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Kommentar dr. Stefanie Sammet, Essen
PrEP – Fluch oder Segen? Leitlinien umsetzen

Dr. Stefanie SammetDr. Stefanie Sammet
Dermatologin/Infektiologien
Klinik für Dermatologie und Venerologie in Essen
HPSTD-Ambulanz

Die PrEP erfreut sich immer größerer Beliebtheit bei vorwiegend jungen MSM‘lern. Epidemiologischer Hintergrund: Man versucht die HIV-Epidemie einzudämmen (90-90-90). Privater Hintergrund: Freie Liebe ist garantiert, selbst auf schwulen Plattformen wird mit ‚bin on prep‘ damit geworben. Dabei wird jedoch vergessen, dass bei „unsafe sex“ nicht nur HIV übertragen wird.

Um mit PrEP sinnvoll behandeln zu können, gilt es sich an Leitlinien zu halten. Die Zulassung für Truvada® erfolgte für die tägliche Einnahme, mittlerweile nehmen aber viele PrEP‘ler nur noch ‚on demand‘ z.B. vor einem Urlaub oder einem verlängertem Party-Wochenende.

Bei täglicher Einnahme wird alle drei Monate bzw. vor jedem neuen Rezept ein STI-Check empfohlen, bevor das Rezept eingelöst wird. Dies sollte, meiner Meinung nach, auch im Interesse des PrEP’lers eingehalten werden, denn es werden immer häufiger symptomlose STI (oral, urethral, anal, serologisch) festgestellt. Solche PrEP‘ler sind nichtsahnend potentielle Überträger von STI (siehe Kasuistik). Dies alles sollte uns Behandler dazu ermuntern, nicht einfach aus Zeitdruck/Zeitmangel ein Antibiotikum zu verordnen, sondern auf jeden Fall einen STI-Check durchzuführen.

Vorschläge:

  1. PrEP-Pass: Dort sollten die STI-Checks mit Datum dokumentiert werden und dem PrEP-Arzt vorgelegt werden, wenn diese woanders z.B. beim Gesundheitsamt oder in einer Aidshilfe durchgeführt wurden. Dies funktioniert leider nicht flächendeckend in Deutschland. Aus Kostengründen machen manche Behandler nur einmal pro Jahr PCR-Untersuchungen.
  2. Gleiches Vorgehen deutschlandweit, um die Flut an STI einzuschränken und die Resistenzgefahr einzudämmen.
  3. Diagnostik und PrEP in einer Hand, d.h. PrEP‘ler sollten zu ihren PrEP-Behandlern gehen und nicht zu z.B. Proktologen, die sich nicht auskennen. Auf diese Weise können STI wie die anale Gonorrhoe schneller erkannt und behandelt werden.
  4. Bei jedem antibiotisch behandelten Infekt sollten anschließend Kontrolluntersuchungen erfolgen.
  5. Bessere Aufklärung in einschlägigen Zeitschriften. Man kann mit PrEP zwar die HIV-verhindern, aber nicht STI. Das sollte mehr in den Fokus gestellt werden!

Kommentar Dr. Stefan Scholten, Köln
Kennen wir sie nicht alle …

Dr. med. Stefan ScholtenDr. med. Stefan Scholten
Facharzt für Allgemeinmedizin Infektiologe (DGI)
Praxis Hohenstaufenring

Köln

Kennen wir sie nicht alle, diese Patienten, die ihren Arzt faktisch vor sich her treiben?! Das Begehren des Patienten nach zügiger Behandlung und Beschwerdebeseitigung ist verständlich, doch halte ich es für erforderlich soweit als möglich zunächst die Diagnostik abzuwarten und kalkulierte Antibiosen auf dringliche Fälle zu begrenzen.

Im konkreten Fall wurde eine Chlamydien-Proktitis angenommen und richtigerweise mit Doxycyclin 200 mg behandelt. Einen Kontrollabstrich durchzuführen ist empfohlen, jedoch würde ich ihn zur Vermeidung falsch positiver Befunde nicht früher als 4 Wochen nach Ende der Behandlung durchführen. Der Chlamydiennachweis nach nur 14 Tagen weist also am ehesten die tatsächliche Infektion mit dem genannten Keim nach. Die Weiterverordnung von Doxycyclin war vor dem Hintergrund der Häufigkeit von LGV bei analem Chlamydiennachweis dennoch sinnvoll.

Auch wenn der Patient proktologische Untersuchungen (nach seinen initialen unschönen Erfahrungen) ablehnt, so sollten Abstrichuntersuchungen auf die relevanten STDs zumindest bei bestehenden Beschwerden in jedem Fall erfolgen.

Bei der berichteten Antibiotikahistorie, selbst der kalkulierten Gabe von Ciprofloxazin und der mehrfachen Gabe von Doxycyclin ist der nachgewiesene ESBL E. coli zwar sicher nicht adäquat behandelt, aber m.E. eher nicht selektioniert worden. Ich gehe davon aus, dass der Patient diesen beim kondomlosen Sex akquiriert hat. Ein Behandlungsversuch mit Fosfomycin (wenn auch off label) kann erwogen werden. Strategien zur „harm reduction“ sollten allerdings mit dem Patienten besprochen werden.



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