Till Neumann und Stefan Esser, Essen
Hypertonie bei HIV
Bedeutender Risikofaktor oder Nebenbefund?
Mehrere Studien haben eine steigende Inzidenz für kardiovaskuläre Erkrankungen mit Einführung der antiretroviralen Therapie (ART) nachgewiesen. Unklar ist jedoch, ob der Anstieg mit den positiven Effekten der antiretroviralen Therapie einhergeht – im Sinne eines ansteigenden Durchschnittsalters und weniger opportunistischen Infektionen – oder durch die ART selbst mit bedingt wird, wie einige Arbeitsgruppen postulieren (Friis-Möller N. Engl. J. Med. 2003).
Unbestritten ist das erhöhte Profil klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren in dem Kollektiv HIV-positiver Patienten (Neumann et al. 2003 & 2004). Vor allem der Nikotinabusus und die Hyperlipidämie standen dabei in den vergangenen Jahren im Mittelpunkt des Interesses.
Mehrere Studien untersuchten auch die Häufigkeit des Bluthochdruckes bei HIV-Positiven. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken dabei zwischen 8 und 32% (Lazar et al. 2008). Damit ist belegt, dass die arterielle Hypertonie einen häufigen kardiovaskulären Risikofaktor in diesem Patientenkollektiv darstellt. Auch die hohe Rate an Patienten mit antihypertensiver Therapie unterstreicht diese Aussage. So erhielten in der SMART-Studie (Carr et al. 2008) über 16% der eingeschlossenen Patienten eine antihypertensive Therapie.
Hypertonie bei HIV häufiger?
Offen bleibt dennoch die Frage, ob die arterielle Hypertonie bei HIV-positiven Patienten häufiger auftritt als bei HIV-negativen Personen. Bisher liegt hier lediglich eine Studie vor, bei der jedoch ausschließlich Frauen betrachtet wurden. Danach bestand zwischen den Patienten mit HIV-Infektion und ohne bekannte HIV-Infektion kein signifikanter Unterschied bezogen auf die Häufigkeit einer arteriellen Hypertonie (26% vs. 28%, p=0,38). Als Risikofaktoren für das Auftreten einer Hypertonie konnten Unterschiede in der Abstammung (Hypertonie ist insbesondere bei afrikanischen Personen beobachtet worden), einem erhöhten Body-Mass-Index sowie fortgeschrittenem Alter festgestellt worden (Khalsa 2007). Eine erhöhte Rate an Patienten mit arterieller Hypertonie bei erhöhtem Alter wurde auch von Mothe et al. beschrieben. Untersucht wurden in dieser Studie HIV-positive Patienten in einem Alter über 70 Jahre (Mothe 2009) und eine Hypertonie konnte bei 36% nachgewiesen werden. Eine Korrelation der arteriellen Hypertonie zu Parametern der HIV-Infektion lässt sich hingegen nicht zweifelsfrei nachweisen (Khalsa 2007).
Pro Screening und Therapie
Auch wenn es bisher unklar ist, ob die arterielle Hypertonie in diesem Patientenkollektiv häufiger auftritt, sollte der Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie bei HIV-positiven Patienten eine hohe Bedeutung zugeordnet werden. Hierfür sprechen insbesondere zwei Gründe:
- HIV-positive Patienten weisen – wie oben bereits erwähnt – häufiger als HIV-negative mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren auf unabhängig von der arteriellen Hypertonie. Wie in der Übersicht von Ramona Pauli in den vorausgegangenen Seiten dargestellt, ist die Beurteilung einer Hypertonie abhängig von den zusätzlich bestehenden Risikofaktoren. Auch werden deutlich striktere Grenzen bei der Sekundärprävention, d.h. nach dem Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses, angelegt.
- Ein länger bestehender arterieller Hypertonus kann zu Folgeerkrankungen führen. Insbesondere Schädigungen der Niere sind nachgewiesen (Jung et al. 2004). Zum Schutz dieser sowie weiterer Organe sollte die arterielle Hypertonie beachtet und angemessen behandelt werden.
Damit gehört ein regelmäßiges Screening mittels standardisierter Blutdruckmessung zu einer umfassenden medizinischen Betreuung von HIV-Patienten. Für die Therapie der arteriellen Hypertonie liegen zur Zeit eine Reihe von Medikamentenklassen vor. Die Auswahl der einzelnen Klassen sowie deren Kombination sollte sich nach den aktuellen Leitlinien der Hypertonie richten.
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Friis-Møller N, Sabin CA, Weber R, d‘Arminio Monforte A, El-Sadr WM, Reiss P, Thiébaut R, Morfeldt L, De Wit S, Pradier C, Calvo G, Law MG, Kirk O, Phillips AN, Lundgren JD; Data Collection on Adverse Events of Anti-HIV Drugs (DAD) Study Group. Combination antiretroviral therapy and the risk of myocardial infarction. N Engl J Med. 2003;349(21):1993-2003
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