Vulnerable Gruppen erreichen: Kreativität trifft Engagement für Hepatitis-C-Awareness

02. Mai 2024

Vulnerable Gruppen erreichen: Kreativität trifft
      Engagement für Hepatitis-C-Awareness

In Deutschland leben geschätzt fast 190.000 Menschen mit einer Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion.1 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Hepatitis C als wesentliche Bedrohung für die öffentliche Gesundheit ein und hat das Ziel ausgelobt, bis zum Jahr 2030 HCV-Neuinfektionen um 90 % zu senken. Die Diagnose- und Behandlungsraten sollen zudem auf 90 bzw. 80 % gesteigert und HCV-assoziierte Todesfälle um 65 % reduziert werden.2 Diesen Zielen schließt sich die Bundesregierung an.3 Das Fundament ist in Deutschland mit Screening-Angeboten sowie modernen effektiven und gleichzeitig einfachen Therapien gelegt. Doch gerade vulnerable Gruppen wie zum Beispiel Drogengebrauchende oder Menschen mit Migrationshintergrund lassen sich oft nur schwer erreichen.4

Erfahrungen zeigen, dass eine HCV-Behandlung mit den aktuellen, gut verträglichen DAA-Regimen (DAA, direkt wirkende antivirale Medikamente) auch in den Risikopopulationen in der Regel problemlos und erfolgreich funktioniert.5 Die Hindernisse für die Elimination von HCV konzentrieren sich vor allem darauf, betroffene Patient*innen zu erreichen.5 Es sind Kreativität und Engagement gefragt, um insbesondere Menschen aus vulnerablen Gruppen stärker für eine Testung und Behandlung zu motivieren. Erfreulicherweise gibt es zunehmend Beispiele für erfolgreiche regionale Projekte, die eine HCV-Mikroelimination unterstützen.

Risikogruppen aufklären und an Versorgungssysteme anbinden

Viele Betroffene aus Risikogruppen sind für die Gefährdung durch das Hepatitis-C-Virus nicht ausreichend sensibilisiert oder/und haben nur erschwert Zugang zu Testung und Therapie. Die S3-Leitlinie zu Hepatitis C der DGVS hebt die Bedeutung eines flächendeckenden Screenings in den vulnerablen Gruppen hervor und empfiehlt die HCV-Testung bei allen aktiven und ehemaligen Drogengebrauchenden sowie weiteren relevanten Risikogruppen.6 Dazu gehören z. B. Migrant*innen aus Regionen mit erhöhter HCV-Infektionsrate, Menschen mit Hochrisiko-Sexual-Praktiken und sexuell übertragbaren Krankheiten, Haushaltsangehörige bzw. Sexualpartner*innen HCV-Infizierter, HIV- und/oder HBV-Infizierte sowie Insassen von Justizvollzugsanstalten.6

Doch selbst wenn eine behandlungsbedürftige HCV-Infektion festgestellt wurde, gehen aus diesen Gruppen noch immer viele Patient*innen für die Therapie verloren.4 Als Hürden gelten vor allem ein Mangel an Informationen, die Angst der Menschen vor Stigmatisierung und die Linkage-to-Care mit Anbindung an behandelnde Ärzt*innen. Umso wichtiger erscheint es, die Aufklärungsarbeit weiter voranzutreiben und den Zugang zu Betroffenen herzustellen. Netzwerke, Kooperationen, Mikroeliminationsprojekte mit niedrigschwelligen Angeboten und der Aufbau von Zuweiserstrukturen sind dabei wesentliche Säulen. Ziel ist es, Barrieren abzubauen und den Zugang zu einer Testung und ggf. Hepatitis-C-Therapie zu erleichtern.


Informieren, testen, begleiten: Erfolge mit innovativen Projekten

Doch wie lassen sich Awareness-, Test- und Linkage-to-Care-Aktionen in Risikogruppen im Alltag konkret umsetzen? Kreative Ideen und Engagement können hier einiges bewegen. Das bestätigen folgende Projekte, die u. a. mit Unterstützung von AbbVie Deutschland als Kooperationspartner oder Sponsor ins Leben gerufen bzw. weitergeführt und ausgebaut wurden:



