DR. HEINER WEDEMEYER, HANNOVER
Hepatitis D: Bedeutung von PEG-Interferonen

Die Hepatitis D ist ein weit unterschätztes Problem. Allein in Deutschland geht man von bis zu 30.000 Betroffenen aus. Die meisten dieser Patienten sind Migranten aus Südosteuropa, der Türkei, aus Südamerika und Zentralafrika. Erste Studien zum Einsatz von peglyierten Interferonen führten zu einer HDV-Ausheilung bei ca. einem Viertel der Patienten. Die Therapie der Hepatitis B bei diesen Patienten folgt den üblichen Indikationen.

Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts entdeckte Mario Rizzetto, das Hepatitis D Virus (HDV)1. Das HDV benutzt HBsAg als Hüllprotein und kann somit ohne HBV kein komplettes Virion bilden. Mit nur ca. 1.700 Nukleotiden stellt HDV das kleinste bekannte humanpathogene Virus dar. Es müssen zwei grundsätzliche Möglichkeiten einer HDV-Infektion unterschieden werden: eine akute Simultaninfektion mit HBV und HDV und die HDV-Su-perinfektion von HBsAg-Trägern (Abb. 1).

SIMULTAN- ODER SUPERINFEKTION?


Abb. 1: Oben: Simultane HVB- und HDV- Infektion.
Unten: HDV-Superinfektion bei chronischer Hepatitis B

Während eine HDV/HBV Simultaninfektion häufig ausheilt, nimmt die HDV-Superinfektion in der Regel einen chronischen Verlauf mit deutlich schnellerer Progression der Lebererkrankung als bei HBV-Monoinfizierten. Daten aus den 80iger Jahren haben Zirrhoseentwicklungen innerhalb von 5-10 Jahren nach HDV Infektion beschrieben2.

Wenn aufgrund der Hepatitis B Grunderkrankung bereits eine Zirrhose zum Zeitpunkt der HDV-Infektion vorliegt, ist die HDV-Superinfektion mit einer besonders hohen Rate hepatischer Dekompensation assoziiert3. Es werden 7 verschiedene HDV-Genotypen unterschieden, wobei der in Europa dominante Genotyp I einen schlechteren natürlichen Verlauf als der in Ost-asien dominierende Genotyp II aufweist4.

EPIDEMIOLOGIE


Abb. 2: Geographische Verteilung der HDV- Infektion

Weltweit geht man von ca. 10-15 Millionen HDV-Infizierten aus (Abb. 2)2. In Mitteleuropa sind überwiegend Migranten und Drogenabhängige von einer Hepatitis D betroffen. Hierin liegt auch ein Grund, warum die Datenlage zur Epidemiologie im deutschsprachigen Raum unzureichend ist. An der Universitätsklinik Düsseldorf waren nach 1997 80% der Patienten Migranten aus Südosteuropa oder Ländern der ehemaligen Sowjetunion5, was sich ebenfalls sehr gut mit unseren Erfahrungen an der Medizinischen Hochschule Hannover deckt. Die HDV-Infektion ist insbesondere in der Osttürkei, den südlichen Republiken der ehemaligen Sowjetunion, in Moldawien und Rumänien sowie in Südamerika und Zentralafrika endemisch mit HDV Prävalenzen von bis zu 30% bei HBsAg-Trägern2. Insbesondere im Osten der Türkei stellt die Hepatitis D ein sehr großes Problem dar und wird bei fast 50% der Patienten mit einem hepatozellulären Karzinom gefunden6. Demgegenüber hat sich die vormals hohe Prävalenz der Hepatitis D in Italien nach Einführung der Hepatitis B-Impfung zwischen 1987 und 1997 signifikant verringert, so dass zuletzt nur noch bei ca. 8% der HBsAg-positiven Patienten anti-HDV Antikörper gefunden wurden7. In Anbetracht der wahrscheinlich höheren HDV-Prävalenz bei Migranten muss man für Deutschland bei 400.000 bis 500.000 HBsAg Trägern8 von ca. 10.000 bis 30.000 Hepatitis D Patienten ausgehen.

Für die Praxis

Wen testen?
Jeden Patienten, der HBsAg+ positiv ist

Was testen?
o HDV-Ak
o Wenn Antikörper positiv HDV-DNA

Besonders hohe Prävalenz bei:
Drogenabhängigen sowie Patienten aus
o Südosteuropa
o Sowjetunion
o Türkei
o Südamerika
o Zentralafrika

Wie behandeln?
Es gibt derzeit keinen Standard. Nach den bisher vorliegenden Daten empfiehlt es sich, PEG-IFNa-2a für mindestens 48 Wochen zu geben.
Wenn die HBV-DNA >2.000 IU/ml:Nukleo(s)tidanaloga erwägen

THERAPEUTISCHE OPTIONEN

Die Therapie der Hepatitis D basierte bisher einzig auf der Gabe von alpha-Interferonen9. Sie wurden seit Mitte der 80er Jahre in zahlreichen kleinen Pilotstudien eingesetzt10-14. Es gab nur sehr wenige randomisierte Studien mit mehr als 20 Patienten.

