PrEP
HIV-positiver Test unter PrEP Wie geht´s weiter?
Ein positiver HIV-Test unter PrEP ist ein sehr seltenes Ereignis. Jeder einzelne Fall muss genau analysiert werden, denn davon hängt es ab, wie man weiter vorgeht. Mögliche Ursachen sind:
- HIV-infiziert schon vor Beginn der PrEP
- Unzureichende Adhärenz/Medikamentenspiegel
- HIV-Infektion trotz guter Adhärenz/Medikamentenspiegel
- Durchbruch-Infektion mit resistentem HIV
- Durchbruch-Infektion mit empfindlichem HIV
- Falsch-positiver Test
HIV-infiziert vor PrEP
Vor Einleitung einer PrEP muss ein negativer HIV-Test der 4 Generation vorliegen. Allerdings haben die Tests ein „blindes Fenster“, d.h. bei einer akuten HIV-Infektion kann der Test noch negativ ausfallen. Aus diesem Grund sollte man nach vorhergehenden Risikokontakten fragen und gemäß Leitlinien vier Wochen nach Einleitung der PrEP einen zweiten HIV-Test durchführen.
Infektion trotz PrEP
..mit resistentem HIV
Trial | No with TDF/FTC | Acute Infection At enrollment Nb resistance / total | Seroconverted after enrollment Nb resistance / total |
---|---|---|---|
iPrEx | 1.224 | 2/2 | 0/48 |
Partners PrEP | 1.579 | 2/4 | 0/21 |
TDF2 | 611 | 1/1 | 0/9 |
FEM-PrEP | 1.062 | 0/1 | 4/33 |
VOICE | 1.003 | 2/9 | 1/61 |
PROUD | 275 | 2/3 | 0/2 |
IPERGAY | 199 | 0/2 | 0/2 |
TOTAL | 5.953 | 99/22 (41%) | 25/176 (< 3%) |
• RAMs: K65R (TDF, FTC), K70E (TDF) or M184V/I (FTC) Nach Parikh und Mellors, Curr Opin HIV AIDS 2016 |
Abb. 1 Resistenzprofil in klinischen PrEP-Studien
Weltweit sind einige wenige Fälle von adhärenten PrEP-Usern beschrieben, die sich trotzdem mit HIV ansteckten. Fünf Patienten mit ausreichenden Medikamentenspiegel hatten sich mit einem HI-Virus infiziert, das gegen Emtricitabin und/oder Tenofovir resistent war. Eine Infektion vor PrEP-Beginn war durch Analyse von alten Blutproben ausgeschlossen worden. Bei dem Patienten, der nach 14 Monaten positiv getestet wurde, war der positive Test der erste Test nach Einleitung der PrEP und eine zwischenzeitlich schlechte Adhärenz ist nicht auszuschließen. Bei dem Patienten, der nach 8 Wochen positiv getestet wurde, war der positive Test ebenfalls der erste Test nach Einleitung. Alle Patienten hatten eine M184V, 4/5 Patienten noch weitere Mutationen (Abb. 1).
Adhärenz
Die Adhärenz korreliert mit dem Medikamentenspiegel im Blut und dieser wiederum korreliert eng mit der Schutzwirkung der PrEP. Eine gute Adhärenz ist somit eine Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit der PrEP. Bei täglicher PrEP reichen 4-6 Tabletten pro Woche aus, um einen ausreichenden Medikamentenspiegel zu halten und sicher vor HIV zu schützen.
Dass eine M184V allein ausreicht, um eine „Durchbruchinfektion“ zu erzeugen, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Im Tierexperiment schützte die PrEP alle Affen vor einer Infektion mit einem M184V-Virus, möglicherweise weil diese Mutation HIV zwar resistent gegen FTC macht, aber auch eine Überempfindlichkeit auf Tenofovir induziert. Des weiteren war beim Vergleich des Resistenzprofils von Teilnehmern der sieben großen PrEP-Studien die M184 V/I bei den Teilnehmern, die sich unter PrEP ansteckten, deutlich seltener als bei Teilnehmern, die bereits vor PrEP-Beginn eine unerkannte akute HIV-Infektion hatten (<3% vs. 41%) (Abb. 1).
