15TH CROI 2008 IN BOSTON/USA VOM 3.-6. FEBRUAR 2008
Mehr Niederlagen als Siege
Das Motto der diesjährigen CROI lautete nach Aussagen von John Mellors, Pittsburgh, "Triumphs and Failures". Große Siege im Sinn von wissenschaftlichen Sensationen waren allerdings nicht erkennbar - zumindest nicht in der klinischen Forschung. Niederlagen brauchte man dagegen nicht mit der Lupe zu suchen. Doch auch daraus kann man viel lernen.
Wie in den Jahren vorher war auch die diesjährige 15th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) gut besucht. Die Zahl der Teilnehmer ist von rund 3.000 vor 10 Jahren auf mittlerweile 4.200 angestiegen. Hintergrund ist hier unter anderem die zunehmende Zahl von Arbeiten und Teilnehmern aus Afrika. So stammen beispielsweise 15% der Autoren der mündlichen Präsentationen und 9% der Poster aus Afrika. Europa war mit 18% bzw. 29% ebenfalls gut vertreten. Führend mit 61% bzw. 54% war wie immer Nordamerika. Insgesamt wurden 1.020 Abstracts eingereicht, rund die Hälfte davon wurde angenommen.
Die Eröffnung war der afrikanisch-amerikanischen Freundschaft gewidmet. Es wurden Geschichte und Ergebnisse der Kooperation der Public Health Abteilungen der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore und der Makerere Universität in Kampala, Uganda, vorgestellt. Auch die zahlreichen anderen internationalen Kooperationen haben Früchte getragen. Sie wurden in mehreren mündlichen Präsentationen und vielen Postern gezeigt.
FRÜHZEITIGER THERAPIEBEGINN
Zahlreiche Präsentationen deuten auf den Nutzen eines früheren Therapiebeginns als bisher üblich. Ausgangspunkt dieser Überlegungen war die SMART-Studie, die im Januar 2006 vorzeitig abgebrochen worden war. Im Rahmen der Studie waren über 5.000 Patienten (CD4>350/µl) entweder kontinuierlich behandelt worden oder hatten intermittierende Therapiepausen (STI) bis zu einer CD4-Zahl <250/µl gemacht. Nachdem die STI-Gruppe ein doppelt so hohes Risiko für Tod, opportunistische Infektionen und Nebenwirkungen aufwies, wurde die Studie abgebrochen und alle Patienten aufgefordert, die Medikamente kontinuierlich einzunehmen. Dadurch sank das erhöhte Risiko, es normalisierte sich aber nicht, sondern blieb immer noch etwas erhöht. Grund dafür ist laut Wafaa El-Sadr, New York, die nur langsame Erholung des Immunsystems. Die CD4-Zahl nach einem Jahr hatte selbst bei den ab Studienstopp sofort kontinuierlich behandelten Patienten das Ausgangsniveau nicht erreicht (#36 El-Sadr W et al.) (Abb. 1).
Abb. 1: SMART: Anteil der Patienten mit HIV-RNA =400 Kopien/ml und CD4-Zahl nach Studienbeginn (4 Monate)
und nach Studienmodifikation
Die CD4-Zellzahl scheint auch bei der Mortalität von HIV-Infizierten eine wichtige Rolle zu spielen. In seinem Plenarvortrag wies Andrew Phillips, London, darauf hin, dass die Sterberate von HIV-Infizierten derzeit mit 0,1% zwar niedrig sei, aber im Vergleich zur Normalbevölkerung doch erhöht ist. Bei den Todesursachen führte nach wie vor Aids. Hintergrund der Aids-Todesfälle war meist ein zu später Therapiebeginn und nur ganz selten ein multiresistentes Virus (5%). Die Aids-definierenden Erkrankungen waren nur für ein Drittel der Todesfälle verantwortlich. Weitere häufige Todesursachen waren Krebs, HCV und kardiovaskuläre Ereignisse. Letztere korrelieren laut Phillips mit einer niedrigen CD4-Zellzahl, ein Schwellenwert war dabei aber nicht zu erkennen (#8 Phillips A). Die START-Studie, die unter anderem diesen Zusammenhang klären soll, ist bereits auf dem Weg (Vergl. Beitrag Fätkenheuer in diesem Heft).