Die Ergebnisse zeigten eine große Variation im Ansprechen mit Normalisierung der Transaminasen zwischen 0% und 36%. Die HDV-RNA Testung als Endpunkt war die Ausnahme. Rosina et al. fanden bei 45% der für ein Jahr mit Interferon alpha-2b behandelten Patienten und bei 33% der unbehandelten Kontrollen eine auch nach Therapieende anhaltende Negativierung der HDV-RNA15. In einer Studie von Farci et al. erreichte kein einziger Patient dieses Ergebnis16. Interessanterweise zeigte sich jedoch in der weiteren Nachbeobachtung der Patienten der Farci-Studie, dass insbesondere die Patienten, die eine hohe Dosis von Interferon alpha-2a erhalten hatten (3x 9 Mill. i.E. pro Woche für 1 Jahr), einen Überlebensvorteil gegenüber unbehandelten Patienten aufwiesen17. Somit scheinen hohe Interferondosen und in Einzelfällen auch sehr lange Therapien mit Interferon-alpha notwendig zu sein.

NUKLEOSIDE NICHT WIRKSAM

Sämtliche Studien zum Einsatz von Nukleosiden haben keine signifikante Effektivität gegen HDV gezeigt. Weder Famciclovir18 noch Ribavirin9 noch Lamivudin19 führten zu einem virologischen Ansprechen bei Patienten mit Delta-Hepatitis. Ein sinnvoller Einsatz von Nukleosid- oder Nukleotidanaloga könnte allerdings bei Delta-Hepatitis-Patienten bestehen, wenn eine signifikante HBV-Replikation besteht. Die begleitende Hepatitis B sollte in jedem Falle optimal therapiert werden, sofern ein Behandlungsbedarf besteht. Als Therapieindikation gilt eine HBV-DNA von 2.000 IU/ml (entsprechend ca. 10.000 Kopien/ml), was etwa bei 20% der HDV-Patienten der Fall ist.

PEG-INTERFERON BESSER?

Erste Daten zur Effektivität von pegylierten Interferonen sind im September publiziert worden. In einer kleinen Pilotstudie aus Düsseldorf wurden 12 Patienten für 1 Jahr mit PEG-Interferon alpha-2b behandelt. Zwei Patienten zeigten hier eine dauerhafte HDV Ausheilung20. Ebenfalls mit einer einjährigen PEG-IFNa-2b Behandlung konnte bei sechs von 14 in Frankreich behandelten Patienten eine SVR erzielt werden21. In der gleichen Ausgabe von Hepatology wurde zudem eine italienische Studie über 38 Patienten publiziert, bei denen mit einer 72-wöchigen Behandlung eine HDV-Elimination bei 8 Patienten gelang22. Die Zugabe von Ribavirin hatte hierbei keinen zusätzlichen Effekt.

WELTWEIT GRÖßTE STUDIE


Abb. 3: Der Hep-Net/International Delta Hepatitis
Intervention Trial (HIDIT-1)

Das Kompetenznetz Hepatitis hat in Zusammenarbeit mit sechs türkischen und einem griechischen Zentrum im Sommer die weltweit bisher größte randomisierte Studie zur Behandlung der chronischen Hepatitis D abgeschlossen. Erste Ergebnisse wurden auf der diesjährigen amerikanischen Lebertagung im Oktober in Boston vorgestellt (Yurdaydin, Wedemeyer te al., Hepatology Suppl. 2006). 43 Patienten wurden in Deutschland eingeschlossen. Die insgesamt 90 Patienten wurden auf 3 Behandlungsarme randomisiert (Abb. 3) und für ein Jahr mit PEG-Interferon alpha-2a plus Placebo, PEG-Interferon alpha-2a plus Adefovir oder Adefovir behandelt. In allen drei Behandlungsgruppen konnte eine Suppression der HBV-Replikation erreicht werden. Eine HDV-RNA Reduktion von mindestens 2log-Stufen wurde bei 42% der Patienten festgestellt, die mit PEG-Interferon alpha-2a behandelt wurden. 14 der 60 Patienten, die mit Interferon behandelt wurden, waren am Ende der Behandlung HDV-RNA negativ, 42% normalisierten die Transaminasen. Die alleinige oder zusätzliche Zugabe von Adefovir hatte keinen Effekt auf die HDV-Replikation. Interessanterweise fand sich in der Kombinationstherapiegruppe jedoch eine stärkere Reduktion der HBsAg-Spiegel und 2 Patienten mit Kombinationstherapie entwickelten eine HBs-Serokonversion. Eine neue Hep-Net-Studie zur Delta Hepatitis ist bereits geplant.

Priv. Doz. Dr. Heiner Wedemeyer
Abt. Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg Str. 1 30625 Hannover Germany
Tel: +49 511 532 2853 ·
FAX: +49 511 532 2093
Wedemeyer.Heiner@mh-hannover.de


Literatur

1 Rizzetto M, Canese MG, Arico S, Crivelli O, Trepo C, Bonino F, Verme G. Immunofluorescence detection of new antigen-antibody system (delta/anti-delta) associated to hepatitis B virus in liver and in serum of HBsAg carriers. Gut 1977; 18: 997-1003.

