Holger F. Rabenau, Frankfurt
HIV-Test: Neuer Algorithmus für den Erstnachweis

Die wichtigsten Neuerungen sind die Verkürzung des „diagnostischen Fensters“ und dass der Patient schon nach der ersten bestätigten HIV-positiven Probe informiert werden soll.

Seit Juli 2015 gibt es einen neuen Testalgorithmus für den labordiagnostischen HIV-Erstnachweis. Dieser Algorithmus

berücksichtigt zum einen die Weiterentwicklung der diagnostischen Tests in den letzten zweieinhalb Dekaden und stellt zum anderen die Gleichwertigkeit des HIV-RNA-Nachweises mittels Nukleinsäure-Amplifikations-Tests (NAT-, meist PCR-Tests) und dem Nachweis von HIV-Antikörpern mit immunologischen Bestätigungstests (meist Immunoblots) zum Erstnachweis einer HIV-Infektion dar.

Die aktuelle Stellungnahme verfolgt das Ziel, dass bei der HIV-Stufendiagnostik bereits aus der primär gewonnenen Probe (Serum oder Plasma) und zugleich möglichst früh nach dem Transmissionsereignis die HIV-Infektion sicher nachweisbar ist, so dass der Infizierte zeitnah einer Therapie bzw. medizinischen Versorgung zugeführt werden kann.

Beim serologischen Screening sollten im Rahmen der Stufendiagnostik nur Tests der 4. Generation (Nachweis von HIV-1- und HIV-2-spezifischen Antikörpern sowie von HIV-p24-Antigen) verwendet werden, mit denen das diagnostische Fenster im Vergleich zu Tests der 3. Generation (Nachweis nur von HIV-1- und HIV-2-spezifischen Antikörpern) durchschnittlich um 4 bis 7 Tage, bei einzelnen Patienten sogar bis zu zwei Wochen, verkürzt werden kann (siehe hierzu auch Abb. 1).

Abb. 1  Zeitlicher Verlauf des Nachweises einer HIV-Infektion mittels verschiedener HIV-Laborparameter und Testgenerationen
Abb. 1 Zeitlicher Verlauf des Nachweises einer HIV-Infektion mittels verschiedener HIV-Laborparameter und Testgenerationen

Der Nachweis von HIV-p24-Antigen kann z.T. jedoch bei HIV-1 Gruppe M (non-B), Gruppe O oder HIV-2-Viren eine reduzierte Sensitivität aufweisen. Daher wird eine Mindestsensitivität für den HIV-p24-Antigen-Nachweis von
≤2 IU/ml gefordert (bezogen auf den WHO International Standard HIV-1-p24- Antigen, NIBSC code: 90/636).

Gleichzeitig ist bei der Erhebung der Anamnese zu berücksichtigen, dass es ab dem Infektionszeitpunkt statistisch:

  • durchschnittlich ca. 11 Tage bis zum ersten (positiven) HIV-RNA-Nachweis dauert
  • ca. 16 bis 18 Tage bis zum ersten HIV-p24-Antigen-Nachweis und
  • ca. 22 Tage bis zum ersten Nachweis HIV-spezifischer Antikörper

Schnelltest

Mittlerweile wird auch ein HIV-Schnelltest mit p24-Antigen-Nachweis angeboten (Schnelltest der 4. Generation). Eine Verkürzung des diagnostischen Fensters ist hier jedoch nicht möglich bzw. gesichert, da die Sensitivität i.d.R. nicht ausreichend hoch ist. Generell reagieren Schnelltests etwas insensitiver als herkömmliche Testverfahren, da diese meist mit Vollblut/Kapillarblut durchgeführt werden. Der zelluläre Anteil vermindert ebenfalls die Sensitivität.