TDM BEI PROTEASEHEMMERN
Die Steigerung der Dosis von Proteasehemmern unter TDM, um die virologische Wirksamkeit zu verbessern, hat keinen Effekt. In der Studie A5146 wurden 183 Patienten (3.64 log10, CD4 200/µl) unter einer versagenden Therapie mit einem Proteasehemmer entweder wie üblich weiterbehandelt oder die Dosis des Proteasehemmers wurde unter TDM angepasst. Ziel war ein optimaler inhibitorischer Quotient. 47% der Patienten hatten einen geboosterten Doppel-Proteasehemmer. Darunavir war noch nicht erhältlich. Die mediane Trough-Konzentration sowie der inhibitorische Quotient verbesserten sich in der TDM-Gruppe signifikant - mit Ausnahme der Patienten unter Fosamprenavir (32%). Die Viruslast war in beiden Gruppen jedoch vergleichbar und praktisch unverändert. Lediglich die schwarzen und hispanischen Patienten profitierten vom TDM mit einer mittleren Reduktion der Viruslast um jeweils 0,5 log10 (#35 Demeter L et al.).
BEI OPPORTUNISTISCHEN INFEKTIONEN AM BESTEN GLEICH HAART
Bei Patienten mit neu diagnostizierter fortgeschrittener HIV-Infektion und opportunistischer Infektion (OI) wurde bis-her zunächst die OI behandelt und die HAART erst später eingeleitet. Die Studie ACTG A516 stellte dieses Vorgehen auf den Prüfstand. Bei 282 Patienten (VL 5 log10, CD4 29/µl) mit akuter OI (außer Tuberkulose) wurde die HAART entweder gleich nach Beginn der OI-Therapie (Median 12 Tage später) oder erst nach abgeschlossener OI-Therapie (Median 45 Tage) später behandelt. Die häufigsten OIs waren Pneumocystis carinii-Pneumonie (63%), Crypotokokken-Meningitis (13%) und Pneumonie (10%). Nach 48 Wochen waren - vor allem in den ersten sechs Monaten - weniger Patienten gestorben bzw. die Krankheit fortgeschritten (14% vs. 24%) und das Immunsystem erholte sich rascher. Das virologische Ansprechen war in beiden Gruppen vergleichbar ebenso die Rate an gravierenden Nebenwirkungen, Krankenhauseinweisungen und IRIS (8 vs. 12 Fälle) (#142 Zolopa A et al.).
CASTLE: ATV/r VS. LPV/r
Bei den therapienaiven Patienten (VL 4,5 log10, CD4-Zahl 200/µl) konnte erstmals in der großen CASTLE-Studie mit 883 Patienten belegt werden, dass Atazanavir/r und Lopinavir/r jeweils in Kombination mit Tenofovir/Emtricitabin vergleichbar wirksam sind. Nach 48 Wochen hatten unter Atazanavir/r vs. Lopinavir/r gleich viele Patienten eine Viruslast <50 Kopien/ml erreicht (78% vs. 81%) und zwar auch in der hochvirämischen Gruppe (74% vs. 72%). Bei den Patienten mit weit fortgeschrittenem Immundefekt war Atazanavir/r signifikant besser (Abb. 2).
Abb. 2: CASTLE: Ansprechen in Abhängigkeit von CD4-Zahl bei Baseline - Post Hoc Analyse
Die CD4-Zellzahl war in beiden Gruppen gleichermaßen gut gestiegen. Das Nebenwirkungsprofil war wie erwartet. Unter Atazanavir/r kam es mehr zu Ikterus (4% vs. 0%), unter Lopinavir/r (Weichkapseln) mehr zu Durchfällen (2% vs. 11%) und Lipiderhöhungen (Gesamtcholesterin >240 mg/dl 7% vs 18%) (Abb. 3) (#37 Molina J-M et al.).