2 Rizzetto M. Hepatitis D: virology, clinical and epidemiological aspects. Acta Gastroenterol Belg 2000; 63: 221-4.

3 Liaw YF, Chen TJ, Chu CM, Lin HH. Acute hepatitis delta virus superinfection in patients with liver cirrhosis. J Hepatol 1990; 10: 41-5.

4 Su CW, Huang YH, Huo TI, Shih HH, Sheen IJ, Chen SW, Lee PC, Lee SD, Wu JC. Genotypes and viremia of hepatitis B and D viruses are associated with outcomes of chronic hepatitis D patients. Gastroenterology 2006; 130: 1625-35.

5 Erhardt A, Knuth R, Sagir A, Kirschberg O,Heintges T, Haussinger D. Socioepidemiological data on hepatitis delta in a German university clinic--increase in patients from Eastern Europe and the former Soviet Union. Z Gastroenterol 2003; 41: 523-6.

6 Uzunalimoglu O, Yurdaydin C, Cetinkaya H, Bozkaya H, Sahin T, Colakoglu S, Tankurt E, Sarioglu M, Ozenirler S, Akkiz H, Tozun N, Degertekin H, Okten A. Risk factors for hepatocellular carcinoma in Turkey. Dig Dis Sci 2001; 46: 1022-8.

7 Gaeta GB, Stroffolini T, Chiaramonte M, Ascione T, Stornaiuolo G, Lobello S, Sagnelli E, Brunetto MR, Rizzetto M. Chronic hepatitis D: a vanishing Disease? An Italian multicenter study. Hepatology 2000; 32: 824-7.

8 Radun D, Hamouda O. Epidemiologie der Hepatitis B und C in Deutschland. Med Welt 2004; 55: 206-10.

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10 Craxi A, Di M, V, Volpes R, Marra S, Rizzetto M, Rosina F, Barbera C, Bortolotti F, Crivellaro C, Iannuzzi C, . Treatment with recombinant alpha 2b-interferon of chronic HDV hepatitis in children. Prog Clin Biol Res 1991; 364: 399-404.

11 Rosina F, Saracco G, Lattore V, Quartarone V, Rizzetto M, Verme G, Trinchero P, Sansalvadore F, Smedile A. Alpha 2 recombinant interferon in the treatment of chronic hepatitis delta virus (HDV) hepatitis. Prog Clin Biol Res 1987; 234: 299-303.

12 Rizzetto M, Rosina F, Saracco G, Bellando PC, Actis GC, Bonino F, Smedile A, Trinchero P, Sansalvadore F, Pintus C, . Treatment of chronic delta hepatitis with alpha-2 recombinant interferon. J Hepatol 1986; 3 Suppl 2: S229-S233.

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15 Rosina F, Pintus C, Meschievitz C, Rizzetto M. A randomized controlled trial of a 12-month course of recombinant human interferon-alpha in chronic delta (type D) hepatitis: a multicenter Italian study. Hepatology 1991; 13: 1052-6.

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17 Farci P, Roskams T, Chessa L, Peddis G, Mazzoleni AP, Scioscia R, Serra G, Lai ME, Loy M, Caruso L, Desmet V, Purcell RH, Balestrieri A. Long-term benefit of interferon alpha therapy of chronic hepatitis D: regression of advanced hepatic fibrosis. Gastroenterology 2004; 126: 1740-9.

18 Yurdaydin C, Bozkaya H, Gurel S, Tillmann HL, Aslan N, Okcu-Heper A, Erden E, Yalcin K, Iliman N, Uzunalimoglu O, Manns MP, Bozdayi AM. Famciclovir treatment of chronic delta hepatitis. J Hepatol 2002; 37: 266-71.

19 Niro GA, Ciancio A, Tillman HL, Lagget M, Olivero A, Perri F, Fontana R, Little N, Campbell F, Smedile A, Manns MP, Andriulli A, Rizzetto M. Lamivudine therapy in chronic delta hepatitis: a multicentre randomized-controlled pilot study. Aliment Pharmacol Ther 2005; 22: 227-32.

20 Erhardt A, Gerlich W, Starke C, Wend U, Donner A, Sagir A, Heintges T, Haussinger D. Treatment of chronic hepatitis delta with pegylated interferon-alpha2b. Liver Int 2006; 26: 805-10.

21 Castelnau C, Le Gal F, Ripault MP, Gordien E, Martinot-Peignoux M, Boyer N, Pham BN, Maylin S, Bedossa P, Deny P, Marcellin P, Gault E. Efficacy of peginterferon alpha-2b in chronic hepatitis delta: relevance of quantitative RT-PCR for follow-up. Hepatology 2006; 44: 728-35.

22 Niro GA, Ciancio A, Gaeta GB, Smedile A, Marrone A, Olivero A, Stanzione M, David E, Brancaccio G, Fontana R, Perri F, Andriulli A, Rizzetto M. Pegylated interferon alpha-2b as monotherapy or in combination with ribavirin in chronic hepatitis delta. Hepatology 2006; 44: 713-20.

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