KONGRESS: 14TH CROI 25.-28. FEBRUAR 2007 IN LOS ANGELES
Durchbruch bei der Salvage-Therapie

Die 14th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) in Los Angeles bot wie gewohnt ein hohes wissenschaftliches Niveau und eine Fülle von neuen Informationen. Unumstrittenes wissenschaftliches Hightlight war die Präsentation der ersten Ergebnisse der Phase-III-Studien mit dem CCR5-Antagonisten Maraviroc und dem Integrasehemmer Raltegravir. Die politischen Töne waren dagegen in diesem Jahr leiser als in den Jahren zuvor. Der Anteil der Studien aus der dritten Welt, insbesondere aus Afrika, war dafür weiter angestiegen. Was ganz fehlte, war Prominenz aus Film, Politik oder Wirtschaft. Möglicherweise war die parallel zum Eröffnungsabend stattfindende Oscar-Verleihung doch eine zu große Konkurrenz.

Für den CCR5-Antagonisten Maraviroc und den Integrasehemmer Raltegravir (früher MK-0518) bedeutete die 14te CROI den Durchbruch. John Mellors, Pittsburgh, sprach von einer neuen Ära für stark vorbehandelte Patienten ähnlich der Einführung der HAART 1996 in Vancouver. Die Erfolge mit den beiden neuen Substanzen bei den bislang schwer zu behandelnden Patienten mit Dreiklassen-Resistenz sind tatsächlich bemerkenswert - und das bei einer initialen Nebenwirkungsrate auf Placeboniveau.


Abb. 1: Patienten <400 Kopien/ml in Woche
16 je nach PSS/GSS der OBT

Beide Substanzen wurden in zwei identischen Studien geprüft, die in den USA und anderen Teilen der Welt durchgeführt wurden, und ähneln im Design den Studien zu Enfuvirtid (TORRO), Tipranavir (RESIST) und Darunavir (POWER), d.h. die Patienten erhielten eine optimierte Basistherapie (OBT) plus das Prüfpräparat oder Placebo.

RALTEGRAVIR

Raltegravir wurde in den Studien BENCHMRK-1 und -2 geprüft. Unter dem Integrasehemmer (2x 400 mg) erreichten nach 16 Wochen im Vergleich zu Placebo doppelt so viele Patienten eine Viruslast unter der Nachweisgrenze (<400 Kopien/ml 79% vs. 43%; <50 Kopien ca. 60% vs. 30%) und die CD4-Zellen stiegen in etwa um das Doppelte an. Am besten schnitten Patienten mit mehreren aktiven Substanzen ab. Hier konnte die Viruslast bei 90% (!) der stark vorbehandelten Patienten, die Raltegravir erstmals zusammen mit Enfuvirtid oder Darunavir im OBT erhielten, unter die Nachweisgrenze von <400 Kopien/ml gesenkt werden (63% bzw. 55%). Selbst von den Patienten ohne eine weitere aktive Substanz im genotypischem Resistenztest erreichten 57% unter Raltegravir eine Viruslast <400 Kopien/ml im Vergleich zu 10% unter Placebo (Abb. 1) (#150a+bLB Cooper D et al., Steigbigel R et al.).


Abb. 2: Patienten mit einer Viruslast
unter der Nachweisgrenze

Wie hoch die Resistenzbarriere ist und lange dieser Erfolg bei funktioneller Monotherapie anhält, ist noch offen. Nach den bisher vorliegenden limitierten Analysen scheint es über zwei Wege zur Resistenz zu kommen, zum einen über die Mutation N155H oder über die Mutation Q148K/R/H. Beide Wege waren mit weiteren Mutationen assoziiert.

MARAVIROC

Maraviroc wurde in den Studien MOTIVATE -1 und -2 geprüft. Die Patienten erhielten eine OBT plus Maraviroc 150 mg BID oder Maraviroc 150 mg QD oder Placebo. Und auch hier erreichten im Vergleich zu Placebo doppelt so viele Patienten eine Viruslast unter <50 Kopien/ml (24 Wochen 44,0% bzw. 45,3% vs. 23,0%) und die CD4-Zellen stiegen um das Doppelte (Abb. 2). 8% der Patienten hatten in den 4-6 Wochen zwischen Screening und Therapiebeginn einen Tropismus-Shift, der allerdings keinen negativen immunologischen Effekt in den weiteren 24 Wochen zur Folge hatte (#104a+bLB Lalezari J et al.; Nelson M et al.).