Positiver Screeningtest

Ist das Ergebnis des HIV-Screeningtests reaktiv oder grenzwertig, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Da bei Verwendung von Screeningtests der 4. Generation in der Regel nicht unterschieden werden kann, ob die Reaktivität auf dem Nachweis HIV-spezifischer Antikörper oder – im Fall einer erst kürzlich erworbenen Infektion – auf der isolierten Detektion des HIV-p24-Antigens beruht oder ggf. unspezifisch ist, ist dies bei der weiteren diagnostischen Abklärung zu berücksichtigen. Zudem kann meist nicht unterschieden werden, ob es sich um HIV-1- oder HIV-2-spezifische Antikörper handelt.

Nachfolgend werden zwei Verfahren genannt, die im Rahmen der Stufendiagnostik gleichwertig angewendet werden (siehe auch Abb. 2):

  • Mit Antikörper-basierten Tests (z.B. Immunoblot) werden die im Screeningtest nachweisbaren Antikörper auf ihre HIV-Spezifität überprüft.
  • Mit sensitiven Nukleinsäure-Amplifikations-Tests (NAT) kann die HIV-Infektion durch den direkten Nachweis der Nukleinsäure des HI-Virus verifiziert werden.

Abb. 2  Algorithmus zum virusdiagnostischen Erstnachweis einer HIV-1- oder HIV-2-Infektion (Erstmaterial: Serum oder Plasma)
Abb. 2 Algorithmus zum virusdiagnostischen Erstnachweis einer HIV-1- oder HIV-2-Infektion (Erstmaterial: Serum oder Plasma)

Bestätigung

Setzt man zur Überprüfung eines reaktiven Screeningtests einen Antikörper-basierten Bestätigungstest ein (z.B. Immunoblot, der möglichst auch eine Differenzierung zwischen Antikörpern gegen HIV-1 und HIV-2 erlaubt) und zeigt dieser ein eindeutig positives Ergebnis, so ist die HIV-Infektion als gesichert anzusehen. Handelt es sich um einen Erstnachweis, ist der Patient bereits zu diesem Zeitpunkt zu informieren, allerdings mit dem Hinweis, dass zum Ausschluss einer Probenverwechslung eine Zweitprobe untersucht werden sollte. Während in der alten Stellungnahme von 1992 noch festgelegt war, dass die Information des Patienten erst erfolgen sollte, nachdem in zwei unabhängig entnommenen Blutproben das positive HIV-Ergebnis bestätigt wurde, berücksichtigt die neue Stellungnahme die aktuellen Therapieoptionen und soll die Chance erhöhen, dass ein frisch HIV-infizierter bzw. ein frisch identifizierter Patient möglichst zeitnah einer antiretroviralen Therapie zugeführt werden kann. Ist entgegen dem zuvor genannten Beispiel die Ergebniskonstellation nicht eindeutig – z.B. wenn im HIV-Screeningtest ein reaktives Ergebnis und in einem HIV-Antikörper-Bestätigungstest ein negatives oder fragliches Ergebnis vorliegt –, sollte eine HIV-1-NAT durchgeführt werden.

Gemeinsame interdisziplinäre Stellungnahme

Der neue HIV-Testalgorithmus wurde gemeinsam erarbeitet von der Gemeinsamen Diagnostikkommission der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten e.V. (DVV e.V.) und der Gesellschaft für Virologie e.V. (GfV e.V.) unter Beteiligung der Deutschen AIDS-Gesellschaft e.V. (DAIG e.V.), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V. (DAGNÄ e.V.) und des NRZ für Retroviren. Die Stellungnahme trägt den Titel „Nachweis einer Infektion mit Humanem Immundefizienzvirus (HIV): Serologisches Screening mit nachfolgender Bestätigungsdiagnostik durch Antikörperbasierte Testsys-
teme und/oder mittels HIV-Nukleinsäure-Nachweis” (Bundesgesundheitsbl 58:877-886, 2015).