Abb. 3: CASTLE: Lipide - Veränderung (%) von Baseline (LOCF)
HEAT: ABC/3TC VS. TDF/FTC
In der HEAT-Studie erwiesen sich die beiden NRTI-Fixkombinationen Abacavir/Lamivudin und Tenofovir/Emtricitabin in der Firstline als ebenbürtig. An der Studie nahmen 688 therapienaive Patienten (CD4-Zahl 200/µl) teil. Ein Screening auf HLA-B 5701 wurde nicht durchgeführt. Nach 48 Wochen hatten unter Abacavir/Lamivudin im Vergleich zu Tenofovir/Emtricitabin jeweils in Kombination mit Lopinavir/r OD gleich viele Patienten eine Viruslast <50 Kopien/ml (ITT: 64% vs. 62%). Die CD4-Zellzahl war im Median um 201 und 173/µl gestiegen. Ein virologisches Versagen hatten 12% vs. 11% der Patienten. 34% vs. 53% der Teilnehmer entwickelten Resistenzmutationen. Die häufigsten Mutationen waren die M184V oder Mischungen. Der Verdacht auf eine Abacavir-Hypersensitivität wurde bei 4% vs. 1% der Patienten geäußert. 0% vs. 1% der Patienten entwickelten eine proximale renale Tubulusdysfunktion (#774 Smith K et al.).
MERIT: MARAVIROC VS. EFAVIRENZ
Der CCR5-Antagonist Maraviroc wurde in der Studie MERIT bei therapienaiven Patienten gegen das NNRTI Efavirenz geprüft. Nach 48 Wochen war Maraviroc im Hinblick auf den Anteil der Patienten mit einer Viruslast <50 Kopien/ml Efavirenz unterlegen gewesen (Saag et al., IAS 2007). 43 Patienten unter Maraviroc und 15 Patienten unter Efavirenz hatten wegen Unwirksamkeit die Studie abgebrochen. Bei der Analyse der Gründe für das Therapieversagen unter Maraviroc BID kamen vor allem drei Gründe zum Vorschein: 1. Tropismusshift zwischen Screening und Baseline, 2. Tropismusshift unter der Therapie und 3. mangelnde Compliance. Nur in wenigen Fällen hatte sich eine Maraviroc-Resistenz entwickelt. Zum Shift zwischen Screening und Baseline war es insgesamt bei 25 (3,8%) der Patienten gekommen. Bei ihnen war der Therapieerfolg insbesondere unter Maraviroc schlechter. Rechnet man diese Patienten aus der Studie heraus, d.h. man berücksichtigt nur die Patienten mit R5-Virus zu Baseline, ist Maraviroc nach 48 Wochen Efavirenz nicht unterlegen (Abb. 4, Seite 15).
Abb. 4: MERIT: Patienten mit HIV-1 RNA <50 Kopien/ml zu Woche 48 nach Tropismus bei Baseline
Bei 10/32 (31,3%) der Patienten kam es zwischen Therapiebeginn und Versagen zum Tropismusshift von R5 zu D/M. 22 Patienten versagten mit R5-Virus. Bei 12/22 Patienten liegen Angaben zur Resistenz-Situation und zu den Maraviroc-Spiegeln vor. Bei fünf Patienten wurden keine ausreichenden Maraviroc-Spiegel gemessen, d.h. es gab Compliance-Probleme. Bei weiteren fünf lagen Resistenzen gegen NRTI vor. Lediglich bei 2/12 Versagern wurden keinerlei Resistenzen bei ausreichender Einnahme von Maraviroc nachgewiesen. Der Resistenzmechanismus in diesen beiden Fällen ist noch unklar (#40LB Heera J et al.).
VORBEHANDELTE PATIENTEN
Bei den stark vorbehandelten Patienten hat der Integrasehemmer Raltegravir in den Studien BENCHMRK 1 und 2 (#788 Cooper D et al.; #789 Steigbigel R et al.) eine anhaltende Wirksamkeit über mittlerweile 48 Wochen gezeigt. Auch nach 48 Wochen lag die Viruslast bei rund doppelt so vielen Patienten unter der Nachweisgrenze wie unter Placebo (Abb. 5, S. 15). Die Verträglichkeit war ausgezeichnet.
