CpG-Oligonukleotide
Eine Unterstützung für die geschwächte native Immunabwehr HIV-infizierter Patienten?

Kompetenznetz HIV/AIDSDie Immunschwäche bei HIV-Infektion beruht auf dem Verlust an CD4+ Zellen. Darüber hinaus attackiert HIV jedoch weitere Immunzellen, die der angeborenen Immunabwehr zuzuordnen sind, wodurch der Immundefekt verstärkt wird. Dazu gehören plasmazytoide dendritische Zellen (PDC), Hauptproduzenten von Typ I-Interferonen im Blut. In Kooperation mit dem Kompetenznetz HIV/AIDS haben wir untersucht, inwieweit neue CpG-Oligonukleotide den bei der HIV-Infektion auftretenden Immundefekt von PDCs revertieren können.

HIV UND „INNATE IMMUNITY“

Abb. 1: Das CpG-Motiv besteht aus einem unmethylierten Cytosin-Guanosin-Dinukleotid, flankiert von zwei 5‘-Purinen und zwei 3‘-Pyrimidinen. Es findet sich 20x häufiger in bakterieller als eukaryontischer DNA
Abb. 1: Das CpG-Motiv besteht aus einem unmethylierten Cytosin-Guanosin-Dinukleotid, flankiert von zwei 5‘-Purinen und zwei 3‘-Pyrimidinen. Es findet sich 20x häufiger in bakterieller als eukaryontischer DNA


Tab. 1: Beschreibung der vier CpG-Oligonukleotid-Klassen
Tab. 1: Beschreibung der vier CpG-Oligonukleotid-Klassen

Schon zu Beginn der HIV-Epidemie war der Verlust an CD4+ Helferzellen als charakteristische Veränderung des Immunsystems beschrieben worden. Diese Zellen sind dem adaptiven (=erworbenen) Immunsystem zuzuordnen. Dass HIV gezielt auch die native (=angeborene) Immunabwehr beeinträchtigt, wird erst seit wenigen Jahren genauer untersucht. Zu diesem Zweig des Immunsystems gehören die plasmazytoiden dendritischen Zellen (PDC), die 1999 als Hauptproduzenten von Typ I-Interferonen (IFN) im Blut identifiziert wurden. Nach Stimulation wandern diese Zellen in sekundäre lymphatische Organe, wo sie mit Zellen der adaptiven Immunabwehr interagieren. Mittlerweile zeigen eine Reihe von Studien, dass Zahl und Funktion von PDCs mit dem Fortschreiten der HIV-Infektion signifikant abnehmen. Sichtbar wird dieser Defekt des nativen Immunsystems u.a. bei Impfungen wie der Hepatitis B-Impfung, welche bei HIV-infizierten Patienten signifikant niedrigere Titer induziert.

PDCs nehmen eine Schlüsselposition in der Abwehr bakterieller und viraler Infektionen ein, weil sie über endosomale Toll-ähnliche Rezeptoren (TLR) von Pathogenen exprimierte Muster erkennen können. Dazu gehören CpG-ähnliche Motive in der bakteriellen DNA, die aus einem unmethylierten Cytosin-Guanosin-Dinukleotid, flankiert von zwei 5’-Purinen und zwei 3’-Pyrimidinen bestehen und durch TLR9 erkannt werden (Abb. 1). Da in der humanen DNA CpG-Motive vorwiegend methyliert sind, wirken sie nicht immunstimulatorisch. Diese bahnbrechenden Erkenntnisse wurden insbesondere durch die Arbeitsgruppe von Arthur M. Krieg erarbeitet, woraus sich später die Firma Coley Pharmaceutical Group entwickelte. Ziel der inzwischen durch Pfizer aufgekauften Firma ist es, CpG Oligonukleotide (ODN) für verschiedene Anwendungen, u.a. Adjuvantien für Impfungen, zu entwickeln.

Mittlerweile sind vier Klassen von CpG ODN beschrieben, welche sich strukturell unterscheiden (Tab. 1). Die Klasse A-ODN stimuliert insbesondere PDCs zur hohen IFN-alpha Produktion, während die Klasse B-ODN B- und NK-Zellen aktiviert. Die Klasse C vereinigt Eigenschaften der Klasse A- und B-ODN. Die neueste Klasse der P-ODN ist mit der Klasse C vergleichbar, induziert jedoch deutlich stärker IFN-alpha. Es stellte sich nun die Frage, ob durch eine dieser CpG ODN-Klassen die geschwächte native Immunabwehr von PDCs bei HIV-Infektion günstig beeinflusst werden könnte.

