Interview mit Prof. Hendrik Streeck
Auf dem Weg zu einem HIV-Impfstoff

Prof. Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für HIV-Forschung des Universitätsklinikums EssenErste Erfolge mit einem prophylaktischem Mosaik-Impfstoff brachten frischen Wind in die Entwicklung einer HIV-Vakzine. HIV&more sprach mit Prof. Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für HIV-Forschung des Universitätsklinikums Essen, über den aktuellen Stand der Entwicklung eines HIV-Impfstoffs.

Warum ist es so schwer, einen Impfstoff gegen HIV zu entwickeln?

Prof. Streeck: Die virale Reverse Transkriptase ist ein sehr einfaches Enzym ohne Korrekturlesefunktion und dadurch werden viele Fehler bei der Replikation eingebaut. Weltweit gibt es deshalb eine große Bandbreite von HIV. Die Viren unterscheiden sich äußerlich stark und deshalb ist es kompliziert, einen gemeinsamen Angriffspunkt zu finden. Zudem hat das HIV im Vergleich zu anderen Viren nur wenige Oberflächenmoleküle, die „Envelope-Noppen“, und der Rest des Virus besteht aus körpereigener Zellmembran. Ein weiterer Grund ist der hohe Zuckeranteil der Envelope-Noppen, gegen die der Mensch nur schlecht eine langlebige Immunantwort bilden kann. Außerdem ist die virale Erbsubstanz nach der Infektion fester Bestandteil des menschlichen Genoms.

Hat bisher kein Impfstoff Erfolge gezeigt?

Prof. Streeck: Bisher gibt es fünf Effektivitätsstudien mit sehr unterschiedlichen Ansätzen und Ergebnissen. Alle Ergebnisse haben uns überrascht und wir haben aus allen Studien sehr viel für die weitere Entwicklung gelernt. Nach anfänglichen Misserfolgen hat sich eine Prime-Boost-Impfung als vielversprechende Strategie herausgestellt: Die kombinierte ALVAC-HIV/AIDSVAX-Impfung mit einem Kanarienpockenvirus, das die HIV-Gene env, gag und pol enthält, und als Booster das rekombinante HIV-Oberflächenprotein gp120. Damit konnte zwar ein Impfschutz von 31% erzielt werden, der aber nicht lange anhielt.

Welche Forschungsansätze gibt es jetzt?

Prof. Streeck: Zurzeit wird in der Studie HVTN702 eine Weiterentwicklung der ALVAC-HIV/AIDSVAX-Impfung in Südafrika in einer Hochrisikopopulation untersucht. Ein spannender anderer Ansatz ist die Prime-Boost-Impfung mit dem Mosaik-Impfstoff Ad26.Mos.HIV mit einem Adenovirus-26-Vektor, der erstmals env, gag und pol vieler verschiedener HIV-1-Subtypen enthält. Weitere Komponenten sind ein trimeres HIV-Oberflächenprotein gp140 und als Adjuvans Aluminiumphosphat. In der Phase 1/2a-Studie APPROACH erzielte die Impfung humorale und zelluläre Immunantworten. Zurzeit wird die Effektivität der Vakzine in Südafrika in der Phase-2b-Studie HVTN705/HPX2008, auch „Imbokodo“ genannt, doppelblind und plazebokontrolliert untersucht. Es sollen 2.600 HIV-negative Frauen eingeschlossen werden. Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit werden 2021 erwartet. Eine
Weiterentwicklung dieses trivalenten Mosaik-Impfstoffs ist ein tetravalenter Impfstoff, der zusätzlich zu env, gag und pol ein viertes Immunogen enthält.

Wie hoch muss der Impfschutz sein, um eine HIV-Vakzine weiterzuentwickeln?

Prof. Streeck: Ein Impfstoff, der sofort einen 100%igen Schutz bietet, kann nicht realistisch erwartet werden. Das Ziel sollte aber ein 65%iger Schutz sein. Jedes Ergebnis der jetzigen Studien wird auf jeden Fall die Impfstoffforschung weiter voranbringen.

Könnte eine Impfstudie auch in Deutschland durchgeführt werden?

Prof. Streeck: Das untersuchen wir zurzeit mit der BRAHMS-Studie, die klären soll, wer sich in Deutschland mit HIV infiziert. Das war die Grundidee der Studie. Es werden die Inzidenzen von HIV und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen erhoben. Die Studie hat sich zu einer Machbarkeitsstudie für neue Präventionsmöglichkeiten entwickelt. Sie soll neben den Inzidenzen klären, ob die Teilnehmer bereit wären, an einer Impfstudie teilzunehmen – also die „Vaccine Preparedness“ erheben. Anfang nächsten Jahres werden 1.000 HIV-negative Männer rekrutiert sein und die ersten Ergebnisse liegen frühestens 2020 vor.

Wie passen PrEP und Impfung zusammen?

Prof. Streeck: Jede neue Präventionsmethode muss sich an der hohen Effektivität der PrEP messen lassen. Die PrEP wird einen HIV-Impfstoff aber nicht ersetzen können. Sie hat Nebenwirkungen, nicht alle können oder wollen eine PrEP einnehmen und es gibt ein kleines Risiko für Resistenzbildung, wenn die Tabletten nicht richtig eingenommen werden. Eine Impfung hält meistens mindestens mehrere Jahre und man muss sich nicht täglich an die Tabletteneinnahme erinnern. Ob eine Impfstudie in Zeiten der PrEP durchgeführt werden kann, untersuchen wir ja mit der BRAHMS-Studie. Denn wir müssen einen HIV-Impfstoff auch in Ländern mit vorherrschendem Subtyp B testen, also auch in Deutschland.


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