TROPISMUS-SHIFT

CCR5-Antagonisten haben den Vorteil, dass sie die CD4-Zellen vor der Infektion "schützen", aber den Nachteil, dass man vor dem Einsatz den Tropismus bestimmen muss und es zu einem Tropismus-Shift kommen kann. Wie oft solch ein Shift spontan vorkommt, untersuchte eine amerikanische Arbeitsgruppe an 76 Patienten mit stabiler, aber versagender HAART. Zu Beginn hatten 68% ein R5-tropes, 29% ein dual/gemischtes- und 3% ein X4-tropes Virus. Nach einem Jahr war es bei 12% der Patienten mit R5-tropem Virus zu einem dual/gemischtem Tropismus, bei 11% der Patienten mit initial dual/gemischtem Virus zur "Reversion" zu R5-tropem und bei 8% zur "Progression" zu X4-tropem Virus gekommen (#619 Hunt P et al).

UND DIE PIPELINE?


Abb. 3: Integrasehemmer Elvitegravir. Viruslast -
Veränderung von Baseline (ITT)



Tab. 1: Der neue NNRTI TMC 287 scheint verträglicher zu sein
als Efavirenz

Auch nach den jüngsten Erfolgen der Arzneimittelforschung läuft die Suche nach neuen Substanzen auf Hochtouren. Die am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittene Substanz ist der NNRTI TMC 278. In einer Phase-IIb-Studie an über 300 Therapien-naiven Patienten war die Wirksamkeit von TMC 278 und Efavirenz vergleichbar (jeweils ca. 80% <50 Kopien/ml nach 48 Wochen). Die Verträglichkeit scheint jedoch besser zu sein als die von Efavirenz (#144LB Pozniak A et al.) (Tab. 1).

Der Integrasehemmer Elvitegravir (GS-9137) zeigte nach 24 Wochen in einer Phase-II-Studie im Vergleich zu einem aktiven Proteasehemmer eine gute Wirksamkeit (<50 Kopien/ml (ca. 40% vs. 30%) (Abb. 3) (#143LB Zolopa A et al.). Resistenzmutationen sind auch hier bereits beschrieben (#627 Jones G et al.). Weitere Integrasehemmer in der Entwicklung sind GSK364735 (#562 Reddy S et al.) und MK-2048, ein Integrasehemmer der zweiten Generation, der gegen Integrasehemmer-resistente Isolate entwickelt wird (#87 Wai J et al.).

THERAPIESTRATEGIEN

Zu den Therapiestrategien mit bekannten Substanzen gab es zumindest aus westlicher Sicht keine Aufsehen erregenden Neuigkeiten. Bei der Indikation zur Therapie könnte die Viruslast an Bedeutung gewinnen. Nach komplizierten Berechnungen der Amerikaner John Mellors, Pittsburgh (#139), und Bryan Lau, Baltimore (#140), ist sie ein wichtiger prognostischer Prädiktor. Aber auch die Helferzellen gewinnen an Bedeutung und zwar als Indikator für ein erhöhtes Risiko Nicht-HIV-assoziierter Malignome.

In der großen D:A:D-Studie, in der über 23.000 HIV-Infizierte erfasst sind, gingen zwei Drittel der Todesfälle in den Jahren 1999-2005 auf solche Tumoren zurück. Am häufigsten betroffen waren Lunge (20%), Gastrointestinaltrakt (13%, ein Drittel Leber), Knochenmark (7%), Anus (7%), Urogenitaltrakt (6%), obere Atemwege (3%) und andere (7%). Mit steigender CD4-Zahl nahm das Risiko dieser Tumoren ab und zwar auch, wenn die Analkarzinome nicht berücksichtigt wurden (#84 D'Arminio Monforte A et al.).

