heilung der HIV-Infektion, konnte bisher nicht erreicht werden. Das Ziel der Behandlung ist das Leben der Patienten bei möglichst guter Gesundheit und hoher Lebensqualität langfristig zu verlängern. Die Einführung der antiretroviralen Therapie hat dazu geführt, dass bei früher Diagnosestellung der HIV-Infektion und rechtzeitigem Beginn der Therapie eine nahezu normale Lebenserwartung erreicht werden konnte.
Muss ich meinen Arbeitgeber von der Diagnose in Kenntnis setzen?
Nein. Es gibt keine Pflicht den Arbeitgeber zu informieren. Sollte der Betriebsarzt darüber in Kenntnis sein, so besteht grundsätzlich Schweigepflicht, auch gegenüber dem Arbeitgeber. In den meisten Arbeitsverhältnissen spielt die HIV-Infektion keine Rolle und der Betreffende ist nicht weniger einsetzbar als andere Mitarbeiter (Ausnahmen stellen chirurgische Tätigkeiten dar). Die Frage, wem erzähle ich von meiner HIV-Infektion stellt sich oft als erstes. Dies muss immer individuell ja nach Temperament, beruflicher und sozialer Situation entschieden werden. Nicht jeder reagiert so, wie man es erwartet. Man muss ich genau überlegen, wem man vertrauen kann und davon in Kenntnis setzt.
Bin ich verpflichtet meinen Sexpartner zu informieren?
Ja. Ein Nicht-Informieren kann rechtliche Folgen haben. Dies gilt auch, wenn die Viruslast durch Einnahme einer antiretroviralen Therapie unter der Nachweisgrenze liegt.
Bin ich verpflichtet, meinem Zahnarzt meine HIV-Infektion zu sagen?
Im Verhältnis zwischen Arzt und Patient wird häufig vertreten, dass ein Patient seinem behandelnden Arzt eine bekannte HIV-Infektion offenbaren muss. Zum Teil wird dies in Formularen gefragt. Dies ist aus dem Ideal heraus geleitet, dass grundsätzlich Offenheit und Vertrauen zwischen Arzt und Patient herrschen soll. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten erlaubt diesem, eine ihm bekannte Infektion auch gegenüber seinem Arzt zu verschweigen. Allerdings ist es für eine sachgerechte Behandlung doch erforderlich, Vorerkrankungen zu wissen, da viele Krankheitsbilder erst so zutreffend erklärt werden können.
Darf mein Zahnarzt die Behandlung ablehnen?
Im Arztrecht besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. Das bedeutet, dass der Patient seinen Arzt frei wählen kann. Andererseits kann sich auch der Arzt seinen Patienten aussuchen. Er kann Patienten ablehnen, sofern er sie hierdurch nicht diskriminiert. Die Befürchtung, er oder sein Personal könnte sich mit HIV infizieren, berechtigt einen Arzt aber nicht dazu, einen Patienten abzulehnen. Patienten mit HIV-Infektion abzulehnen, ist unzulässig. Die Infektionsgefahr ist nicht so hoch, dass die Behandlung unzumutbar wäre. Der Arzt ist ohnehin verpflichtet, sich stets gegen übertragbare Krankheiten zu schützen. Gleichwohl sieht die Praxiserfahrung manchmal anders aus. Es empfiehlt sich, seinen HIV-Behandler nach einem geeigneten Zahnarzt zu fragen.
Kann ich Kinder bekommen/Kinder zeugen?
Ja. Für eine HIV-positive Frau kann das Risiko ein infiziertes Kind zu bekommen auf <1% gesenkt werden. Dazu bedarf es einer wirksamen antiretroviralen Therapie bei der Schwangeren, die die Viruslast unter die Nachweisgrenze senkt, regelmäßige Kontrollen und die Gabe eines antiretroviralen Safts für den Säugling. Außerdem muss auf Stillen verzichtet werden. Die Schnittentbindung ist nicht immer notwendig, bei unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf ist eine vaginale Entbindung möglich. Wichtig ist die Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum. Um die Ansteckung des Mannes zu reduzieren, sollte der Geschlechtsverkehr mit Kondom durchgeführt und das Kondom in die Scheide entleert werden.
HIV-positive Männer können gesunde Kinder zeugen. Auch hier geht es in der Beratung häufig darum, die Frau nicht anzustecken. Die Empfehlungen gehen dazu, wenn der Mann eine nicht nachweisbare Viruslast im Blut und keine Geschlechtskrankheiten hat, ungeschützten Geschlechtsverkehr nur in fruchtbaren Tagen (LH-Tests/Ovulationstests helfen bei der Ermittlung) durchzuführen und ggf. die Einnahme einer PrEP (Truvada 1x tgl. durch die Frau) in Erwägung zu ziehen. Eine individuelle Paar-Beratung ist in jedem Fall sinnvoll.
Echinacin, Umckaloabo und Co . Gibt’s da nicht was Natürliches?
Pflanzliche Immunstimulantien wie Echinacin sollen die Stimulation der unspezifischen Immunantwort verbessern. Ein messbarer Effekt ist bisher nicht nachgewiesen. Bei fortgeschrittenem Immundefekt und hochdosierter Therapie sind negative Effekte nicht auszuschliessen. Homöopathische Begleittherapie ist in der Regel unbedenklich. Bei pseudowissenschaftlichen Verfahren, wie Immuntherapien und Bioresonanz ist Skepsis angebracht, insbesondere bei unrealistischen Heilversprechen und hohen Kosten. Im Einzelfall ist es sinnvoll, die Einnahme zusätzlicher Medikamente, Tees oder Kräuter dem HIV-Behandler mitzuteilen, um das Nebenwirkungs- und Interaktionspotential abschätzen zu können.
Was kann ich selbst tun? Vitamine? Zusatzstoffe?
Prinzipiell ist eine gesunde, ausgewogene und vitaminreiche Ernährung sehr wichtig. Auf Nikotin und Alkohol sollte verzichtet werden. Eine Normalisierung des Gewichts ist anzustreben. Dies alles geschieht, um Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie und Bluthochdruck vorzubeugen, um das kardiovaskuläre Risiko, welches bei HIV-Infizierten statistisch erhöht ist, so minimal wie möglich zu halten. Zur Einnahme von zusätzlichen Vitaminen und Spurenelementen gibt es keine wissenschaftlich fundierten Daten oder Leitlinien. Die Einnahme von Vitamin D zur Vorbeugung einer Osteoporose und die zusätzliche Einnahme von Vitaminen, Zink oder Selen kann bei Mangelzuständen sinnvoll sein.
Wie oft muss ich in die Praxis kommen und welche Untersuchungen sind sinnvoll?
Dies hängt vom Stadium der HIV-Infektion ab. Anfangs kann es sinnvoll sein, häufiger zum Arzt zu gehen, um Vertrauen zu der Praxis zu gewinnen, alle sich aufdrängenden Fragen zu stellen und alle Untersuchungen, Impfungen oder Beratungen durchzuführen. Wenn eine antiretrovirale Therapie gestartet wird, werden anfangs häufiger Blutuntersuchungen durchgeführt, zunächst nach 2 Wochen, dann etwa alle 4 Wochen, bis die Viruslast unter der Nachweisgrenze ist. Wenn die Abwehrlage stabil ist, sei dies bei erfolgreicher ART oder noch vor dem Therapiestart, sind Laborkontrollen vierteljährlich empfohlen. Der Impfstatus sollte regelmäßig überprüft werden. Eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens ist ein Mal im Jahr sinnvoll.