Heilung
19. August 2020
Die große Hürde für eine Heilung der HIV-Infektion sind die integrierten, schlafenden Proviren. Doch nicht nur die Viren sind latent, auch die Zellen, in denen sie sich verbergen. Der „Shock&Kill“-Ansatz versucht, diese Zellen und damit die latenten Viren zu reaktivieren um sie dann über andere Mechanismen abzutöten.
Die bisherigen Versuche mit „latency reversal agents“, also Substanzen, die die Latenz aufheben, waren bestenfalls von mäßiger Wirksamkeit. Nun versucht eine Arbeitsgruppe, das Virus mit den eigenen Waffen zu schlagen.
Dazu wurden von frisch Infizierten vor Einleitung der HIV-Therapie Virusproben genommen und diese zur Produktion von „Virus-like Particles“ (VLP) verwendet. Dabei handelt es sich um Partikel, die äußerlich von intakten HI-Viren nicht zu unterscheiden sind und die die gleichen Proteine enthalten, aber keine HIV-RNA. Damit sehen sie für das Immunsystem genauso aus wie HIV, können sich aber nicht vermehren, also quasi ein „Fake-Virus“.
Da HIV aber in der Frühphase der Infektion vor allem HIV-spezifische CD4-Zellen befällt, binden diese VLP genau an die Zellen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit latentes HIV enthalten. Da diese Zellen aber HIV-spezifisch sind, werden sie durch die Bindung eines VLP reaktiviert (falls sie zuvor latent waren). Dann produzieren sie HIV-RNA und HIV-Proteine und werden für das Immunsystem sichtbar.
Gleichzeitig aktivieren die VLP aber auch nicht-HIV-infizierte, HIV-spezifische Immunzellen und machen sie für eine Attacke für virusproduzierende Zellen scharf. Wenn gleichzeitig eine Infektion durch eine weiterlaufende antiretrovirale Therapie verhindert wird, sollte damit eine Abnahme der latent infizierten Zellen über die Zeit erreichbar sein.
Soweit die Theorie. Momentan funktioniert das Ganze erst im Labor, dort allerdings sehr gut. Die Reaktivierung von latentem HIV ist um mindestens eine Größenordnung besser als alles, was man bisher gesehen hatte.
Die Frage ist allerdings, was bei Menschen wäre, die chronisch infiziert sind. Denn bei diesen sind nicht nur HIV-spezifische CD4-Zellen latent infiziert, sondern eine Vielzahl von CD4-Zellen mit anderen Spezifitäten. Diese – und noch viele andere offenen Fragen – sollen nun geklärt werden.