HCV Tricycle Projekt – ein Lastenrad als mobile Teststation

Mitarbeiter*innen der Ambulanten Suchthilfe Bremen suchten mit einem Tricycle – d. h. einem elektrisch angetriebenen Lastenrad mit drei Rädern – mehrere Treffpunkte von Menschen mit Drogengebrauch auf. Zum Beispiel war das engagierte Team am Vorplatz des Hauptbahnhofs, beim Gesundheitsamt und in entlegenen Parks und Schlafmöglichkeiten unterwegs. Das Tricycle diente als Informationsstand und mobile Teststation. Hier konnten Hepatitis-C-Antikörper-Schnelltests per Mundabstrich durchgeführt werden. Das Testergebnis lag nach 20 Minuten vor. Bei positiv Getesteten war eine Weiterversorgung sichergestellt: Eine Bremer Praxis hatte sich bereit erklärt, Betroffene in den Räumlichkeiten der Ambulanten Suchthilfe zu festen Terminen auf dem Weg zur Behandlung zu begleiten. Mitarbeiter*innen der Einrichtung engagieren sich dafür, dass die Patient*innen zu den Terminen verlässlich erschienen.

HCV Test- und Beratungsbus – bisher einzigartig in Deutschland

Bereits seit Oktober 2022 ist in Schleswig-Holstein ein Test- und Beratungsbus der dortigen Aidshilfe und von kooperierenden weiteren Unterstützern im Einsatz. Hier können sich Menschen aus Risikogruppen anonym, schnell und unkompliziert auf Hepatitis C und HIV testen lassen. Um die vulnerablen Gruppen direkt in ihren Lebenswelten zu erreichen, fährt der Bus unter anderem Essensausgaben, Wohnungslosenunterkünfte, die Nähe von Bahnhofsmissionen und andere Szenetreffs an. Fällt ein Testergebnis positiv aus, wird der Kontakt zu behandelnden Ärzt*innen hergestellt.

Hepatitis-freies Köln – „Wat wellste maache?“

Das Projekt unter Leitung der Deutsche Leberhilfe e.V. bietet Hilfe und Aufklärung für Menschen mit Virushepatitis-Infektionen. Hierfür haben die Initiator*innen die Website www.hepatitisfreies-koeln.de mit Informationen zu Hepatitis C sowie weiteren Hepatitis-Erkrankungen entwickelt. Dort werden die Besucher*innen auf Kölsch mit „Wat wellste maache?“ (Hochdeutsch: „Was willst du machen?“) begrüßt und dazu aufgerufen, sich auf eine Hepatitis-Infektion testen und – im Falle eines positiven Ergebnisses – behandeln zu lassen. Zudem ist eine Liste mit Schwerpunktpraxen verfügbar, an die sich infizierte Menschen für eine Behandlung oder/und weitere Informationen wenden können.

Testaktion Köln – niederschwellig testen und beraten

Die Aidshilfe Köln e.V. und VISION e.V. (Verein für innovative Drogenselbsthilfe) haben eine weitere Hepatitis-C-Awareness- und Testaktion ins Leben gerufen. Ziel war es, Drogengebrauchende dort zu erreichen, wo sie im Alltag anzutreffen sind. Hierfür gab es an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Testaktionen: Zum einen zentral in der Stadt Köln an einem Szenetreffpunkt, dort sprachen Streetworker*innen Menschen in der Szene an, informierten über die Erkrankung und testeten bei Wunsch auf HCV. Der zweite Tag fand auf dem Gelände der niederschwelligen Einrichtung VISION e.V. statt. Lokal tätige Ärzt*innen standen für weitere Informationen an beiden Tagen zur Verfügung, nutzten die Möglichkeit, mit interessierten Personen zu sprechen und ihnen Termine in ihren Praxen anzubieten. Die Zusammenarbeit von professionellen Fachkräften und Peers, die über Erfahrungen im Bereich Hepatitis C und Drogengebrauch zurückgreifen können, bewährt sich und wird von Nutzenden des Testprojekts wertschätzend angenommen.


Literatur:

  1. Polaris Observatory HCV Collaborators. Lancet Gastroenterol Hepatol 2022;7(5):396–415.

  2. World Health Organization (WHO). Global Hepatitis Report, 2017; https://www.who.int/publications/i/item/9789241565455 [letzter Zugriff: 29.03.2024].

  3. Bundesministerium für Gesundheit. Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen – BIS 2030. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/hiv-hepatitis-und-sti/bis-2030.html [letzter Zugriff: 29.03.2024].

  4. Sarrazin C et al. Z Gastroenterol 2020;58:1107–1131.

  5. Hüppe D et al. J Viral Hepat 2021;28:1474–1483.

  6. Sarrazin C et al. Gastroenterol 2018;56:756–838.


Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG



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