HIV-Präexpositionsprophylaxe
Robert Koch Institute LogoPrEP-Surveillance in Deutschland

Im Rahmen des Projekts PrEP-Surv wurden HIV-Schwerpunktzentren nicht nur zur PrEP befragt, sondern auch zu STI-Testung sowie STI-PrEP und STI-PEP. Die Daten unterstreichen den Nutzen der PrEP und gleichzeitig den Bedarf an gezielter Prävention und Therapie von STI. Darüber hinaus gab es Abfragen zu Mpox, HCV-Infektionen, Long-Acting-PrEP und der HIV-Versorgung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine.

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekts „Surveillance der Versorgung mit der HIV-Präexpositionsprophylaxe innerhalb der GKV in Deutschland“ (PrEP-Surv) werden halbjährliche Befragungen zu Gebrauch und Versorgung mit der HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) in HIV-Schwerpunktzentren (nachfolgend Zentren durchgeführt.1 Die Zentren wurden aus dem Netzwerk der Deutschen Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin e. V. (dagnä) rekrutiert.

HIV-Erstdiagnosen

Im Erhebungszeitraum 1.1.–31.12.2022 wurden insgesamt 11 HIV-Erstdiagnosen angegeben, die zeitlich nach der PrEP-Einleitung festgestellt wurden (2,25% aller berichteten HIV-Erstdiagnosen, N=498). Bezogen auf die Gesamtzahl der PrEP-Nutzenden waren dies 0,09% im Jahr 2022.

Diese HIV-Infektionen traten in Folge geringer Adhärenz, PrEP-Unterbrechungen oder kurz nach PrEP-Einleitung auf, so dass bei Letzteren die HIV-Infektion vermutlich bereits vor PrEP-Beginn erfolgte bzw. im Rahmen der Laborkontrolle vor Wiederbeginn der PrEP entdeckt wurde.

Tab. 1 HIV-Erstdiagnosen in den Zentren der HIV-Schwerpunktversorgung, retrospektive Befragung für die Zeiträume 1.1.2022–30.6.2022 und 1.7.2022–31.12.2022 – insgesamt und in zeitlichem Zusammenhang mit PrEP-Einleitung, Median, Min. – Max.-Werte der Zentren
Tab. 1 HIV-Erstdiagnosen in den Zentren der HIV-Schwerpunktversorgung, retrospektive Befragung für die Zeiträume 1.1.2022–30.6.2022 und 1.7.2022–31.12.2022 – insgesamt und in zeitlichem Zusammenhang mit PrEP-Einleitung, Median, Min. – Max.-Werte der Zentren

Bewertung

Die effektive Schutzwirkung der HIV-PrEP wurde durch die Ergebnisse dieser Befragung erneut unterstrichen. Im gesamten Erhebungszeitraum wurden insgesamt 11 HIV-Erstdiagnosen angegeben, die zeitlich nach der PrEP-Einleitung festgestellt wurden, entsprechend 0,09% der PrEP-Nutzenden. Über verschiedene Erhebungen, sowohl im Rahmen von PrEP-Surv als auch im Vorprojekt EvE-PrEP, ergab sich ein Wert in diesem Bereich. So lag die HIV-Inzidenz in der Substudie NEPOS in EvE-PrEP in zwei Erhebungen ebenfalls bei 0,09%5,7, in der letzten Erhebung in PrEP-Surv lag die HIV-Inzidenz bei 0,12%.1

Damit blieb eine HIV-Infektion ein sehr seltenes Ereignis und es zeigte sich erneut die effektive Schutzwirkung der PrEP in diesem klinischen Setting. Als vermutete Gründe für HIV-Infektionen wurde fast ausnahmslos von geringer Adhärenz berichtet.

Des Weiteren führte die Kontrolle vor Wiederbeginn der PrEP nach längerer Unterbrechung zur Diagnose von HIV-Infektionen. Zudem wurden im Jahr 2022 beim Screening im Rahmen der Erstberatung vor PrEP-Einleitung 21 HIV-Erstdiagnosen gestellt und führten damit zur Aufdeckung noch unbekannter HIV-Infektionen.

