CHRISTIAN HOFFMANN, HAMBURG
Opportunistische Infektionen - Teil 5: Krypto-, Mikro- und Isosporidien

Durchfallerkrankungen durch Parasiten waren in der prä-HAART-Ära ein häufiges und schwerwiegendes Problem bei HIV-Patienten. Hierzulande sind sie inzwischen selten geworden. Dennoch sollten Kryptosporidien, Mikrosporidien und Isosporidien bei HIV-Patienten mit chronischer Diarrhoe auch heute noch differential-diagnostisch berücksichtigt werden. In den Entwicklungsländern spielen sie weiterhin eine wichtige Rolle.

KRYPTOSPORIDIOSE

Die Kryptosporidiose ist eine fäkal-oral übertragene Darmerkrankung. Verursacht wird sie durch verschiedene Spezies des Protozoens Cryptosporidium (mehrere Spezies existieren, C. hominis und C. parvum sind die wichtigsten). Bei immunkompetenten Personen wird vor allem Dünndarmschleimhaut infiziert, bei immungeschwächten Menschen können darüber hinaus auch Dickdarm und extraintestinale Lokalisationen betroffen sein. Seit der Erstbeschreibung im Jahre 1976 zählen Kryptosporidien zu den wichtigsten Durchfallkeimen weltweit. Haupt-Infektionsquellen dieses intrazellulären Parasiten sind Tiere, kontaminiertes Wasser und Nahrungsmittel. Die Inkubationszeit beträgt etwa 10 Tage. Während die Diarrhoen bei HIV-Patienten mit mehr als 200 CD4-Zellen/µl meist nach wenigen Tagen verschwinden, kann die Kryptosporidiose bei massivem Immundefekt (unter 50 CD4-Zellen/µl) durch Wasser- und Elektrolytverluste chronisch werden. Die chronische - nicht die akute - Kryptosporidiose zählt zu den AIDS-definierenden Erkrankungen.

Therapie der Kryptosporidien
Symptomatisch
Loperamid + Opiumtinktur Diverse Generika, 2 - 6 x 1 Kps. à 2 mg (oder auch als Lösung) und/oder Tinctura opii simplex 1% = 4 x 5-15 Tropfen
Heilversuche, wenn trotz symptomatischer Therapie und ART keine Besserung
Nitazoxanid Cryptaz™ 2x 1 Tbl. à 500 mg
Rifaximin Xifaxan™ 2x 2 Tbl. à 200 mg
Paromomycin + Azithromycin Humatin Pulvis® 3x 1 Btl. à 1 g plus Ultreon® 1x 1 Tbl. à 600 mg
Prophylaxe Expositionsprophylaxe: Kein Leitungswasser

Die wässrigen Diarrhoen können so stark sein, dass sie über Elektrolytverlust und Exsikkose zum Tode führen. 20 Stuhlentleerungen pro Tag sind nicht selten. Meist bestehen Tenesmen, oft Übelkeit und Erbrechen. Allerdings ist die Variabilität der Symptome groß. Fieber fehlt meistens. Gelegentlich kommt es zu einem Befall der Gallengänge mit erhöhten Gallenenzymen. Auch Pankreatitiden sind möglich.

Wichtig ist, dass das Labor bei der Versendung der Stuhlproben explizit auf den Verdacht hingewiesen wird. Andernfalls werden Kryptosporidien meist übersehen. Wenn das Labor Erfahrung hat und den Hinweis erhält, reicht meist schon eine Stuhlprobe für den Nachweis. Antikörper oder sonstige Diagnostik helfen dagegen nicht weiter. Differentialdiagnostisch kommen alle Durchfallkeime in Frage.

Bei gutem Immunstatus sind die Diarrhoen fast immer selbst limitierend; wird ein schlechter Immunstatus durch eine antiretrovirale Therapie verbessert, führt dies oft zu einer Heilung. Zusätzlich zu der antiretroviralen Therapie sollten Loperamid und/oder Tinctura opii simplex gegeben werden. Auf eine gute Hydratation ist zu achten - gelegentlich sind Infusionen notwendig.

Eine anerkannte oder gar zugelassene, spezifische Therapie existiert nicht. Wir haben gute Erfahrungen mit Nitazoxanid (Cryptaz™) gemacht. Dieses Antihelminthikum war in einer kleinen, randomisierten Studie wirksam. Es wurde 2005 in den USA für Kryptosporidien-assoziierte Durchfälle bei Immunkompetenten zugelassen, für AIDS-Patienten gibt es bislang keine Zulassung. Möglicherweise gibt es auch eine gewisse antivirale Wirkung gegen Hepatitis-C-Viren, die Substanz wird derzeit in mehreren Studien untersucht. Rifaximin (Xifaxan™, 200 mg) ist ein nicht-resorbierbares Rifampicin-Derivat, das in den USA als Durchfallmittel bereits zugelassen ist. Erste Daten bei AIDS-Patienten sind vielversprechend.