Abb. 5: BENCHMRK 2: 48-Wochen-Daten
In einer kleinen Switch-Studie am Center for Excellence in HIV/AIDS im kanadischen Vancouver wurden 29 Patienten von Enfuvirtid auf Raltegravir umgestellt. Die Patienten waren 7-75 Monate lang mit Enfuvirtid behandelt und hatten Therapie-limitierende Reaktionen an den Injektionsstellen. Die Viruslast lag in allen Fällen <50 K/ml und die CD4-Zellzahl zwischen 70/µl und 770/µl (Mittel 375/µl). Die Umstellung wurde gut vertragen. In keinem Fall kam es während der bisher viermonatigen Beobachtungszeit zum virologischen Rebound (#799 Harris M et al.).
MEHR HERZINFARKTE UNTER ABACAVIR?
Zu den großen Überraschungen der CROI gehörte eine Auswertung der D:A:D (Data collection of Adverse effects of anti-HIV Drugs)-Kohorte, die ein erhöhtes Myokardinfarkt-Risiko unter Abacavir und Didanosin ergab. Die NRTI Lamivudin, Zidovudin und Stavudin hatten keinen solchen Effekt. Tenofovir und Emtricitabin konnten wegen der zu kurzen Beobachtungszeit nicht analysiert werden. In der rund 33.400 Patienten (157.912 Personenjahre) umfassenden D:A:D-Kohorte erlitten 517 Patienten einen Myokardinfarkt. Nach Adjustierung für demographische, metabolische und kardiovaskuläre Risikofaktoren sowie Krankheitsparameter und übrige Therapie fand sich überraschenderweise unter Didanosin ein um 49% und unter Abacavir ein um 90% erhöhtes Myokardinfarkt-Risiko. Im Gegensatz zu den Proteasehemmern, die das kardiovaskuläre Risiko mit jedem Jahr Therapie weiter erhöhen, gab es unter Abacavir kein kumulatives Risiko. Ein erhöhtes Risiko hatten nur die Patienten, die im Lauf der letzten sechs Monate Abacavir eingenommen hatten und auch nur für den Endpunkt Myokardinfarkt, nicht für Schlaganfall.
RISIKO NACH FRAMINGHAM
Besonders betroffen von dem Effekt waren Patienten mit bereits stark erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Insgesamt hatte die D:A:D-Kohorte ein geringes absolutes Herzinfarkt-Risiko mit 1,6% für die nächsten fünf Jahre, das entspricht einem Herzinfarkt auf 64 Patienten in fünf Jahren. Ein um 90% erhöhtes Risiko verdoppelt das Infarktrisiko auf 3,6% für diesen Zeitraum. Bei Patienten mit einem bereits erhöhten Risiko nach Framingham fiel die Zunahme des Risikos proportional höher aus. Für die überraschenden Ergebnisse der D:A:D-Analyse gibt es vorerst keine Erklärung. Die Untersuchung wurde sorgfältig durchgeführt, dennoch kann man einen Bias (z.B. Abacavir bevorzugt bei fortgeschrittenen Patienten mit Gefäßschäden) bei solchen Auswertungen nicht ausschließen. Die Autoren der Studie empfehlen dennoch trotz des absolut gesehen geringen Risikos insbesondere bei Patienten mit bereits deutlich erhöhtem kardiovaskulären Risiko Nutzen und Risiko der Abacavir-Gabe sowie die therapeutischen Alternativen sorgfältig abzuwägen (#957c Sabin C et al.).
KEIN ERHÖHTES RISIKO IN GSK-STUDIEN
Aufgrund dieser Ergebnisse hat das Unternehmen GlaxoSmithKline alle vorliegenden Studien und Meldungen zu diesem Thema unter die Lupe genommen. In den 54 klinischen Studien zu Abacavir wurden 9.639 Patienten mit Abacavir behandelt, 5.044 waren in Kontrollgruppen ohne Abacavir. Dabei fand sich keine erhöhte Infarktrate. Unter Abacavir waren 2,04 Infarkte/1.000 Patientenjahre (Häufigkeit 0,11%), in den Gruppen ohne Abacavir 2,4 Infarkte/1.000 Patientenjahre (Häufigkeit 0,14%) aufgetreten. Auch in den Meldungen zu unerwünschten Ereignissen, die beim Unternehmen selbst oder der amerikanischen Food and Drug Administration eingingen, fand sich kein Hinweis auf ein erhöhtes Infarktrisiko.