Wie in vorherigen Untersuchungen stellen Adhärenz bei anlassbezogener Einnahme und PrEP-Unterbrechungen offensichtlich eine gewisse Herausforderung dar.5,7 Der Anteil der Personen mit nicht täglicher PrEP lag in dieser Untersuchung bei 33% und damit in einem ähnlichen Bereich wie bei EvE-PrEP.5,8

Abb. 1 Inzidenz von Chlamydien/Gonokokken und Syphilis unter PrEP-Nutzenden im Zeitraum 2021–2022 im Vergleich zum Jahr 2020 nach Einschätzung der Zentren (N = 29)
Abb. 1 Inzidenz von Chlamydien/Gonokokken und Syphilis unter PrEP-Nutzenden im Zeitraum 2021–2022 im Vergleich zum Jahr 2020 nach Einschätzung der Zentren (N = 29)


STI unter PrEP-Nutzenden

Kernaussagen

  • Die Gesamtzahl der PrEP-Nutzenden Ende 2022 wurde mit 12.525 angegeben. Demnach waren Ende 2022 rund
  • 39% aller PrEP-Nutzenden in Deutschland (~32.000) in den 29 Zentren vertreten.
  • ~99% der PrEP-Nutzenden waren Männer.
  • Im Jahr 2022 wurden insgesamt 11 HIV-Infektionen zeitlich nach PrEP-Einleitung berichtet (0,09 %).
  • 23.997 HIV-Positive wurden im Jahr 2022 in den Zentren versorgt, entsprechend 29% aller HIV-Diagnostizierten in
  • Deutschland und 30% der HIV-Positiven unter antiretroviraler Therapie.
  • 93% der Zentren waren in die Behandlung von Mpox-Fällen eingebunden. Insgesamt wurden 1.372 Mpox-positive
  • Personen versorgt, entsprechend 37% (1.372/3.671) aller in Deutschland gemeldeten Mpox-Fälle.
  • In 31% der Zentren (9/29) wurden 44 neue akut/chronische HCV-Infektionen bei PrEP-Nutzenden diagnostiziert
  • (0,35%). Das Infektionsgeschehen verteilte sich zu 79% auf Zentren in Berlin.
  • PrEP-Einnahmemodus war bei 67% täglich, bei 23 % anlassbezogen (on-demand) und bei 10 % wechselnd
  • (tägliche PrEP-Nutzung mit häufigeren Pausen).
  • Durchschnittlich warten PrEP-Nutzende in den Zentren 9 Tage auf einen Termin zur PrEP-Beratung und zur
  • PrEP-Kontrolle.
  • In 97% der Zentren erfolgte nach PrEP-Beratung häufig oder immer eine PrEP-Einleitung. Angst vor Nebenwirkungen war wieder einer der häufigsten Gründe, die PrEP nicht zu beginnen.
  • Die Mehrheit der Zentren gab an, dass im Zeitraum 2021-2022 die Inzidenzen von Syphilis (72% der Zentren)
  • und Chlamydien/Gonokokken (69% der Zentren) gestiegen sind.
  • 93% der Zentren finden das Testen asymptomatischer Syphilis im PrEP-Monitoring alle 3-6 Monate sinnvoll.
  • Bei Chlamydien/Gonokokken waren 72% der Zentren dieser Meinung. Die restlichen acht Zentren waren der
  • Meinung, die Testung sollte seltener sein.
  • 79% der Zentren erhielten Anfragen zur Antibiotika-PrEP. Durchgeführt wurde diese hingegen nur in zehn Zentren
  • (34%) und dies nur in Ausnahmefällen.
  • Eine STI-PEP bei symptomlosen Personen nach sexuellen Kontakten mit Personen mit einer diagnostizierten STI wurde von 52% der Zentren bei Chlamydien/Gonokokken und von 41% bei Syphilis durchgeführt.
  • Long-Acting-PrEP wurde nur von 55% der Zentren befürwortet. Kosten und lange Ausschleichphase (Gefahr der
  • Resistenzbildung) wurden am häufigsten als Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung genannt.
  • Alle Zentren waren in die HIV-Versorgung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine eingebunden, 79% sogar stark oder mäßig.

