Stefanie Sammet, Essen
Trichophyton mentagrophytes als STI bei MSM
Seit 2015 gibt es die Mykosen als sexuell übertragene Infektion, die mittlerweile auch in Deutschland immer häufiger beobachtet werden. Nach entsprechender Diagnostik ist Terbinafin Mittel der Wahl sofern keine Resistenz vorliegt.
Historie und Taxonomie
Erstmals 1842 beschrieb David Gruby Trichophyton mentagrophytes (T. mentagrophytes) als Erreger einer Tinea barbae. In den folgenden Jahrzehnten kam es zu unterschiedlichen Zuordnungen und Namensgebungen. T. mentagrophytes wurde taxonomisch bis vorkurzem noch der Spezies T. interdigitale/zoophiler Stamm zugeordnet. Seit der zuletzt publizierten neuen Taxonomie der Dermatophyten im Jahr 2016/2017 werden T. interdigitale (anthropophile Stämme) und T. mentagrophytes (zoophile Stämme) wieder getrennt betrachtet.
Infektionsquellen
Infektionsquellen für T. mentagrophytes sind neben der Maus auch andere Kleinnager, zunehmend auch Katzen, Hunde, selten Pferde und Rinder. Nagetiere sind per se Träger von zoophilen Dermatophyten, an erster Stelle T. mentagrophytes, und so kann der Erreger über andere Tiere (Hunde/Katzen u.ä.) schließlich zum Menschen gelangen.
Die anamnestische Frage nach einem Auslandsaufenthalt vorzugsweise in Südostasien ist heute bei einer Dermatophytose durch T. mentagrophytes essenziell. Aber auch hierzulande nehmen Infektionen mit T. mentagrophytes, die bisher selten für die geografischen Breitengrade Mitteleuropas waren, stetig zu.
Seit 2015 gibt es die neue Entität der Tinea pubogenitalis, aber auch anderer Tinea-Formen, vor allem der Tinea barbae, durch T. mentagrophytes als sexuell übertragene Infektion (STI). Infektionsquellen sind sexuelle Kontakte auf Reisen nach Südostasien, z.B. Thailand. Der neue ITS (International Transcribed Spacer) Genotyp VII von T. mentagrophytes („Thailand“) kann aber auch in anderen Ländern erworben sein (z.B. Ägypten) und unabhängig von einem Auslandsaufenthalt in Deutschland weiterverbreitet werden.
Diagnostik
Abb. 1 Kultur – T. mentagrophytes zoophil braun (li) bzw. zoophil weiß (re)
Mithilfe der gezielten Anamnese und Diagnostik in Form von mykologischen Untersuchungen (Kultur und Mikroskopie) Abb. 1 und 2, Histologie und molekularbiologischem Dermatophytennachweis mittels Polymerasekettenreaktion im Speziallabor kann heute schnell die Diagnose einer Tinea gestellt werden. Neben T. mentagrophytes kommen Trichophyton rubrum, Microsporum canis oder Epidermophyton floccosum als mögliche Erreger in Frage (AWMF Leitlinie Tinea). Eine Fotodokumentation ist empfehlenswert zur Kontrolle des Therapieansprechens. Bei zeitnaher und ausreichend langer Therapie (sowohl systemisch als auch lokal) kommt es zur vollständigen Restitutio ad integrum.
Abb. 2a-d: Mikroskopische Ansichten von T. mentagrophytes a) Makrobkonidie mit vielen runden Mikrokonidien b) Spiralhyphen c) Chlamydospore d) Spiralhyphe im Detail© Photos: Pilzbeschreibung von Esther Klonowski und Pietro Nenoff, Labor für
medizinische Mikrobiologie
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch kommen chronisch entzündliche Hauterkrankungen mit genetischer Prädisposition z.B. Psoriasis, atopische Dermatitis, aber auch das seborrhoisches Ekzem oder ein Kontaktekzem in Frage. Andere Infektionen wie Lues oder Scabies sollten ebenfalls in Betracht gezogen werden. Selten, aber mögliche Differentialdiagnosen sind Paraneoplasien wie z.B. das Erythema gyratum repens bzw. onkologische Erkrankungen wie z.B. Mycosis fungoides. Ein Erythema anulare centrifugum sollte ebenfalls ausgeschlossen werden.
Resistenzentwicklung
Bei Dermatophyten, insbesondere bei T. mentagrophytes, beobachtet man vermehrt eine Resistenzentwicklung gegen Antimykotika. So ist der IST (internal transcribed spacer) Genotyp VIII von T. mentagrophytes („Indien“) besonders häufig gegen Terbinafin resistent.
Als mögliche Ursachen für die Resistenzentwicklung werden diskutiert:
- Seit Jahren zunehmende, ausgeprägte chronisch rezidivierende, therapierefraktäre Dermatophytosen aus Indien
- Erregerwandel von T. rubrum (nur 6,75% der Isolate) zu T. mentagrophytes (93 %)
- 2015-2016 molekularbiologisch gesicherte Resistenz bei 32% der T. mentagrophytes-Stämme, 2021-2022 65%, klinisch bis 90% 2022
- Zoophiler Erreger, mittlerweile Nachweis in Deutschland, USA, arabischen Ländern, Australien
- Ursächlich unzureichende Diagnostik und inadäquate Therapie mit in Indien sehr billigen frei verkäuflichen Kombinationspräparaten (Steroid + Antimykotikum + Antibiotikum)
- Reserve-Antimykotikum Voriconazol in Bahrain und Indien am häufigsten angewandt
Kalkulierte Therapie
Wenn die Verdachtsdiagnose einer Trichophytie klinisch als sicher erscheint, ist eine systemische Behandlung indiziert mit entweder Terbinafin (nicht wirksam gegen Microsporum) oder Itraconazol. Griseofulvin ist wegen multiplen Nebenwirkungen nicht Mittel der ersten Wahl. Nur bei Therapieversagen der anderen Antimykotika kann mit Fluconazol behandelt werden. Zu beachten sind eventuelle Drug-Drug-Interactions (DDI) der Comedikation der Patienten.
Eine konsequente topische Mitbehandlung bis zur Abheilung ist obligat.
Geeignete Antimykotika sind z.B. Ciclopiroxalamin, Miconazol, Terbinafin und Amorolfin, die je nach Lokalisation als Creme, Lotion, Gel oder Puder zur Verfügung stehen. Die lokale Behandlung sollte in der Regel mindestens eine Woche nach Abheilung noch fortgesetzt werden, um Rezidive zu vermeiden.
Die Rezidivgefahr ist bei zu kurzer Behandlung hoch.
Nachgewiesene Terbinafin-Resistenz
Systemisch über mehrere Wochen bis zur klinischen Abheilung:
- Verdopplung
der Terbinafin Dosis auf 2x 250 mg/d
oder - Switch auf Itraconazol 100-200 mg/d
Topisch am besten wirksam:
- Ciclopiroxolamin (antibakterielle Wirksamkeit und gute antiinflammatorische Wirkung!) 1-2x tgl
Bei Rezidiv
Therapie für bis zu 6 Wochen (systemisch und lokal)
Systemisch:
- Itraconazol
bis 400 mg/d
oder - Itraconazol 200 mg + Terbinafin 250 mg/d
Topisch:
- Ciclopiroxolamin Creme 1-2x tgl
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