Martin Hartmann, Heidelberg
Hauttumore bei HIV-Patienten

Zu den HIV-assoziierten Hauttumoren gehören neben dem Kaposi-Sarkom auch Spinaliome, Basaliome und Melanome. Wichtig ist hier die Blickdiagnostik. Die Histologie bestätigt die Diagnose.

AIDS-definierende Neoplasien

Durch den frühen Therapiebeginn werden HIV-assoziierten Erkrankungen seltener. Auch die HIV-assoziierten Tumoren sind seltener geworden. Das Kaposi-Sarkom ist nicht mehr die Marker-Erkrankung (AIDS-definierende Neoplasien – ADC) für AIDS. Die kumulative Inzidenz bei 75 Jahren liegt bei 4,4% (0,01% bei HIV-negativen Patienten). HPV-assoziierte Neoplasien (v.a. Analkarzinom) sind weiterhin häufig.

Nicht melanozytäre Neoplasien (NMSC)

Abb. 1  Basaliom Gesicht
Abb. 1 Basaliom Gesicht

Zu den nicht melanozytären Hauttumoren zählen vor allem Basaliom und Spinaliom. Der wesentlichste Faktor für das Entstehen der Basaliome ist die UV-Strahlung. UVB verursacht direkte DNA und RNA-Schäden, UVA über ROS (reactive oxygen species)-Entstehung. Dabei kann die Exposition Jahre zurückliegen. Das Basaliom ist eine der häufigsten Neoplasien überhaupt. Bei Lokalisationen mit hoher UV-Exposition ist die Mutationsrate am höchsten, die zu einem weniger aggressiven Phänotyp führen kann, da die Immunreaktion ausgeprägter ist. Prädilektionsstelle für Basaliome ist das Gesicht. Am häufigsten ist dabei die Nase betroffen. Sie entstehen auf klinisch unauffälliger Haut ohne Vorstufen. Klinisch gibt es eine große Variationsbreite. Der häufigste Typ ist das noduläre Basaliom, ein langsam wachsender, scharf begrenzter Tumor, der breitbasig auf der Haut aufsitzt. Charakteristisch ist ein perlschnurartig aufgeworfener Randsaum (Abb. 1).

Spinaliom

Abb. 2   Aktinische Keratose Handrücken
Abb. 2 Aktinische Keratose Handrücken

Abb. 3   Spinaliom Kopfhaut
Abb. 3 Spinaliom Kopfhaut

Spinaliome entstehen am häufigsten aus aktinischen Keratosen (AK). Diese zählen zu den weltweit am häufigsten auftretenden Hautveränderungen. Auch hier sind die Menschen mit heller Haut vermehrt betroffen. Die Inzidenz bei 70-jährigen Europäern liegt bei nahezu 100%. Die Pathophysiologie ist komplex. Hauptursächlich schädigen die UV-Strahlen die DNA der Keratinozyten. Klinisch imponieren raue Hautareale als Folge von Verhornungsstörungen. Solange die atypischen Zellen oberhalb der Epidermis liegen, spricht man von in-situ Karzinomen. Ca. 5-10% aller aktinischen Keratosen werden im Verlauf invasiv, bei einer Latenzzeit von 10-20 Jahren. Gesicht, unbehaarter Kopf und Handrücken sind typische Lokalisationen der AKs. Es bilden sich bei der hyperkeratotischen AK rötlich bis gelbliche oder bräunliche fest haftende Hyperkeratosen (Abb. 2). Die Spinaliome imponieren durch hautfarbene bis rötliche Knötchen, die langsam anwachsen und schließlich geschwürig zerfallen (Abb. 3). Initial können die Hauttumore klinisch uncharakteristisch sein und mit Ekzemen, Histiozytomen oder Ulcera andere Genese verwechselt werden, im Zweifelsfall sollte eine Histologie veranlasst werden. Bei gesicherter Diagnose eines Basalioms oder Spinalioms ist die Exzision mit Randschnittkontrolle Therapie erster Wahl. Ist dies nicht möglich, können andere Therapien wie Radiatio, Kryotherapie oder Imiquimod angewandt werden. Bei fortgeschrittenen oder inoperablen Basaliome sind Hedgehog-Inhibitoren (Vismodegib) zugelassen. Bei fortgeschrittenen Spinaliomen kommt Cetuximab (EFGR-Inhibitor) mit und ohne Radiotherapie zum Einsatz.