Paromomycin (Humatin®), ein nicht-resorbierbares Aminoglykosid-Antibiotikum, hatte in kleinen, unkontrollierte Studien einen günstigen Effekt auf die Diarrhoen. In einer doppelblind-randomisierten Studie zeigte sich jedoch kein Vorteil gegenüber Plazebo. Möglicherweise gibt es aber einen gewissen Effekt in Kombination mit Azithromycin.

Eine anerkannte Prophylaxe existiert nicht, obwohl in retrospektiven Studien Rifabutin und Clarithromycin protektiv waren. Wichtiger ist, dass Patienten in Ländern mit Hygiene-Problemen kein Leitungswasser trinken. Auch sollte darauf hingewiesen werden, dass eine Infektion beim Baden in Swimming-Pools, Flüssen und Seen grundsätzlich möglich ist. Der Kontakt zu menschlichen und tierischen Fäkalien sollte vermieden werden. Kryptosporidien sind gegen die meisten Desinfektionsmittel resistent. Im Krankenhaus reichen jedoch die üblichen Hygienemaßnahmen (Handschuhe, Handwäsche) aus. Die Patienten sollten im Krankenhaus nicht mit anderen immunsupprimierten Patienten zusammengelegt werden, eine strikte Isolierung ist aber nicht erforderlich.

MIKROSPORIDIOSE

Die Mikrosporidiose wird durch obligat intrazelluläre Protozoen, die Mikrosporidien, verursacht. Zahlreiche humanpathogene Genera sind beschrieben worden, Enterocytozoon bieneusi ist der wichtigste. Auch in Deutschland zählten Mikrosporidien früher zu den häufigen Durchfallerregern bei HIV-Patienten - in einigen Studien konnten sie bei bis zu zwei Drittel aller HIV-Patienten mit chronischen Diarrhoen nachgewiesen werden. Durch HAART ist die Inzidenz der Mikrosporidiose stark rückläufig, sie wird inzwischen nur noch sehr selten diagnostiziert. Die Mikrosporidien sind nicht AIDS-definierend, obwohl die chronische Mikrosporidiose fast ausschließlich massiv immunsupprimierte Patienten mit weniger als 50 CD4-Zellen/µl betrifft. Ein Immunrekonstitutionssyndrom wie für viele andere opportunistische Infektionen wurde bislang nicht beschrieben.

Die Diarrhoen können sehr stark sein, sind meist wässrig, ohne Blutbeimengung und werden von abdominalen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen begleitet. Fieber fehlt fast immer. Selten wurden Myositiden, Keratokonjunktivitiden und Sinusitiden beschrieben. Infektionen der Gallenwege kommen häufiger vor. Mehr noch als bei Kryptosporidien gilt, dass das Labor Erfahrung haben muss, um den Nachweis zu erbringen, der am besten mit Spezialfärbungen gelingt. Ein spezieller Transport oder Aufbereitung der Stuhlproben sind nicht notwendig.

Albendazol (Eskazole® 2x 1-2 Tbl. à 400 mg/die für 4 Wochen) wirkt relativ gut, aber keineswegs immer. Vor allem E. bieneusi ist gegen Albendazol weitgehend resistent. Aus Frankreich wurden positive Resultate zu Fumagillin (Cave Thrombozytopenien!) publiziert, die Fallzahlen sind bislang jedoch klein. Zu Niazoxanid (siehe Kryptosporidien) gibt es ebenfalls Fallberichte. Symptomatisch kommt auch Thalidomid in Frage. Am effektivsten scheint jedoch die ART-vermittelte Immunrekonstitution zu sein. Metronidazol oder Atovaquone wirken nicht.

ISOSPORIDIOSE

Isospora belli ist ein ubiquitär vorkommender Darmparasit. In Europa kommt er selten vor. Die Isosporiasis ist vor allem in den Tropen und Subtropen ein großes Problem - meist sind afrikanische HIV-Patienten betroffen. Ähnlich den Kryptosporidiosen führt der Keim auch bei Immunkompetenten gelegentlich zu epidemie-artigen Ausbrüchen. Die Betroffenen leiden an (zumeist milden) Enteritis-artigen Beschwerden, gelegentlich auch an sehr starken, wässrigen Diarrhoen, Abdominalschmerzen, Krämpfen und Übelkeit.

Bei immundefizienten Patienten kann es zu chronischen Diarrhoen und zur Malnutrition kommen. Fieber ist eher selten. Die CD4-Zellen bei HIV-Patienten liegen im Median bei 150/µl und damit etwas höher als bei Kryptosporidien oder Mikrosporidien.

Eine chronische Isosporidiose mit Durchfällen von mehr als vier Wochen ist AIDS-definierend. Der Nachweis der relativ großen Oozysten gelingt in den normalen Stuhluntersuchungen auf Parasiten, aber auch in säurefesten Färbungen. Im Blut besteht meist eine Eosinophilie.

