„Reduce & Control“ statt „Shock & Kill“?
09. Dezember 2019
Verschiedene Ansätze zur Heilung sollen den Durchbruch bringen. Am meisten beforscht wurde der “Shock & Kill”-Ansatz, bei dem zunächst latentes HIV aufgeweckt und damit zur Vermehrung angeregt werden soll. Dabei werden Eiweißbruchstücke des Virus in die Zellmembran eingebaut. Diese können vom Immunsystem erkannt und die infizierte Zelle abgetötet werden. Soweit die Theorie. Doch in der Praxis ist das schwieriger als angenommen. Zum einen sind Stoffe, die HIV aus seiner Latenz aufwecken können, leider oft unverhältnismäßig schädlich und schlecht verträglich. Sanftere Mittel sind nicht ausreichend wirksam und müssten daher in mehreren Zyklen verabreicht werden. Zum anderen verläuft aber auch das “killing” nicht wie gewünscht. Bei Menschen mit HIV findet man regelmäßig Killerzellen, die “exhausted” sind also ihren Job nicht so machen, wie sie eigentlich sollen.
Bild: convertible CAR-T-Zellen (cCART) verfügen über eine Art Adapter mit der sie speziell modifizierte Antikörper binden und wie einen eigenen Rezeptor verwenden können.
Nun modifizierten Forscher einen Ansatz aus der Krebstherapie, der auf den CAR-T-Zellen basiert. Eine Untergruppe von T-Zellen fungiert als Killerzellen. Um ihr Ziel erkennen zu können, kommt eine Kombination aus Rezeptoren zum Einsatz. Damit solche Zellen nun ganz spezifisch Krebszellen erkennen, hat man ihnen das Gen für einen speziellen Rezeptor eingebaut, der genau diese Krebszellen erkennt. Damit ist die Erkennung und das nachfolgende Abtöten der Zielzelle unabhängig vom T-Zell-Rezeptor und seinen Einschränkungen. Die so veränderten Zellen werden als „chimeric antigen receptor“ (CAR)-T-Zellen bezeichnet. Dieses Verfahren funktioniert bereits für einige B-Zell-Lymphome. Allerdings ist die Herstellung dieser CAR-T-Zellen sehr aufwändig und teuer (ca. 700.000 € pro Patient).
Nun gingen die Forscher einen Schritt weiter mit den „convertible CAR-T-cells“, kurz cCAR-T-cells. Hier erhalten die Zellen nicht direkt einen neuen Rezeptor sondern lediglich eine Art Adapter. An diesen können nun modifizierte Antikörper andocken. Somit hat man die Möglichkeit, diese cCART-Zellen bei unterschiedlichen Krankheitsbildern einzusetzen, wie bei Krebs aber auch bei HIV – einfach, indem man sie mit unterschiedlichen Antikörpern kombiniert. Interessant bei diesem Ansatz ist auch die zusätzliche Sicherheit: Sowohl die cCART-Zellen als auch die modifizierten Antikörper sind alleine unwirksam. Erst in der Kombination entfalten sie ihre Wirkung. Außerdem erhofft man sich durch die universelle Natur dieser Zellen die Therapie günstiger gestalten zu können.
Da HIV gegen einen Antikörper (ähnlich wie gegen ein einzelnes HIV-Medikament) schnell Resistenzen entwickeln, planen die Forscher, mindestens zwei verschiedene Antikörper mit den cCAR-T-Zellen zu kombinieren. Mit dem Einsatz „milder“ Substanzen, die HIV aus der Latenz wecken und Abtötung der infizierten Zellen durch cCART-Zellen erhofft man sich nun eine Reduktion des HIV-Reservoirs so dass schließlich eine Kontrolle durch das Immunsystem – ähnlich wie bei „Post-Treatment-Controllern“ ermöglicht wird.