STUDIENDESIGN UND -ERGEBNISSE

Dafür haben wir eine Kooperation mit Dr. Martin Helm, HIV-Schwerpunktpraxis Nürnberg (Dres. med. G. Abelein/M. Helm), begonnen. In einer Studie wurde bei insgesamt 23 unbehandelten HIV-infizierten Patienten und 16 altersangepassten Kontrollen die Immunreaktion von PDCs auf die vier CpG-Klassen in vitro untersucht. Die CpG ODNs wurden uns von der Firma Coley Pharmaceutical GmbH (Pfizer Oligonucleotide Therapeutics Unit) (Dr. Jörg Vollmer) zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung der Personalkosten wurde über ein Low budget-Projekt des Kompetenznetzes HIV/AIDS (Sprecher: Prof. Dr. N. Brockmeyer) ermöglicht.

Wir konnten in unserer Studie bestätigen, dass die PDC-Zahl bei HIV-infizierten Patienten signifikant erniedrigt war (p<0.001). Zusätzlich fanden wir auf diesen Zellen den Oberflächenmarker BDCA2, welcher bei der Antigenaufnahme eine Rolle zu spielen scheint, signifikant herunterreguliert. Als nächstes wurde unter Verwendung unterschiedlicher Konzentrationen an CpG ODN das Induktionsprofil für IFN-alpha bei HIV-infizierten Patienten (n=15) und Kontrollen (n=10) verglichen. Obwohl die IFN-alpha-Induktion durch CpG-A und CpG-P ODN bei HIV-Infektion signifikant erniedrigt war, wurden durch diese ODN Klassen die höchsten IFN-alpha Mengen induziert, wobei die benötigte ODN-Konzentration vergleichbar war. Ein funktionelles – von der Zahl an PDCs unabhängiges Defizit – ließ sich ab einer Helferzellzahl unter 500/μl zeigen.

In der Studie wurden drei weitere Zytokine untersucht, darunter der Tumornekrose-Faktor alpha, welcher ein dem IFN-alpha vergleichbares Verhalten zeigte. Das CXC-Chemokin IP-10, welches von unterschiedlichen Zelltypen in Antwort auf CpG-stimulierte PDCs sezerniert wird und starke antibakterielle und antivirale Eigenschaften hat, wurde besonders effizient von der neuen CpG-P-Klasse induziert, was auch bei den Zellen HIV-infizierter Patienten zu beobachten war. Ein vergleichbares Muster ergab sich für das vorwiegend von B-Zellen sezernierte Interleukin 6.

Neben der Funktion der PDCs wurde auch ihr Phänotyp untersucht, und zwar mit Hilfe verschiedener Oberflächenmarker. Eine Aktivierung und Reifung von PDCs durch CpG ODNs ließ sich bei HIV-infizierten Patienten und Kontrollen in vergleichbarem Ausmaß feststellen. Bei dem Zellmigrationsmarker CCR7, welcher PDCs in die Lymphknoten dirigiert, ließ sich jedoch ein interessanter Unterschied ausausmachen: während CpG-A diesen Marker nicht suffizient hochregulierte, war dies bei der neuen CpG-P-Klasse der Fall. Eine Untersuchung der Oberflächenmarker im Zeitverlauf nach ODN-Stimulation zeigte eine verzögerte Regulation bei PDCs von HIV-infizierten Patienten im Vergleich zu nicht-infizierten Kontrollen.

„INNATE IMMUNITY“: EIN NEUES TARGET BEI HIV-INFEKTION ?

Welche Schlussfolgerungen können wir aus der vorgestellten Studie ziehen? Zunächst ist einschränkend zu sagen, dass es sich um eine in vitro-Studie handelt. Es ist noch unklar, ob die günstigen Effekte der neuen CpG-P ODN auf die IFN-alpha-Sekretion und die Induktion der PDC-Migration in sekundäre lymphatische Gewebe auch in vivo zu beobachten wären. Da unsere Studie nur drei HIV-infizierte Patienten mit Helferzellen unter 250/μl beinhaltete, können über diese Gruppe keine Aussagen getroffen werden. Schließlich sollte bei einer Anwendung in Patienten auch auf mögliche Nebenwirkungen durch die Immunstimulation geachtet werden.

Insgesamt könnten CpG ODN der neuen Klassen jedoch interessante Substanzen darstellen, die geschwächte native Immunabwehr von PDCs bei HIV-Infektion zu unterstützen. Die Aktivität der P-Klasse mit ihrer indirekten Wirkung auf andere Immunzellen ist vielversprechend, weil neben IFN-alpha offensichtlich weitere antivirale und antibakterielle Zytokine induziert werden. Schließlich könnten CpG ODN eine zukunftsträchtige Rolle in der Bekämpfung von Tumorerkrankungen spielen.

Referenz:

Donhauser, N., Helm, M., Pritschet, K., Schuster, P., Ries, M., Korn, K., Vollmer, J., & Schmidt, B. for the German Competence Network HIV/AIDS (2010). Differential effects of P-class versus other CpG oligodeoxynucleotide classes on the impaired innate immunity of plasmacytoid dendritic cells in HIV-1 infection. AIDS Research and Human Retroviruses 26: 161-171.

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