Anders verhält es sich bei der Mutation K65R. Diese Mutation macht das Virus gegen Emtricitabin und Tenofovir resistent. Im Tierexperiment schützt die PrEP nur ein Drittel der Tiere gegen eine Infektion mit Viren mit K65R. Diese Mutation ist allerdings sehr selten. In der internationalen Literatur wird die Häufigkeit einer M184V/I mit bis zu 0,7% angegeben. Die K65R ist mit 0,2% noch seltener.
… mit empfindlichem Virus
Bislang gibt es weltweit nur einen einzigen, gut dokumentierten und publizierten Fall einer Infektion mit einem nicht-resistenten HI-Virus trotz guter Adhärenz. Es handelt sich um einen 50jährigen MSM mit 12-75 Partnern pro Monat, Chemsex-User und viele STI in der Vorgeschichte. Der Mann nahm PrEP täglich ein. Der HIV-Test war negativ zu Monat 1, 3 und 6. Nach 8 Monaten entwickelte er Fieber, einen Harnwegsinfekt mit E.coli und ein rektales Lymphogranuloma venerum. Der HIV-Test (4. Generation) war positiv – trotz nachgewiesener hoher Adhärenz. Der Test sechs Tage später war erneut positiv, Antigen war negativ, im Western Blot war lediglich gp160 positiv. Im Blut und in den peripheren Lymphozyten sowie in Sigmabiopsien war keine HIV-RNA bzw. DNA nachweisbar. Die PrEP wurde abgesetzt und erst 3 Wochen später war erstmals HIV-RNA nachweisbar und der Western Blut wurde allmählich positiv (Abb. 2).
Hoornenborg E. et al. Lancet HIV 2017
Abb. 2 HIV-Infektion unter PrEP trotz hoher Adhärenz
Über
den Grund des PrEP-Versagens kann man nur spekulieren. Wurden
besonders viele Viren übertragen? Lag es an der rektalen Entzündung?
Gab es doch eine kurze Phase der Nicht-Adhärenz? Gab es Schwankungen
in den
Medikamentenspiegel im Blut bzw. Gewebe? War es die
Kombination aller Faktoren? Oder hat sich der Mann vielleicht doch
erst nach Absetzen der PrEP angesteckt. Er war weiterhin sexuell
aktiv – allerdings nach eigenen Aussagen mit Kondom.
Falsch positiver Test
Ein positiver HIV-Test unter PrEP stellt ein besonderes Problem dar. Zum einen kann der Test tatsächlich falsch positiv sein (die Spezifität des HIV-ELISA liegt bei 99,8%), zum anderen kann der Test bei einer akuten HIV-Infektion unter PrEP verzögert positiv werden. Molina berichtete von einem MSM, dessen HIV-Test (4. Generation) nach 3 Jahren zuverlässiger PrEP on demand und regelmäßiger Testung, in einem auswärtigen Labor positiv war. Die erneute Testung mit zwei Tests der 4. Generation verschiedener Hersteller ergab ein unterschiedliches Ergebnis. Ein Test war positiv, der andere negativ. Im Western Blot war eine ganz schwache p24-Bande nachweisbar, HIV-RNA lag <20 Kopien/ml. Die PrEP wurde abgesetzt. Mehrfache Testungen über sechs Monate zeigten immer das gleiche Bild (Abb. 3).
Molina J-M, IAS 2019
Abb. 3 HIV-ELISA im Verlauf
Da im Western Blot aber keine weiteren Banden positiv wurden, ist davon auszugehen, dass es sich um einen falsch positiven Test handelte und der Patient setzte die PrEP fort.
Vorgehen bei positivem Test
Warum Safer Sex 3.0?
Alle drei Safer Sex-Methoden, also Kondome, PrEP und Schutz durch Therapie, schützen zuverlässig vor HIV, wenn sie richtig angewendet werden. Das Kondom schützt dich vor einer HIV-Übertragung. Es ist wohl die bekannteste Safer-Sex-Methode.
PrEP So kannst du dich vor einer Ansteckung mit HIV schützen.
Schutz durch Therapie HIV kann dann beim Sex nicht mehr übertragen werden.
©Quelle: DAH „Ich weiss was ich tu”
Wichtig ist die regelmäßige HIV-Testung unter PrEP. Bei einem unklaren Ergebnis, muss eine Infektion ausgeschlossen oder bestätigt werden, durch wiederholte ELISA-Tests (ggf. Tests von verschiedenen Herstellern, da nicht immer die gleichen Antikörper getestet werden), Western Blot sowie die Untersuchung auf HIV-RNA im Blut.
