HIV-Infektion
15. Februar 2021
Wissenschaftlern des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie in Heidelberg (EMBL) ist es erstmals gelungen, das HI-Virus beim Transport in den Kern der infizierten Zelle abzubilden. Die elektronentomografischen Aufnahmen zeigen: Die Protein-Hülle des Virus passiert die Kernpore als Ganzes und zerbricht erst im Inneren des Zellkerns, wo es die Virus-Erbinformation freisetzt. Die aktuell in der Fachzeitschrift Cell veröffentlichten Arbeiten klären einen wichtigen Mechanismus bei der Integration des Virus-Erbguts in den infizierten Zellen.
Das Humane Immundefizienz-Virus (HIV-1) infiziert primär
bestimmte Zellen des
Immunsystems und schwächt auf diese Weise die körpereigene
Krankheitsabwehr
massiv. Das Erbgut des Virus ist in einer kegelförmigen
Proteinkapsel, dem aus
sechseckigen Einzelteilen zusammengesetzten Capsid, sicher
verpackt. Wie bei
der Infektion das Capsid durch die Zellhülle in das Innere der
Zelle gelangt,
ist zwar bekannt. Unklar war bisher aber, wie das virale
Erbmaterial aus dem
Capsid in den Zellkern gelangt, wo es die Bildung neuer Viren
anstößt.
Hier greifen die Arbeiten der Heidelberger Kooperation an. Mit
Hilfe neu
entwickelter Methoden zur dreidimensionalen Darstellung
molekularer Komplexe in
Virus-infizierten Zellen gelang es den Wissenschaftlern, das
Virus-Capsid
unmittelbar beim Transport in den Kern abzubilden. „Bisher ist
man davon
ausgegangen, dass das Capsid nicht durch die Poren passt“,
erläutert Prof. Dr.
Hans-Georg Kräusslich, Ärztlicher Direktor des Zentrums für
Infektiologie am
Universitätsklinikum Heidelberg. „Die Frage, wie das Virenerbgut
in den
Zellkern kommt, ist aber essentiell für seine Vermehrung. Unsere
Ergebnisse
unterstützen daher die Suche nach neuen Zielstrukturen für
zukünftige
Therapieansätze.“ Die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten
können zwar die
Vermehrung der Viren im Körper unterdrücken, eine echte Heilung
mit Elimination
der Viren ist jedoch noch nicht möglich.
Plattformen für hochauflösende Bildgebung
Für den detaillierten Blick auf das Innenleben im Labor
infizierter Immunzellen
nutzten die Wissenschaftler hochauflösende Imaging-Techniken:
Mithilfe der
Elektronenmikroskopie Core Facility (EMCF) der Universität
Heidelberg und der
Kryo-Elektronenmikroskopie Service-Plattform (cryo-EM-EMBL) des
EMBL
kombinierten sie verschiedene Methoden der Licht- und
Elektronenmikroskopie und
rekonstruierten aus den Daten dreidimensionale Bilder der
molekularen
Strukturen. So konnten Zusammensetzung und Architektur der
viralen Komplexe und
deren Interaktion mit den zellulären Strukturen hochauflösend
dargestellt
werden. „Die enge Zusammenarbeit unserer beiden Einrichtungen
und die
Kombination von spezialisierter Technik hat dazu beigetragen,
ein weiteres
Puzzleteil der HIV-Infektion ins Gesamtbild einzufügen“, sagt
Dr. Martin Beck,
ehemaliger Forschungsgruppenleiter am EMBL und seit 2019
Direktor und
Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Biophysik
in Frankfurt.
Das Kooperationsprojekt ist aus der guten Zusammenarbeit der
Forschungsgruppen
des Sonderforschungsbereichs „Integrative Analyse der
Replikation und
Ausbreitung pathogener Erreger“ hervorgegangen. Der von Prof.
Kräusslich
geleitete SFB hat sich zum Ziel gesetzt, die molekularen Abläufe
der Vermehrung
und Ausbreitung von Krankheitserregern im Detail aufzuklären, um
die
grundlegenden Mechanismen der Infektion zu verstehen.