Abb. 4   Condylomata acuminata anal
Abb. 4 Condylomata acuminata anal

Beim Analkarzinom ist nicht die UV-Belastung der wesentliche Risikofaktor, sondern die Infektion mit HPV, speziell mit den onkogenen HPV-Typen (oft HPV-16). Dies betrifft besonders die männlichen homosexuellen Patienten (MSM), bei denen die Prävalenz 50-60% beträgt (Abb. 4). Es besteht eine Analogie zum Zervixkarzinom. Dementsprechend verläuft die Entstehung über Präkanzerosen, deren Stadien AIN 1-3 (anale intraepitheliale Neoplasie) eingeteilt werden.

Melanome

Abb. 5   Dysplastischer Naevus
Abb. 5 Dysplastischer Naevus

Abb. 6   Dysplatischer Naevus  (Dermatoskopie)
Abb. 6 Dysplatischer Naevus (Dermatoskopie)

Abb. 7   Basaliom präaurikulär bei einem HIV- positiven Patienten
Abb. 7 Basaliom präaurikulär bei einem HIV- positiven Patienten

Das maligne Melanom kann in jedem Lebensalter und an jeder Stelle auftreten und ist je nach Subtyp unterschiedlich sonnenabhängig. Unterschieden werden das superfiziell spreitende Melanom (SSM), das noduläre Melanom (NMM), das Lentigomaligna Melanom (LMM) und das akrolentiginöse Melanom. Das Melanom ist die maligne Neoplasie der Melanozyten mit einer hohen Mutationsrate. Das maligne Melanom kann auf dem Boden eines Naevus oder neu entstehen. Im Tumor können häufig charakteristische Mutationen im BRAF- oder KIT-Gen nachgewiesen werden. Klinisch kann das Melanom mit der ABCD-Regel (Asymmetrie/Begrenzung/Farbe und Durchmesser) vom Naevuszellnaevus unterschieden werden, hilfreich ist dabei auch das Dermatoskop. Beim sogenannten dysplastischen Naevus zeigen sich Auffälligkeiten (Abb. 5 und 6). Die Therapie der Wahl ist Exzision mit Sicherheitsabstand.

HIV und Hauttumore

Ein Zusammenhang mit dem Auftreten von Spinaliomen und Basaliomen (Abb. 7) bei Immunsuppression insbesondere nach Organtransplantation ist seit langem bekannt. Dabei treten nicht nichtmelanozytären Hautumore (NMSC) ca. 65-250-fach häufiger auf. Im Gegensatz zur Normalbevölkerung überwiegen hier die Spinaliome, bei HIV-Infektion weniger ausgeprägt. Bisherige Studien ergeben widersprüchliche Ergebnisse. Insgesamt treten Basaliome und Spinaliome bei HIV-Infektion mit einer Ratio von 4:1 auf.

Die Auswertung von 6.973 Patienten der Multicenter AIDS Cohort Study (MACS) mit Hauttumoren ergab bei 55 Patienten Spinaliome, 39 bei HIV-Infektion und 16 ohne HIV-Infektion. In der multivarianten Analyse war neben der HIV-Infektion ein Zusammenhang mit heller Hautfarbe, Alter, hoher HIV-Viruslast und niedrigen CD4-Zellzahlen zu sehen.1 Eine Auswertung der Kaiser Permanente Northern California Datenbank (6.560 HIV+ und 36.821 HIV-Patienten) ergab doppelt so häufig Basaliome bei HIV-Patienten (386 Basaliome). Dabei war bei den HIV-positiven Patienten seltener UV-abhängige Bereiche (Gesicht) betroffen, als bei den HIV-negativen Patienten. Es gab einen statistischen Zusammenhang mit Spinaliomen aber nicht mit dem Auftreten von Basaliomen und CD4-Zahlen.2 Bei erniedrigten CD4-Zellzahlen wurden aggressive Verläufe der Spinaliome beobachtet. Wenn eine HAART durchgeführt wurde sank das Risiko für NMSC von 2.1 auf 1.9, lag jedoch noch über der HIV-negativen Kontrollgruppe. 24% der Patienten mit Basaliomen und HIV-Infektion entwickeln ein Zweit-Basaliom und 8% einen Zweithauttumor. Die Rezidivrate für Spinaliome ist erhöht. Das durchschnittliche Alter lag mit 54 Jahren unter der Kontrollgruppe. Bei fortgeschrittenen NMSC und HIV gibt es auch erste Berichte über eine Therapie mit Cetuximab (s.o.).

