DR. THOMAS STERNFELD
HIV-positive Thailänderin mit Fieber
Schwer kranke HIV-Patienten aus Afrika und Asien stellen eine besondere differential-diagnostische Herausforderung dar. Neben einem breiten Spektrum an HIV-assoziierten Erkrankungen können fortgeschrittene Mangelzustände und Tropenkrankheiten vorliegen. In jedem Fall ist die Kenntnis der Epidemiologie im Herkunftsland sehr hilfreich.
ANAMNESE
Eine 26 jährige Thailänderin kam mit Fieber, trockenem Husten, abdominellen Schmerzen mäßiger Intensität im rechten unteren Quadranten und reduziertem Allgemeinzustand in die Klinik. Sie berichtete weiterhin über gelegentliche Diarrhöen mit geringen Blutauflagerungen. In den letzten Wochen hatte sie 4-5 kg verloren.
Die verheiratete Patientin lebte seit rund einem Jahr in Deutschland, hatte sich aber in den letzten Wochen vor der Aufnahme in ihrer Heimat im Norden Thailands aufgehalten. Dort war bei einem sich verschlechternden Allgemeinzustand ein HIV-Test durchgeführt worden, der positiv war. Eine weitergehende Diagnostik erfolgte nicht und die Patientin kehrte nach Deutschland zurück. Angaben zum möglichen Infektionszeitpunkt mit HIV konnte sie nicht machen. Der HIV-negative deutsche Ehemann und die weitere Umgebung der Patientin waren asymptomatisch.
KÖRPERLICHE UNTERSUCHUNG
Bei der Aufnahme ergab die körperliche Untersuchung: Größe 160 cm, Gewicht 39 kg, Blutdruck 96/60 mmHg, Herzfrequenz 108/min, Tachypnoe 28/Min. Ein Mundsoor und eine orale Haarleukoplakie waren auffällig. In der linken Leiste war ein vergrößerter, ca. 1 cm großer, Lymphknoten tastbar. Im rechten Unterbauch konnte palpatorisch ein leichter Druckschmerz ausgelöst werden. Die gynäkologische Untersuchung zeigte einen kontrollbedürftigen PAPIIId-Abstrich. Die weitere körperliche Untersuchung war unauffällig.
LABORBEFUNDE
Die aktuelle CD4-Zellzahl betrug 26/µl (9%) und die HI-Viruslast > 500.000 Kopien/ml. Im Blutbild zeigte sich eine mikrozytäre, hypochrome Anämie (Hb 7,8 g/dl, Hkt 23,3%, MCV 70,3 fl, MCH 23,6 pg, Eisen 14 µg/dl , Ferritin 1733 µg/l, Transferrin 1,4 g/l, Transferrinsättigung 7,3%). Das Differentialblutbild war unauffällig. Die Transaminasen waren 2-3fach erhöht. Ebenfalls erhöht waren Gamma-GT und Alkalische Phosphatase bei einem nicht erhöhten Gesamt-Bilirubin (GOT 96 U/l, GPT 72 U/l, Gamma-GT 822 U/l, Bilirubin gesamt 0,6 mg/dl, AP 247 U/l). Das C-reaktive Protein war erhöht, ebenso die Lactatdehydrogenase (CRP 6,4 mg/dl, LDH 254 U/l).
DIAGNOSTIK
Die Röntgenthoraxaufnahme zeigte einen altersentsprechenden Normalbefund. In der Oberbauchsonographie war die Leber grenzwertig groß, die Milz normal groß. Paraaortal und in der Leberpforte konnten multiple, bis 1,4 cm große, Lymphknoten dargestellt werden. Bronchoskopisch zeigte sich ein Normalbefund, in der Lavage keine Pneumocysten. Die Gastroskopie war unauffällig. Koloskopisch zeigten sich Veränderungen im Sinne einer unspezifischen Kolitis. Eine Knochenmarkspunktion wurde nicht durchgeführt.
Es ergaben sich negative Befunde für Hepatitis (Serologie), Lues (Serologie), CMV (Serologie und PCR), Mykobakterien (Blutkultur), Kryptokokken (Serologie) und Clostridium difficile (Stuhl). Nachdem die ersten Blutkulturen mikrobiologisch steril waren, konnten in insgesamt zwei Blutkulturen der Patientin Schimmelpilze nachgewiesen werden.
THERAPIE UND VERLAUF
Nach dem Nachweis der Schimmelpilze (die Differenzierung der Pilzspezies stand noch aus) wurde umgehend eine intravenöse Therapie mit Voriconazol begonnen, zunächst eine Woche 2x 160 mg i.v., dann 10 Tage 2x 200 mg per os. Das Fieber fiel, am vierten Tag kam es zu einem erneuten Fieberschub und in der Blutkultur wurden wieder Schimmelpilze nachgewiesen. Die Therapie wurde dennoch unverändert fortgesetzt. Das Allgemeinbefinden der Patientin besserte sich rasch und es kam zu einer dauerhaften Entfieberung.
In der mykologischen Differenzierung wurde der Pilz Penicillium marneffei nachgewiesen. Es wurde die Diagnose einer systemischen Penicillium-marneffei-Infektion bei einer HIV-positiven Patientin im Stadium AIDS CDC CIII gestellt (die Penicillium-Infektion gilt in Thailand als AIDS-definierende Erkrankung). Die antimykotische Therapie wurde auf Itraconazol (zunächst 2x 200 mg p.o. für 10 Wochen, dann Erhaltungstherapie mit 2x 100 mg) umgestellt. Poststationär wurde eine antiretrovirale Therapie (Saquinavir [Invirase] 2x 1.000 mg, Ritonavir 2x 100 mg, Tenofovir/Emtricitabin 1x 300/200 mg) begonnen. Zudem erhielt die Patientin eine PCP- und Toxoplasmose-Prophylaxe (Sulfamethoxazol/Trimethoprim 960 mg p.o., 3x/Woche). Als Nebenbefund wurde zusätzlich eine heterozygote HbE-Hämoglobinopathie diagnostiziert. Dabei handelt es sich um eine in Südostasien gehäuft auftretende, genetisch bedingte Hämoglobinopathie mit einem struktureller Defekt und verminderter Bildung der Beta-Globinkette. Im homozygoten Zustand ähnelt das klinische Bild der Thalassaemia minor, Heterozygote zeigen lediglich eine Hypochromie.