In
der Phase der Unsicherheit richtet sich die Entscheidung nach der
letztendlich vermuteten Adhärenz des Patienten.
Bei guter
Adhärenz ist eine Infektion unwahrscheinlich und es empfiehlt sich,
die PrEP fortzusetzen. Bei möglicherweise unzureichender Adhärenz
kann es besser sein, die PrEP abzusetzen und eine ART einzuleiten. In
jedem Fall muss man entsprechend aufklären, Kontrollen durchführen
und Kondomgebrauch empfehlen.
ART nach PrEP
Im Falle einer Infektion unter PrEP sollte die ART sofort und mit einem Regime mit hoher Resistenzbarriere eingeleitet werden. Empfohlen wird ein Tripleregime mit F/TDF oder F/TAF (ggf. AZT/3TC wenn eine Resistenz gegen TDF vermutet wird) als Backbone plus ein geboosterter Proteasehemmer (DRV/r oder LPV/r) oder ein Integrasehemmer der zweiten Generation, d.h. Dolutegravir oder Bictegravir. Diese Therapie kann dann, wenn das Ergebnis des Resistenztests vorliegt, angepasst werden.
Zusammenfassung
Ein positiver HIV-Test (ELISA) unter PrEP ist ein seltenes Ereignis. Dennoch sollte man darauf vorbereitet sein. Ein positiver ELISA-Test unter PrEP sollte nicht reflektorisch zum Absetzen der PrEP führen, sondern erfordert ein differenziertes Vorgehen. Bei negativer HIV-RNA und einem negativen Western Blot, kann der Test falsch positiv sein. Ein Absetzen der PrEP bedeutet ein Verlust des Schutzes gegen HIV, ein Fortführen der PrEP beinhaltet das Risiko der Resistenzentwicklung. In jedem Fall sind wiederholte Untersuchungen und die Beratung des Patienten angezeigt.
PrEP-Leitlinie der Deutschen Aids-Gesellschaft
Wie soll mit der PrEP beim Verdacht auf ein primäres Infektionssyndrom verfahren werden?
Besteht der Verdacht eines akuten retroviralen Syndroms unter laufender PrEP (insbesondere bei Fieber, Hautausschlag und generalisierter Lymphadenopathie), soll unverzüglich an ein spezialisiertes Zentrum verwiesen werden und...
- im Falle eines positiven Plasma-HIV-RNA-Befundes und/oder eines positiven serologischen Bestätigungstests die PrEP abgebrochen und durch eine/n in der HIV-Behandlung erfahrene/n Arzt/Ärztin direkt in eine wirksame antiretrovirale Dreifachtherapie mit hoher Resistenzbarriere überführt werden. Möglichst zeitnah (u.U. aus der ersten positiven Plasmaprobe) sollte eine Resistenzanalyse veranlasst werden, an die die antiretrovirale Therapie bei Bedarf angepasst werden muss.
- im Falle eines positiven HIV-Antikörpersuchtests ohne Nachweis von HIV-RNA die PrEP fortgeführt und beide Befunde nach 2-4 Wochen kontrolliert werden. Kommt es zur Bestätigung im Suchtest und im anschließenden Bestätigungstest oder ist die HIV-RNA bei der Folgeuntersuchung positiv, soll wie unter a) verfahren werden.
Zur Empfehlung der Fortführung der PrEP in dieser Situation liegt ein ablehnendes Minderheitenvotum vor.
[Konsensstärke: Konsens]
Wie ist im Falles eines positiven Suchtests (ELISA) ohne Symptomatik einer akuten HIV-Infektion vorzugehen?
Bei positivem HIV-Suchtest während laufender PrEP ohne typische Symptome einer akuten HIV-Infektion wird eine sofortige Bestimmung der Plasma-HIVRNA aus derselben Blutprobe oder einer unverzüglich abzunehmenden Kontrolle empfohlen. Das weitere Vorgehen wird bei positivem Test mit Symptomatik einer akuten HIV-Infektion empfohlen.
[Konsensstärke: Stark]
Ausgabe 4 - 2019