Abb. 6: D:A:D Myokardinfarkt-Rate bei kürzlicher Einnahme von Didanosin und Abacavir nach
kardiovaskulärem Risiko nach Framingham A Sabin et al. CROI 2008; #957c
VICTOR E1: VICRIVIROC VS. PLACEBO
Der CCR5-Antagonist Vicriviroc, der nur einmal täglich gegeben werden muss, wurde in der Studie VICTOR E1 an 166 vorbehandelten Patienten (VL 4,5 log, CD4 200/µl) geprüft. Nach 48 Wochen hatten unter Vicriviroc 20 mg bzw. 30 mg OD vs. Placebo mehr Patienten eine Viruslast <50 K/ml erreicht (58% bzw. 64% vs. 26%) und das bei ausgezeichneter Verträglichkeit (#39LB Zingman B et al.).
NEUE SUBSTANZEN
Die Folgesubstanz von Vicriviroc ist bereits in der Pipeline. Eine erste Phase-1-Studie belegt einen guten Effekt von SCH 532706, der noch Tage nach Absetzen der Substanz anhält (#38 Pett S et al.). Adomoxovir soll die Wirksamkeit von Zidovudin synergistisch steigern und gleichzeitig die Toxizität dieses NRTI vermindern. Die vorgestellte kleine Phase-2-Studie über 10 Tage sah vielversprechend aus (#794 Murphy R et al.). Apricitabin ist ein Cytidin-Analogon, das in vitro auch bei der M184V-Mutation wirksam ist. Vorgestellt wurden erste Phase-2-Daten (#735 Cahn P et al.).
Schwangerschaft: Tenofovir und Enfuvirtid
Foto:awa
In einer deutschen Untersuchung wurden 76 Schwangerschaften unter Tenofovir dokumentiert. Indikation für Tenofovir war meist eine Zidovudin- Unverträglichkeit oder Resistenz. Im Mittel wurde die Behandlung in der 24. Schwangerschaftswoche initiiert. Bei zwei Frauen wurde Tenofovir wegen Exanthem bzw. Übelkeit abgesetzt. Alle 78 Kinder waren HIV-negativ und hatten keine Tenofovir-assoziierten Missbildungen (#627a Haberl A et al.). Enfuvirtid wurde bei 12 Schwangeren im dritten Trimenon eingesetzt und zwar bei sechs Frauen aufgrund einer nicht ausreichend supprimierten Viruslast pränatal, bei drei Frauen, die erst spät zur Therapie kamen (>32 SSW) und bei drei Schwangeren mit Komplikationen, die zur Frühgeburt führten. Im Mittel wurde Enfuvirtid 17 Tage vor der Geburt gegeben. Die Enfuvirtid-Plasmaspiegel lagen bei den Müttern im erwünschten Bereich, bei den Neugeborenen unter der Nachweisgrenze. Enfuvirtid scheint somit eine gute Option zur Therapie von Schwangeren zu sein, wenn die Viruslast rasch reduziert werden soll (#627b Haberl A et al.).
RÜCKSCHLÄGE BEI DER PRÄVENTION
Bei der Prävention gibt es leider einige schwere Rückschläge zu vermelden. So wurde die Hoffnung enttäuscht, durch die Behandlung von HSV-2 das Risiko einer HIV-Transmission zu vermindern. In einer afrikanischen Untersuchung wurden 3.277 HSV-2-positive und HIV-negative Freiwillige entweder mit Aciclovir 400 mg BID oder Placebo behandelt. In beiden Armen wurden gleich viele HIV-Infektionen beobachtet (75 vs. 64) (#32 LB Celum C et al.).
