PrEP als Kassenleistung
TSVG (Terminservice- und Versorgungsgesetz)
PrEP als Kassenleistung
Die Kosten für die PrEP sollen in Zukunft die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen. Der Fahrplan dahin steht, doch noch ist offen, wem diese Leistung zusteht und welche Vergütung der behandelnde Arzt erhält.
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (kurz TSVG) ist das große Projekt von Gesundheitsminister Jens Spahn. Im Mittelpunkt stehen die Ausweitung und Öffnung der Sprechzeiten der niedergelassenen Fachärzte und Psychotherapeuten. Darüber wird viel und kontrovers diskutiert. Die PrEP als Kassenleistung ist auch im TSVG verankert, doch das wird in den Medien kaum erwähnt. HIV&more fragt nach.
Interview mit Prof. Hendrik Streeck, Institut für HIV-Forschung Essen
Keine Gefahr durch PrEP-Versagen oder Resistenzentwicklung
Das BMG spricht auf seiner Webseite von einem PrEP-„Wildwuchs“ in Deutschland. Sehen Sie das auch so?
Prof. Streeck: (lacht) Wildwuchs, das ist schon ein drastischer Begriff. Vor der Einführung der bezahlbaren PrEP in Deutschland im Oktober 2016 gab es in dem Sinne einen „Wildwuchs“, dass Anwender bezahlbare PrEP nur über das Ausland beziehen konnten. Seit der Kostenreduktion ist dies jetzt weniger geworden, dennoch versuchen einige Anwender aus Kostengründen Tabletten noch einzusparen, indem sie beispielsweise nur 4 Tabletten pro Woche nehmen oder die PrEP nur bedarfsorientiert einsetzen, was mit einer potentiell höheren Fehlerquote verbunden ist.
Wird die PrEP falsch angewandt, steigt das Risiko von Ansteckung und Resistenz …
Prof. Streeck: Richtig, es liegt auf der Hand, dass eine nicht korrekt eingenommene PrEP nicht sicher vor HIV schützt und ja, theoretisch besteht die Gefahr, dass es vermehrt zum Auftreten von Resistenzen gegen TDF/FTC kommt. Die Erfahrung aus den USA, wo die PrEP seit 2012 bereits breit zur Verfügung steht, zeigt jedoch keine erhöhte Resistenzrate.
Es wurden auch Fälle von HIV-Infektionen bei korrekter PrEP-Anwendung beschrieben...
Prof. Streeck: Es sind einige wenige Fälle von HIV-Infektionen unter PrEP bekannt geworden, wobei man hier nicht von PrEP-Versagen sprechen kann. Meist hat die Infektion im Zeitfenster kurz vor Beginn der PrEP stattgefunden, wurde dann aber erst unter PrEP diagnostiziert.
In Deutschland ist die PrEP nur zur täglichen Einnahme zugelassen. Viele Anwender wollen aber lieber bedarfsorientiert einnehmen. Wird sich die Zulassung in Deutschland ändern?
Prof. Streeck: Die PrEP „on demand“ beruht auf der IPERGAY-Studie und ist derzeit so nur in Frankreich zugelassen. Für Europa wurde bei der EMA nur die Zulassung für die tägliche PrEP beantragt. Ich nehme an, dass man bei einer Zulassung für eine andere Einnahmemodalität eine prospektive Studie braucht, in der die tägliche und die bedarfsorientierte PrEP direkt miteinander verglichen werden – auch wenn die Daten von Beobachtungen nahelegen, dass beide Modalitäten richtig angewandt vergleichbar gut sind.
Ein Argument für die PrEP als Kassenleistung ist, dass diese Prävention die HIV-Infektionszahlen deutlich senkt. Stimmt das so?
Prof. Streeck: Alle Daten sprechen dafür. Die Studien PROUD und IPERGAY belegen, dass die PrEP HIV-negative MSM zuverlässig vor einer Ansteckung schützt. Daten zur Reduktion der HIV-Inzidenz sind bisher noch dünn, weisen aber in die richtige Richtung. Sowohl in Australien, England und San Francisco gehen die Infektionszahlen nach der Einführung der PrEP deutlich zurück. Jedoch kann man hier nicht herausrechnen, was die Reduktion bewirkt hat. Es wird wahrscheinlich multifaktoriell sein und der „Schutz durch Therapie“ wird auch einen hohen Einfluss spielen.