Die Inzidenz von Chlamydien/Gonokokken und Syphilis unter PrEP-Nutzenden ist im Zeitraum 2021–2022 im Vergleich zum stark durch die Coronavirus-Disease-19-(COVID-19-)Pandemie beeinflussten Jahr 2020 nach Ansicht der Mehrheit der Zentren (72% bei Syphilis, 69% bei Chlamydien/Gonokokken) gestiegen.

Bewertung

Nach Ansicht des Großteils der Zentren war sowohl bei Syphilis als auch bei Chlamydien/Gonokokken ein Anstieg der Inzidenzen in den vergangenen zwei Jahren (2021–2022) im Vergleich zum stark durch die COVID-19-Pandemie beeinflussten Jahr 2020 zu verzeichnen. Der Vergleich der Syphilis-Meldungen gemäß IfSG zeigt seit 2010 einen deutlichen Anstieg in fast allen Jahren, mit nennenswerten Ausnahmen lediglich in den Jahren 2020 und 2021 (Rückgang um 7% und 9%). Im Jahr 2022 nahmen die Syphilis-Meldungen im Vergleich zum Vorjahr um 23% deutlich zu und liegen auf einem neuen Höchstwert. Die genaue Beobachtung der weiteren epidemiologischen Entwicklung sowie die Analyse von Gründen für den deutlichen Anstieg der Syphilis-Meldungen, auch durch ergänzende verhaltensorientierte Studien, sind von hoher Bedeutung.

Asymptomatische STI

Die Frage: „Finden Sie die im PrEP-Monitoring vorgesehene Testung alle 3–6 Monate auf asymptomatische STI (außer HIV) sinnvoll?“ wurde von 93% der Zentren (27/29) für Syphilis mit „Ja“ beantwortet. Für Chlamydien/
Gonokokken wurde die Frage von 72% der Zentren (21/29) mit „Ja“ beantwortet. Die acht Zentren mit der Antwort „Nein“ für Chlamydien/Gonokokken waren der Meinung, die Testung sollte seltener sein. Bei Syphilis sollte nach Meinung eines der beiden Zentren, das mit „Nein“ geantwortet hatte, die Testung häufiger sein. Im Gegensatz dazu war das andere Zentrum der Meinung, die Testung sollte seltener sein.

Zusätzlich wurde die Frage, ob eine routinemäßige Testung auf weitere asymptomatische STI durchgeführt werden sollte, von sieben Zentren mit „Ja“ beantwortet. Von vier Zentren wurde das Testen auf HCV vorgeschlagen, von zwei Zentren Mykoplasmen, von einem Zentrum Humane Papillomviren und von einem Zentrum Hepatitis B-Virus.

Auf die Frage, an welchen Lokalisationen das Routine-STI-Screening im Rahmen der PrEP-Begleitung durchgeführt wird, nannten 76% der Zentren (22/29) alle Lokalisationen (pharyngeal/oral, urethral/Urin, anal). Von zwei Zentren wurde die Kombination von pharyngeal/oral und anal und von drei Zentren wurde die Kombination urethral/Urin und anal angegeben. Zwei Zentren nannten nur eine Lokalisation (urethral/Urin).

