Deutsche
AIDS-Hilfe e.V.
MATTHIAS KUSKE
Modellprojekt für innovative Prävention im Internet gestartet
Am 1. Februar 2007 starteten die Aidshilfen und Präventionsprojekte in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein Modellprojekt Internetprävention für Schwule, Bi-sexuelle und MSM in Kooperation mit dem größten Internetkontaktportal für Schwule im deutsch-sprachigen Raum www.gayromeo.com. Nutzer der Plattform haben jetzt auch im Internet die Möglichkeit, sich bei erfahrenen Präventionsmitarbeitern online und vor Ort über HIV/Aids und andere sexuell übertragbare Krankheiten und schwulem Leben zu informieren. Getragen wird dieses Projekt der Internetprävention von Vertretern verschiedener Präventionsprojekte in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter Federführung der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. Die Einigung auf für den deutschsprachigen Raum allgemein-gültige Qualitätskriterien und Arbeitsansätze war eine wichtige Voraussetzung für die Kooperation mit Gayromeo.
Die Suche nach Sexkontakten bei Schwulen, Bisexuellen und MSM hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Große Teile der schwulen Community suchen ergänzend und teilweise schon ausschließlich Sexkontakte über das Internet. Schwer erreichbare Zielgruppen (Schwule auf dem Land, Bisexuelle, MSM) sind über das Internet wesentlich besser zu erreichen, da sie die schwulen Szenen meiden oder solche in ihren Regionen oftmals nicht vorhanden sind. Die Aidshilfen reagieren hierauf, in dem die seit Jahren erfolgreiche Vor-Ort-Präventionsarbeit in der schwulen Szene bereits seit längeren auch auf das Internet ausgedehnt wird. Neben den Erfahrungen aus der Vor-Ort-Arbeit wirft die Präventionsarbeit im Internet aber auch neue Ansprüche an die Arbeit, andere Kommunikationsformen und Herausforderungen auf.
KOMMUNIKATION IN DER VIRTUELLEN WELT
Vor-Ort Arbeit in der Szene lebt in der Regel von personalkommunikativen Maßnahmen: dem persönlichen Gespräch. Dieses Primat der Präventionsarbeit ist auch auf das Internet übertragbar. Homepages, externe Angebote und die Darstellung der eigenen Arbeit ist sinnvoll und notwendig (ähnlich wie Anlaufstellen, externe Orte in der realen Welt), aber auch im Internet ist entscheidend, dass die Nutzer dort angesprochen werden, wo sie sich konkret auf der Suche nach Sexdates aufhalten - vor allem also in den Kontaktforen und ggf. Chatsystemen. Letztere spielen allerdings eine nicht so große Rolle, da hier die Suche nach virtuellem Sex viel stärker im Vordergrund steht als nach realen Sexualkontakten. Diese werden heute überwiegend in den Kontaktforen wie Gayromeo oder Gayroyal gesucht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kommunikation im Internet sich erheblich von der Kommunikation in der "realen" Welt unterscheidet. So fehlt das konkrete Gegenüber, die "reale" Person, der komplette Eindruck sowohl des Ratsuchenden wie des Präventionisten. Auch unterscheiden sich das Setting und die Art der Kommunikation deutlich. Statt eines dreidimensionalen Raums und dem konkreten Gegenüber sitzen beide Personen vor einem zweidimensionalen Monitor, in der Regel zu Hause oder im Büro, im Internetcafe oder mit dem Laptop im Flughafen - das konkrete Setting des Anderen ist jeweils unbekannt. Das Medium Internet hat noch eine Reihe von Folgewirkungen auf die Kommunikation, die die Präventionsarbeit verändert. Die User fühlen sich in der Regel anonymer, sind aber auch skeptischer und vorsichtiger auf Grund negativer Erfahrungen oder Hörensagen von negativen Erfahrungen im Medium (Faker-Problematik). Dieses kann die Präventionsarbeit erleichtern - die User trauen sich Sachen zu fragen, die sie in der Kneipe oder Sauna nicht fragen würden - oder erschweren.
GEMEINSAME QUALITÄTSSTANDARDS
Gerade das Problem der eigenen Qualität, der Vertraulichkeit, der Zuverlässigkeit und der Kompetenz des Präventionsmitarbeiters, stellte in der Konzeption des Modellprojektes Internetprävention für Schwule, Bisexuelle und MSM eine wichtige Aufgabe und Errungenschaft dar. Durch das Modellprojekt konnten wir erreichen, dass der User und der Internetanbieter transparent erfahren, wer mit welcher Eignung die Beratung anbietet. In einer bundesweiten Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Kollegen aus Österreich und der Schweiz wurden gemeinsame Standards für das neue Feld der Internetprävention erarbeitet. Hilfreich waren hier die Standards, die die Online-Beratung der Aidshilfen www.aidshilfe-beratung.de entwickelt hatte. Präventionsarbeit im Internet, das bestätigen auch die ersten Erfahrungen, ist von Online-Beratung in erster Linie nur durch das weniger gesicherte Setting der "virtuellen Vorort-Arbeit" zu trennen, die der Präventionsarbeit Grenzen setzt. Deshalb ist die Verweisungskompetenz des Präventionisten an die Beratung ständig gefragt. Er hat den Präventionskontakt immer wieder zu hinterfragen, ob das Präventionsgespräch noch dem Setting entsprechend ist oder ob eine bestimmte sehr weitgehende Anfrage weiter verwiesen werden muss. Im Setting Kontaktportal sind Standards der Beratung wie Anonymität, Sicherheit der Kommunikation oder professionelle Distanz nicht so durchzusetzen wie im geschützten Rahmen der Beratungsplattform www.aidshilfe-beratung.de mit den Standards der Webbasierung und SSL-Verschlüsselung.
VIELE PARTNER
Dies ist in der "virtuellen Vorort-Arbeit" auch gar nicht gewünscht. Die Kommunikation ist hier viel niedrigschwelliger angesetzt und ist in beide Richtungen alles andere als anonym bzw. unpersönlich. Viele Mitarbeiter gehen mit personalisierten Profilen an den Start. Andere mit einem Gruppenprofil. In jedem Fall kann mit emphatischer und qualifizierter Information gerechnet werden.
Inzwischen sind 27 Partnerorganisationen, darunter viele Aidshilfen, Dr.Gay, Herzenslust, HeartCorps, SUB e.V. und viele mehr an dem Projekt beteiligt. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. koordiniert das Modellprojekt.
Initiiert wurde das Projekt im Rahmen der Herzenslust-Arbeit der AIDS-Hilfe NRW e.V., wonach Prävention dort stattfinden soll, wo schwule Männer Kontakte und Sex suchen. Durch das neue Projekt mit Gayromeo wird es möglich, die vielen Projekte, die zum Teil bereits seit Jahren gute Präventionsarbeit im Internet leisten zu vernetzen und den Nutzern bei Gayromeo die bestmögliche Qualität in der Beantwortung ihrer Fragen zu gewährleisten. Unseres Wissens ist es der erste Ansatz im Internet eine so umfassende und länder-übergreifende Präventionsstrategie umzusetzen.
Autor: Matthias Kuske
matthias@kuske.de
Kontakt in Deutschland:
Clemens Sindelar - Deutsche Aidshilfe e.V.
clemens.sindelar@dah.aidshilfe.de
Kontakt in Österreich:
Frank Amort - AIDS-Hilfe Wien
amort@aids.at
Kontakt in der Schweiz:
Daniel Diriwächter - AIDS-Hilfe Schweiz
daniel.diriwaechter@aids.ch
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