Nils Postel, Berlin
VIR LogoViel HYPE um Nichts?
Männermedizinische Substudie „HYPE“ der DAGNÄ-Studie 50/2010 bundesweit angelaufen

In den westlichen Gesellschaften wird in einigen Jahren die Hälfte der HIV-infizierten Männer über 50 Jahre alt sein. Nicht nur Stoffwechsel- und kardiovaskuläre Erkrankungen werden sukzessive häufiger auftreten, auch der klinisch signifikante Hypogonadismus des älter werdenden Mannes (late-onset-hypogonadism) wird an Häufigkeit und Schwere zunehmen, und damit ebenso seine zahlreichen Folgen. Die HIV-Infektion und bestimmte antiretrovirale Substanzen wirken auf diese Krankheitskomplexe aggravierend. Die DAGNÄ-Arbeitsgruppe Männermedizin VIR+ hat deshalb vor kurzem eine Studie zum Hypogonadismus ins Leben gerufen.

Die Studie wird im Rahmen der DAGNÄ-Hauptstudie 50/2010 („Der ältere Patient“) durchgeführt. Die Hauptstudie läuft seit knapp zwei Jahren, klinischer Leiter ist Dr. Hans Jäger, München. In dieser werden HIV-Infizierte, Menschen ohne schwerwiegende chronische Erkrankungen (=Kontrollgruppe) und Typ-2-Diabetiker miteinander verglichen. Alle Studienteilnehmer müssen mindestens 50 Jahre alt sein. Auf Grund der Zusammensetzung des  Studienkollektives ist die Studie 50/2010 besonders gut geeignet, Parameter zum klinischen apparenten Hypogonadismus, zum möglichen Testosteronmangel und dessen Spezifitäten (primär vs. sekundär vs. Mischform) zu erheben. Die Substudie HYPE vergleicht HIV-infizierte Männer mit männlichen Typ-2-Diabetikern und mit Männern ohne HIV oder Diabetes.

Klinische Diagnostik des Hypogonadismus

Im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung wird die Symptomatologie mit Hilfe des evaluierten Fragebogens AMS („aging-males‘-symptoms scale“) erfasst  und mit mehreren Testosteron-assoziierten Laborparametern korreliert. Dieses Konzept ist kontrovers, funktioniert aber, wie eine Arbeitsgruppe aus Manchester in einer großen Studie kürzlich zeigen konnte (Wu et al., 2010). Des Weiteren soll klinische Versorgungsforschung betrieben werden: Hypothetisch ist, dass viele HIV-Spezialisten sich des Hypogonadismus nur zögerlich annehmen, hauptsächlich, weil die Symptome unspezifisch und multifaktoriell sind; diagnostische Tools sind zwar vorhanden, aber nicht weit verbreitet. Das noch am häufigsten eingesetzte und gute Spezifität und Sensitivität bietende Tool ist die AMS-Skala, ein 1999 in Deutschland entwickelter gesundheitsbezogener Quality-of-Life-Fragebogen, der drei
Symptomenbereiche abfragt: körperliche Beschwerden, psychische Probleme und sexuelle Dysfunktion. Alle diese  Symptome lassen sich potenziell auf einen Testosteronmangel zurückführen. Korreliert man die Ergebnisse des AMS mit verschiedenen Testosteron-Laborparametern wird eine befriedigende diagnostische Trennschärfe erreicht hinsichtlich eines „echten“ Hypogonadismus und differentialdiagnostischen Überlegungen.

Bisherige Studiendaten

Die Studienlage zum Hypogonadismus beim älteren Patienten mit und ohne HIV-Infektion ist – auch international – wenig umfangreich und aussagekräftig. Die meisten Arbeiten sind einarmig (Guaraldi et al., 2007), haben keine klar definierte Studienpopulation (Klein et al., 2005), haben pro Studienarm nur wenige Probanden (Bhasin et al., 2000) oder setzen keine validierten klinischen Tools ein (Collazos et al., 2002). Direkte Vergleiche zwischen HIV-infizierten und HIV-negativen älteren Männern oder Vergleiche von HIV-Infizierten mit Typ-2-Diabetikern fehlen fast gänzlich. Eine wichtige Arbeit wurde im letzten Jahr von Teichmann et al. im European Journal of Medical
Research veröffentlicht. Sie beleuchtet eine wichtige Folge des Hypogonadismus – die Osteopenie. Verglichen mit HIV-negativen Probanden hatten HIV-infizierte Männer signifikant häufiger einen Testosteronmangel und diese hatten signifikant häufiger eine Osteopenie als eugonadale HIV-positive oder -negative Männer.

Bisher wurden zahlreiche Patienten in die Substudie HYPE rekrutiert, wofür VIR+ den Kolleginnen und Kollegen herzlich danken möchte! Wir hoffen auf weitere Unterstützung dieser wichtigen Untersuchung!

 


Bhasin et al., Testosterone Replacement and Resistance Exercise in HIV-Infected Men With Weight Loss and Low Testosterone Levels. JAMA. 2000;283:763-770

Collazos et al., Sexual Dysfunction in HIV-Infected Patients Treated With Highly Active Antiretroviral Therapy. JAIDS 2002;31:322-326

Guaraldi et al., Sexual dysfunction in HIV-infected men: role of antiretroviral therapy, hypogonadism and lipoatrophy. Antiviral Therapy 2007;12:1059-1065

Klein et al., Androgen Levels in Older Men Who Have or Who Are at Risk of Acquiring HIV Infection. Clin Infect Dis. 2005;41(12):1794-1803

Teichmann et al., Bone Mineral Density in Human Immunodeficiency Virus-1 Infected Men With Hypogonadism Prior To Highly-Active-Antiretroviral-Therapy (HAART). European Journal of Medical Research 2009;14:59-64

Wu et al., Identification of Late-Onset Hypogonadism in Middle-Aged and Elderly Men. N Engl J Med 2010;363:123-135


Ausgabe 3 - 2010Back

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