Bewertung

Das Testen auf asymptomatische Syphilis alle 3–6 Monate (wie im PrEP-Monitoring vorgesehen) fanden fast alle Zentren sinnvoll (93%). Bei Chlamydien/Gonokokken befürworteten 72% die derzeitige Testempfehlung. Damit ergab sich ein ähnliches Bild wie in einer Befragung hierzu im Rahmen von EvE-PrEP. Zusätzlich wurde von vier Zentren ein häufigeres routinemäßiges Testen auf HCV vorgeschlagen. Dass HCV-Infektionen nicht außer Acht gelassen werden sollten, bestätigten die Daten. So gab es in neun Zentren (31%) im Jahr 2022 immerhin 44 neue akut/chronische HCV-Infektionen bei PrEP-Nutzenden, entsprechend einem Anteil von 0,35%. Interessant war, dass fast 80% der Fälle in Berlin auftraten. Allerdings muss bei regionalen Betrachtungen immer beachtet werden, dass die PrEP-Surv-Zentren nicht die Gesamtheit der PrEP-Verordnenden repräsentieren.

STI-PrEP und STI-PEP

Abb. 2 Einschätzung der Zentren (N = 29) zur Frage: „Finden Sie die im PrEP-Monitoring vorgesehene Testung alle 3–6 Monate auf asymptoma- tische STI (außer HIV) sinnvoll?“
Abb. 2 Einschätzung der Zentren (N = 29) zur Frage: „Finden Sie die im PrEP-Monitoring vorgesehene Testung alle 3–6 Monate auf asymptoma- tische STI (außer HIV) sinnvoll?“

Anfragen nach einer Antibiotikaverordnung zur Vorbeugung von STI (sog. STI-PrEP) erhielten 79% der Zentren (23/29) im Jahr 2022: Insgesamt fragten 214 Personen nach einer Antibiotika-PrEP (im Mittel 7 Personen pro Zentrum, Spannweite: 15–30 Personen pro Zentrum). Von den 23 Zentren mit Anfragen hatten 74% (17/23) 1–10 Anfragen pro Zentrum und 26% der Zentren (6/23) gaben 15–30 Anfragen pro Zentrum an. Tatsächlich verordnet wurde eine Antibiotika-PrEP von 34% der Zentren (10/29) und dies nur in Ausnahmefällen. Zusätzlich wurden die Zentren befragt, ob Sie bei symptomlosen Personen nach sexuellen Kontakten mit Personen mit einer diagnostizierten STI eine antibiotische STI-PEP durchführen. Viele der Zentren führten meistens oder immer eine STI-PEP durch, 52% bei Chlamydien/Gonokokken und 41% bei Syphilis.

Bewertung

Während die Mehrheit (79%) der Zent-ren Anfragen zur Antibiotika-PrEP erhielt, wurde sie nur in zehn Zentren (34%) durchgeführt und dies nur in Ausnahmefällen. Zunehmender Antibiotikagebrauch kann zur Selektion von resistenten Erregern in der Population führen und ist daher kritisch zu sehen. Eine regelmäßige oder generelle Verordnung einer Antibiotika-PrEP fand in den Zentren nicht statt. Die Antibiotika-PEP bei symptomlosen Personen nach sexuellen Kontakten mit Personen mit einer diagnostizierten STI wurde hingegen von 52% der Zentren bei Chlamydien/Gonokokken und von 41% bei Syphilis meistens oder immer durchgeführt. Befragungen im Rahmen von EvE-PrEP hatten noch ergeben, dass dies im Jahr 2020 nur in wenigen Zentren (12%, 5/43) ohne vorherige Bestätigung der Infektion durchgeführt wurde.5 Anscheinend hat es eine Veränderung in Bezug auf den Umgang mit der STI-PEP gegeben. Neue Erkenntnisse aus Studien wie DoxyPEP17 und DoxyVac18 könnten hier durchaus Einfluss genommen haben. Insgesamt gesehen, sind STI-PrEP und STI-PEP ohne Erregernachweis aber durchaus
problematisch. Durch übermäßigen Antibiotikagebrauch können Resistenzen entstehen, weshalb diese Praxis medizinisch kritisch zu sehen ist.


1Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie

2Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin e. V. (dagnä)

Ausgabe 3 - 2023Back

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