NEUES ZUR LIPODYSTROPHIE


Abb. 4: ACTG 5142. Lipoatrophie (>20% Verlust)
unter EFV+2NRTI vs. LPV/r+2NRTI vs. EFV/LPV/r

Zur Lipodystrophie gab es einige Überraschungen. In zwei Studien war es unter einem NNRTI häufiger zur Fettverteilungsstörung gekommen als unter einem geboosterten Proteasehemmer. So wurde in der Studie ACTG 5142, in der Efavirenz plus 2 NRTI bei Therapie-naiven Patienten Lopinavir/r plus 2 NRTI virologisch überlegen war, nach 96 Wochen bei 32% der Efavirenz-Patienten eine Lipoatrophie beobachtet im Vergleich zu lediglich 17% unter Lopinavir/r (Abb. 4). Das Lipoatrophie-Risiko unter Efavirenz war selbst nach Adjustierung für den NRTI-Backbone doppelt so hoch wie unter Lopinavir/r.

Beim Vergleich der verschiedenen NRTI-Backbones gab es dagegen keine Überraschungen. Tenofovir war mit dem geringsten, Stavudin mit dem höchsten Risiko assoziiert. Am seltensten war die Lipoatrophie, wenn gar kein NRTI eingesetzt wurde, nämlich im EFV+LPV/r-Arm (9%). Dieses NRTI-freie Regime hatte allerdings wiederum den ungünstigsten Einfluss auf die Triglyceride, gefolgt von Lopinavir/r plus 2 NRTI. Gesamtcholesterin und HDL-Cholesterin wurden von Efavirenz bzw. Lopinavir/r plus 2 NRTI gleichermaßen erhöht (#38 Haubrich R et al.).

Die zweite Untersuchung ist eine Studie zur LPV/r-Monotherapie. In dieser Studie wechselten die Patienten nach 24 Wochen LPV/r/ZDV/3TC und einer dreimaligen Viruslast <50 Kopien/ml auf LPV/r allein. Die Kontrollgruppe wurde kontinuierlich mit EFV/ZDV/3TC behandelt. Eine Lipohypertrophie war unter beiden Regimen gleich häufig (45% vs. 44%), eine Atrophie wurde dagegen ohne NRTI-Backbone signifikant seltener beobachtet (0% vs. 16%) (#44LB Cameron DW et al.).

BAUCH WEG DURCH HORMONE?

Wachstumshormon hat einen günstigen Effekt bei der Lipohypertrophie, allerdings stört es auch den Zucker- und Fettstoffwechsel. Wachstumshormonstimulierendes Hormon scheint eine ähnlich gute Wirkung ohne diese Nebenwirkungen zu haben. Das ergab eine Studie an 412 Patienten (86%) Männern, die 26 Wochen lang mit diesem Hormon (Substanz TH9507) 2 mg/d sc behandelt wurden.

Die viszerale Adipositas hatte unter dem Hormon in 24 Wochen um 15% abgenommen, in der Placebogruppe dagegen um 5% zugenommen. Das periphere Fett wurde nicht relevant beeinflusst (#45LB Falutz J et al.).

PRIMÄRINFEKTION

Zwei Late Breaker gab es zur Therapie der Primärinfektion, einer davon stammte aus deutscher Feder. Christine Koegl aus München präsentierte die Ergebnisse der von der DAGNÄ initiierten Studie (HIV&more gratuliert zu diesem Erfolg!). In der Untersuchung, an der zahlreiche Praxen teilgenommen hatten, zeigte die frühe Behandlung der Primärinfektion keinen langfristigen Erfolg im Sinne einer verbesserten körpereignen Kontrolle des Virus (#125LB Koegl C et al.).

In einer zweiten Studie aus Holland dagegen hatte die Therapie den viralen Setpoint erniedrigt - allerdings gab es in der Untersuchung einen Bias (Patienten mit hoher Viruslast wurden eher behandelt) und der immunologische Verlauf wurde nicht beeinflusst (#124LB Steingrover R et al.).

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