Interview mit Dr. Viviane Bremer, Leiterin der Abteilung HIV/Aids am Robert Koch-Institut in Berlin
RKI beobachtet PrEP
Das
Bundesministerium für Gesundheit hat die Absicht, die Wirkung der
PrEP bis Ende 2020 zu evaluieren. Was
ist geplant?
Dr. Bremer: Der Gesetzentwurf sieht ganz allgemein eine Evaluierung vor. Details sind noch nicht bekannt und wer damit beauftragt wird, liegt im Ermessen des BMG. Wir als Robert Koch-Institut beobachten die PrEP in Deutschland schon seit einiger Zeit. In der PrAPP-Studie haben wir PrEP-Anwender über Dating-APPs rekrutiert und befragt. Im Frühjahr ist die nächste Erhebung geplant.
Ein wichtiger Aspekt ist die Frage nach der Resistenzentwicklung…
Dr. Bremer: Die Resistenzsituation in Deutschland erfassen wir bereits zum einen durch die Meldung der Neudiagnosen durch die Labore, die uns auch Bluttropfen zur Resistenztestung schicken. Zum anderen sammeln wir schon lange Resistenzdaten in der Serokonverter-Studie, in die Patienten mit dokumentierter Serokonversion aufgenommen werden. In dieser Studie werden wir in Zukunft auch nach der PrEP fragen.
Interview mit Robin Rüsenberg, Geschäftsführer der dagnä
Versorgung in HIV-Schwerpunktpraxen
Das BMG will dem bisherigen PrEP-„Wildwuchs“ in Deutschland ein strukturiertes Angebot entgegen setzen. Welche Rolle spielen dabei Ärzt*innen?
Rüsenberg: Das gerade im Bundestag diskutierte Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sieht vor, dass die PrEP-Medikation, die Laboruntersuchungen und die ärztliche Begleitung Teil der GKV-Regelversorgung werden. Spezialisierte Ärzte nehmen eine Schlüsselrolle dabei ein. Denn: Ohne Begleitung aus Spezialistenhand gibt es auch keine PrEP auf Kassenrezept. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Wichtig für die PrEP sind Qualität und Beratung.
Wenn die PrEP inklusive ärztliche Begleitung Kassenleistung wird, heißt das automatisch, dass dies auch mit einem zusätzlichen Honorar verknüpft ist?
Rüsenberg: Die PrEP wird im EBM gesondert berücksichtigt. Zunächst für zwei Jahre ist eine extrabudgetäre Vergütung vorgesehen. Die Details sind allerdings noch nicht geklärt. Nach Inkrafttreten des TSVG bekommt die Selbstverwaltung die Aufgabe, die konkreten Details auszuarbeiten: Welche Patienten sind anspruchsberechtigt? Wer sind die spezialisierten Ärzte?
Welche Institutionen legen das fest?
Rüsenberg: Geplant ist eine Regelung im Bundesmantelvertrag Ärzte. Die Details verhandeln die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Vertreter der Vertragsärzteschaft und der GKV-Spitzenverband als Interessenvertretung der Krankenkassen. Die Leitlinie der DAIG soll dabei als Grundlage dienen.
Wie hat sich die dagnä in diesen Prozess eingebracht?
Rüsenberg: Die PrEP ist für die dagnä seit geraumer Zeit ein wichtiges Thema. Auch in die gegenwärtige Debatte haben wir uns mit unserer Fachexpertise eingebracht, etwa bei der Bundestagsanhörung am 16. Januar 2019.
Und wann ist es dann schließlich soweit? Wann wird die PrEP Kassenleistung?
Rüsenberg: Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass das TSVG am 1. Mai 2019 in Kraft tritt. Auch für die Verhandlungen von BKV und GKV-Spitzenverband gibt es einen zeitlichen Rahmen. Wenn alles nach den Vorgaben läuft, sollte im Herbst 2019 alles geklärt sein. Aber in der Politik kann viel passieren.
TSVG-Zeitplan
13. Februar 2019: Anhörung im Gesundheitsausschuss
Dritte Märzwoche: Anschließende Lesung im Bundestag
1. Mai 2019 TSVG tritt in Kraft. PrEP aber noch keine Kassenleistung
Erst wenn die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband die konkreten Details der Umsetzung geklärt haben.