Als Therapie eignet sich Cotrimoxazol (960 mg/die, eine Woche). Etwas weniger effektiv ist Ciprofloxacin. Rezidive kommen auch trotz antiretroviraler Therapie und Sekundärprophylaxe mit Cotrimoaxazol vor.


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SVEN POPPERT
Charakterisierung und Nachweis der Erreger

Mikroskopischer Nachweis der Erreger in Stuhlproben. E. cuniculi in der modifizierten Trichromfär-bung nach Weber (A), Cryptosporidien (B), Cyclospora (C) und Isospora (D) in der modifizierten Ziehl-Neelsen-Färbung. Balken = 10 µm.
Mikroskopischer Nachweis der Erreger in Stuhlproben. E. cuniculi in der modifizierten Trichromfär-bung nach Weber (A), Cryptosporidien (B), Cyclospora (C) und Isospora (D) in der modifizierten Ziehl-Neelsen-Färbung. Balken = 10 µm.
Bilder: Poppert, Bernhard Nocht Institut

Cryptosporidien, Cyclospora. und Isospora. sind eukaryotische Einzeller, die zu den Kokzidien. gezählt werden und die beim Menschen zu gastrointestinalen Symptomen führen können. Mikrosporidien. bilden eine eigene Ordnung von sehr ursprünglichen, eukariotischen Einzellern, die aufgrund molekularbiologischer Analysen den Pilzen zugeordnet werden.

Verschiedene Mikrosporidienarten können den Menschen infizieren und zu unterschiedlichen Manifestationen führen. Enterocytozoon bieneusi und Encephalitozoon intestinalis (früher Septata intestinalis) verursachen chronische Diarrhoe, Cholangitis, Cholezystitis und seltener auch Pneumonien. Encephalitozoon hellem führt zu Keratokonjunktivitis. Encephalitozoon cuniculi wird für schwere systemische Infektionen, mit Befall von Gehirn, Nieren, ableitenden Harnwegen und Respirationstrakt verantwortlich gemacht.

Obwohl Kokzidien und Mikrosporidien nicht verwandt sind, weisen sie eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. So verfügen sie sich über einen komplexen Entwicklungszyklus. mit obligat intrazellulärer Vermehrung, insbesondere in Dünndarmzellen. Parallel zur ungeschlechtlichen Vermehrung durch Zweiteilungen treten getrennt-geschlechtliche Formen auf. Aus befruchteten weiblichen Formen bilden sich umweltstabile Oozysten, die nach Aufnahme durch einen weiteren Wirt wiederum Darmepithelzellen infizieren können. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Verbreitung als Infektionserreger im Tierreich mit entsprechender veterinärmedizinischer Relevanz.. Einige der Arten sind wirtsspezifisch, andere können bei Mensch und Tier vorkommen. Tiere sind daher potentielle Infektionsquellen für den Menschen. Die Hauptübertragung erfolgt allerdings über verunreinigte Nahrungsmittel. Trotz der weltweiten Verbreitung der Erreger sind Infektionen beim Menschen insgesamt selten und betreffen im Wesentlichen immunsupprimierte Patienten, Kinder und Reisende in Ländern mit geringem Hygienestandard.

Diagnostik

Standard-Methode für den Nachweis von intestinalen Kokzidien und Mikrosporidien ist die mikroskopische Untersuchung. von speziell gefärbten Stuhlproben (modifizierte Ziehl-Neelsen-, modifizierte Trichrom- und Calcofluorfärbung, sowie diverse weitere Färbungen). Die unterschiedlichen Arten lassen sich über Größe, Form und Färbeverhalten voneinander abgrenzen (siehe Abbildung). Für den Nachweis von Cryptosporidien stehen außerdem kommerziell erhältliche Immunfluoreszenz- und Antigenteste zur Verfügung.

Darüber hinaus wurden in den letzen Jahren vermehrt molekularbiologische Methoden. für den Nachweis von Kokzidien- und Mikrosporidien-DNA aus Stuhlproben entwickelt. Diese Methoden sind deutlich sensitiver als mikroskopische Verfahren und daher vor allem indiziert bei anhaltendem Infektionsverdacht und negativen mikroskopischen Befunden. Außerdem ermöglicht die PCR eine genaue Speziesbestimmung insbesondere bei Mikrosporidien.

Der kulturelle Nachweis. ist, wegen des komplizierten Vermehrungszyklusses, im Rahmen der Routinediagnostik nicht möglich. Auch der Nachweis von Antikörpern. in Serum spielt in der Diagnostik von akuten Infektionen keine Rolle, sondern wird ausschließlich für epidemiologische Fragestellungen eingesetzt.

Mikrosporidien und Kokzidien mit humanpathogener Bedeutung
Die genannten Erreger können zudem mittels modifizierter Ziehl Neelsen-Färbung und PCR nachgewiesen werden.

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