Auf dem Weg zur Heilung

Kuala Lumpur, Malaysia, 1.7. 2013

IAS-HIVcure LogoNoch vor dem eigentlichen IAS-Kongress fand der Workshop „Towards an HIV Cure“ über zwei Tage statt. Man hatte das Gefühl, dass sich die Euphorie der letzten beiden Jahre etwas gelegt hat. Nach der ersten Begeisterung über den „Berlin-Patient“ und das „Mississippi-Baby“ ist den Forschern inzwischen klar geworden, dass es keinen Königsweg zur Heilung gibt, sondern dass es ein langer, aufwendiger Prozess wird. Nun konzentriert man sich wieder auf die Grundlagenforschung, diskutiert aber auch vorab schon grundlegende ethische Fragen, z.B. unter welchen Voraussetzungen „analytische Therapieunterbrechungen“ zu rechtfertigen sind.

Neue HDAC-Inhibitoren

Nachdem erste Studien mit dem HDAC-Inhibitor Vorinostat eher ernüchternd verliefen, hofft man auf neue, stärker wirksame Substanzen. Erste Daten wurden zu Panobinostat vorgestellt.  Die Gabe dieser Substanz führte zu einer messbaren Acetylierung der  Histone und bei  14 von 15 Patienten stieg die Virus-RNA unter Therapie messbar an. Dabei wurde ein neuer Test verwendet, der nur eine qualitative Aussage erlaubt, so dass kein Rückschluss auf das Ausmaß der Aktivierung nicht möglich ist.  Nun müssen weitere Studien folgen, die u.a. auch die Sicherheit und Verträglichkeit bei HIV-Patienten überprüfen.

Eine weitere Substanz, Entinostat, verspricht selektiver nur Histon-Deacetylasen vom Typ I zu hemmen (die für die Latenz von HIV verantwortlich gemacht werden). Dazu gibt es aber nur frühe in-vitro Daten.

Der Ansatz, HIV mit Aktivatoren aus der Latenz zu locken, um das Virus dann mit der ART an der weiteren Vermehrung zu hemmen, heißt jetzt etwas weniger dramatisch „Kick and kill“ statt bisher „Shock and kill“.

Feuer mit Feuer bekämpfen

Ein weiterer Ansatz sieht vor, aus den Viren, die im Körper eines HIV-Infizierten vorkommen, eine Art „Kunstvirus“ (geklont aus drei verschiedenen Sequenzen) zu konstruieren, dieses aber vermehrungsunfähig zu machen. Diese künstlichen Partikel vermögen offenbar latent infizierte Zellen besonders gut zu aktivieren.

Was macht man nun aber mit aktivierten Zellen, die sich im Gewebe befinden und durch Medikamente teilweise nicht optimal erreicht werden?

Trojanische (Gift-)Pferde

Um dieses Problem anzugehen, könnten z.B. Immuntoxine eingesetzt werden. Dabei werden Antikörper, die z.B. gp120, dass auf der Oberfläche infizierter Zellen exprimiert werden, mit Zellgiften gekoppelt werden. Bindet der Antikörper, wird das Immuntoxin durch Endozytose von der Zelle aufgenommen, der Gift-Teil abgespalten und führt schließlich zum Tod der infizierten Zelle.

In Mäusen führte dieses Verfahren in einigen Geweben zu einem 3 log-Abfall der Viruslast und im ganzen Körper zu einem Abfall von 0,8 log mehr als durch die ART erreicht wurde. Dieser Abfall wurde durch den Verlust aktiv Virus produzierender Zellen erreicht.

Aus für IL-7?

In-vitro ist auch Interleukin 7 (IL-7) in der Lage, HIV aus seiner Latenz zu wecken. In der ERAMUNE 01-Studie wurde überprüft, ob dies auch klinisch messbar wäre, d.h. ob die integrierte HIV-DNA unter einer Behandlung mit IL-7 (zusätzlich zu einer intensiven ART inklusive Maraviroc und Raltegravir) abnimmt. Leider war dies nicht der Fall. Allerdings hatten die Patienten, die IL-7 erhielten, einen deutlichen Anstieg der CD4-Zellzahl, der teilweise bis über ein Jahr anhielt. Allerdings hatte man ähnliches auch schon bei IL-2 gesehen, leider hatten diese zusätzlichen CD4-Zellen in Studien aber keinen klinischen Nutzen gebracht.

Neue Hoffnung für Frühtherapie

Die funktionelle Heilung des „Mississippi-Babys“ und die Post-Treatment-Controller der VISCONTI-Studie haben das Feld der Frühtherapie neu belebt. Nun werden Studien aufgelegt, die untersuchen sollen, ob man durch eine sehr frühe Therapie (d.h. noch unvollständiger Westernblot), die nach einiger Zeit abgesetzt wird, mehr Patienten zu solchen Post-Treatment-Controllern machen kann und wenn ja, welche Therapie sich dazu eignet.

„Berlin Patient“  Nummer 2 und 3?

Schließlich wurden noch Daten von zwei Lymphom-Patienten mit HIV vorgestellt, die ähnlich wie der „Berlin-Patient“ eine Knochenmarktransplantation erhalten hatten, aber im Gegensatz zu diesem kein Knochenmark von einem Spender mit Delta-32-Mutation.

Beide hatten auch nur ein „reduced intensity conditioning“ erhalten, d.h. keine Bestrahlung, kein anti-Lymphozyten-Serum und nur eine relativ moderate Chemotherapie.

Bei beiden war nach einiger Zeit keine HIV-DNA mehr in peripheren Blutzellen feststellbar. Die Rekonstitution des Immunsystems war vergleichbar mit nicht HIV-Infizierten.

Es war auch keine HIV-spezifische Interferon-gamma Antwort gegen HIV mehr nachweisbar (aber sehr wohl gegen CMV/EBV/Influenza)

Bei beiden Patienten wurde eine „Analytische Therapieunterbrechung“ durchgeführt. Ergebnis: Bisher nach sieben bzw.  14 Wochen keine HIV RNA/DNA nachweisbar bei weiterer Abnahme der HIV-Antikörpertiter . Dennoch ist ein weitere Nachverfolgung nötig, bevor auch diese Patienten als geheilt gelten können.

Der ausschlaggebende Faktor für die Vernichtung der HIV-infizierten Zellen ist vermutlich die „Graft-vs.-Host“-Reaktion, also die Reaktion des transplantierten Immunsystems gegen die als „fremd“ erkannten Zellen des ursprünglichen Immunsystems.


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