Bei HIV-Infektion und MSM ist das Risiko für anale Karzinome im Vergleich zur HIV-negativen Population mit 30-fachen Risiko3 besonders hoch. Die Prävalenz der analen HPV-Infektion beträgt nahezu 100%. Für die Therapie der Vorstufen (s.o.) hat sich Imiquimod bewährt. Genauere Informationen geben die aktuellen Leitlinien: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-007.html. Dies gilt auch für vulväre und penile Karzinome. Bei diesen Patienten ist eine HPV-Impfung nur von eingeschränktem Nutzen.

Auch Melanome kommen gehäuft bei der HIV-Infektion vor, durch die Immunsuppression kann der Verlauf des malignen Melanoms beschleunigt werden. Eine Metaanalyse untersuchte den Zusammenhang zwischen Melanomen und HIV-Patienten vor und nach HAART: Das kumulative Risiko für Melanome bei HIV war unabhängig von der Therapie und lag in beiden Zeiträumen bei ca. 1.3.4 Eine HAART kann durch die Immunrekonstruktion die Prognose der Melanome verbessern. Die Überlebensrate bei HIV-Patienten mit Melanom ist kürzer als ohne HIV-Infektion.

Systemische Therapie der Tumore und HIV

Während die operative Entfernung der Hautumore Therapie der Wahl ist, werden bei Melanomen in fortgeschrittenen Stadien systemische Therapien durchgeführt. Bei entsprechenden Mutationen im Melanom (z.B. BRAF V600) werden zielgerichtete Therapien (z.B. BRAF-Inhibitoren, Vemurafenib und Dabrafenib) durchgeführt, daneben gibt es die Möglichkeit einer Immuntherapie. Ein zugelassener Ansatz sind CTLA-4-Antikörper (Ipilimumab), ein anderer PD-1-AK (Pembrolizumab, Nivolimumab). Eine zusätzliche HIV-Infektion war in den Zulassungsstudien ein Ausschlusskriterium, da CTLA-4 und weniger PD-1/PD-L1 bei der Autoimmunregulation eine Rolle spielen.

Inzwischen gibt es aber erste Berichte über die Therapie der Melanome bei HIV-Patienten mit Pembrolizumab5 und Ipilimumab6. Checkpoint Marker wie PD-1 spielen eine Rolle bei der HI-Viruspersistenz. Insbesondere scheint eine PD-1-AK Therapie die Immunantwort gegenüber HIV günstig zu beeinflussen. Phase-1-Studien mit Nivolumab und Ipilimumab bei HIV-Infektion haben in den USA begonnen. Die Therapie der HIV-Infektion sollte fortgeführt werden.

1 Hussain SK et al., Risk Factors for Squamous Cell Skin Cancer in HIV. Infect Agents Can 2012 (7): O26

2 Silverberg MJ et al., HIV Infection Status, Immunodeficiency and the Incidence of Non-Melanoma Skin Cancer. N Natl Cancer Inst 2013 (105): 350-360

3 Chang AY et al., Cutaneous malignancies in HIV. Curr Opin HIV AIDS 2017 (12): 57-62

4 Olsen CM et al., Risk of Melanoma in People with HIV/AIDS in the Pre- and Post-HAART Eras: A Systematic Review and Meta-Analysis of Cohort Studies. PLOS ONE 2014 (9): e95096

5 Davar D et al., PD-1 Blockade in Advanced Melanoma in Patients with Hepatitis C and/or HIV. Case Rep in Oncol Med 2015 737389

6 Heller KN und Hoos A, Response to Ipilimumab in a Patient with HIV with Metastatic Melanoma. J Clin Oncol 2011: e792-e794

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