Bestätigung mittels NAT

Alternativ zum HIV-Antikörper-Bestätigungstest kann der Infektionsnachweis auch durch eine HIV-NAT erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass die Mehrzahl der kommerziellen Hersteller ihre HIV-1-NAT-Systeme bislang nur für den Einsatz im Rahmen des Therapiemonitoring zugelassen haben und nicht zur Anwendung für den HIV-Erstnachweis. Zudem verweisen fast alle Hersteller darauf, dass EDTA-Plasma zu verwenden ist, da es bei Einsatz von Serum ggf. zu einer leichten Unterquantifizierung und damit eventuell zu einer Verschiebung der Nachweisgrenze kommen kann. Auf der anderen Seite ist Serum meist das Untersuchungsmaterial, das im Rahmen des HIV-Screenings eingesendet wird.

Um eine unnötige zeitliche Verzögerung durch die Anforderung einer Zweit(EDTA-Blut)-Probe zu vermeiden, weist die DVV/GfVStellungnahme ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, Serum in die HIV-NAT (off label use) einzusetzen. Beide Fakten (Verwendung im Rahmen des HIV-Erstnachweises und Serum statt Plasma) sind im Befund zu kommentieren.

Die Stellungnahme definiert – analog den schweizer und europäischen Empfehlungen – einen Wert von mindestens 1.000 HIV-RNA-Kopien/ml als Entscheidungsgrenze für den sicheren Nachweis einer HIV-Infektion. Doch was bedeutet das? Ist ein Patient mit einem reaktiven Screeningtest und einer HIV-1-PCR mit einer Viruslast von 800 Kopien/ml etwa nicht HIV-infiziert? Höchstwahrscheinlich schon, doch warum gilt die Infektion mit dieser Konstellation (noch) nicht als „sicher nachgewiesen”?

Viruslast <1.000 Kopien/ml

Die Entscheidungsgrenze von mindestens 1.000 Kopien/ml wurde u.a. deshalb gewählt, um unabhängig von den Nachweisgrenzen der Tests einzelner Hersteller zu sein und dem möglichen Abbau von HIV während des Probentransportes und der Probenlagerung Rechnung zu tragen. Andere Ursachen für niedrige oder negative HIV-NAT-Testresultate könnten z.B. eine Kontamination der Probe, die Unterquantifizierung seltener HIV-Varianten, die Einnahme antiretroviraler Medikamente (z.B. im Rahmen einer PEP) oder das Vorliegen der Probe eines »Elite Controllers« sein. Der Nachweis von HIV-cDNA in den Lymphozyten kann hier eine Infektion bestätigen, der HIV-Antikörpertest bleibt bei diesen Patienten trotz der Replikationskontrolle dauerhaft hoch reaktiv. In diesen sicherlich seltenen Fällen ist ein Antikörper-basierter Bestätigungstest einzusetzen. Ist das Ergebnis des Antikörper-basierten Bestätigungstests ebenfalls nicht eindeutig positiv, ist eine Kontrolleinsendung notwendig. Bei Verdacht auf eine HIV-2-Infektion sollte parallel zum entsprechenden Immunoblot eine HIV-2-NAT erfolgen.

Generell gilt, dass bei unklaren Ergebnissen von Screening- und Bestätigungstests eine Verlaufskontrolle nach 1 bis 3 Wochen durchzuführen ist. Darüber hinaus wird empfohlen, sich bei »unklaren« Konstellationen an ein entsprechend kompetentes Zentrum – beispielsweise an das Nationale Referenzzentrum für Retroviren – zu wenden.

Zusammenfassung

  • es sollten nur noch Screeningtests der 4. Generation (mit p24-Antigen-Nachweis) eingesetzt werden
  • das diagnostische Fenster beträgt 6 Wochen (bei Verwendung von Screeningtests der 4. Generation)
  • bei Schnelltests – auch mit p24-Antigen-Nachweis – bleibt das diagnostische Fenster bei 12 Wochen
  • der Patient ist bereits nach dem ersten positiven Bestätigungstest zu informieren
  • NAT-basierte und Antikörper-basierte Bestätigungstests können gleichwertig eingesetzt werden

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