Bei der Zirkumzision wurden ebenfalls einige ungünstige Effekte beobachtet. Die Beschneidung halbiert das Risiko einer HIV-Infektion für die Männer um die Hälfte. Aus diesem Grund empfiehlt die WHO die Zirkumzision auch als Präventionsmaßnahme für heterosexuelle Männer. Das Risiko einer HIV-Transmission für die Partnerinnen der beschnittenen Männer wird dadurch allerdings nicht reduziert. Im Gegenteil, in der Rakai-Kohorte in Uganda hatten sich die Frauen der beschnittenen Männer sogar häufiger angesteckt. Grund dafür war, dass die Paare nach dem Eingriff mehr als fünf Tage früher als empfohlen Sex miteinander hatten (#33LB Waver M et al.).
Lediglich bei HIV-negativen Männern scheint die Zirkumzision auch für die Frauen von Vorteil zu sein. Hier verringert sie nicht nur das Risiko der Männer für eine HSV-2-Infektion um 25%, sondern auch das Risiko der Ehefrauen für symptomatische Genitalulcera um 22%, für Trichomonas-Infektionen um 48%, für Vaginosen und für schwere bakterielle Vaginosen um 61% (#28LB Tobian A et al.).
STEP: AUS FÜR IMPFSTUDIEN
Ukraine: MDR-Tuberkulose zirkuliert
Nach der Russischen Föderation ist die Ukraine das Land mit der höchsten HIV- und TB-Epidemie in der früheren Sowjetunion. Offiziell sind 100.000 der 47 Millionen Einwohner HIV-infiziert. Inoffiziellen Schätzungen zufolge sind es viermal mehr. Die TB-Inzidenz liegt bei 80/100.000. Betroffen ist insbesondere die Region Donetsk mit 4,6 Millionen Einwohnern. Die HIV-Prävalenz lag 2006 bei 364/100.000, die TB-Prävalenz bei 94/100.000. 15% der TB-Patienten hatte gleichzeitig auch eine HIV-Infektion. In dieser Region untersuchte die WHO den Zusammenhang zwischen HIV-Infektion und multiresistenten Tuberkulose-Erregerstämmen (MDR). Insgesamt wurden 1.289 TB-Patienten und 204 Gefängnisinsassen mit TB zusätzlich auf HIV und MDR-TB untersucht. HIV-Infizierte hatten mit größerer Wahrscheinlichkeit eine MDR-TB als HIV-Negative (28,0% vs 21,6%) ebenso wie HIV-positive Gefängnisinsassen (58,3% vs 37,0%). Insgesamt waren 15% der multiresistenten TB-Erreger extrem multiresistent (XDR). Unabhängig vom HIV-Status konnte bei den neu diagnostizierten TB-Fällen 15,5% ein MDR-Erreger nachgewiesen werden. Dieser sehr hohe Anteil der MDR-Tuberkulose ist nach Meinung der Autoren ein Anzeichen, dass der Erreger in der Region zirkuliert und dringend Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssen (#144 Dubrovina I et al.).
HIV-Transmission durch vorgekaute Nahrung
Seit 1993 wurden in den USA drei afroamerikanische Kleinkinder durch vorgekaute Nahrung infiziert. Der erste Fall ist ein Mädchen im Alter von 9 Monaten, bei dem 2004 eine HIV-Infektion diagnostiziert wurde. Die HIV-positive Mutter hatte dem Kind ab dem vierten Monat immer wieder vorgekaute Nahrung gegeben. Das zweite Kind ist ein Junge, der zu Monat 20 und 21 negativ und 1995 im Alter von 39 Monaten positiv getestet wurde. Beim dritten Kind wurde die Diagnose 1993 im Alter von 15 Monate gestellt. Die CDC betont in ihrem Bericht, dass die Betreuer von zwei Kindern in der fraglichen Zeit Zahnfleischbluten bzw. Mundläsionen hatten. Die CDC empfiehlt, insbesondere bei blutenden Mundläsionen, auf diese Praktik zu verzichten (#613b Gaur A et al.).
Das vorläufige Ende für die prophylaktische Impfung kam durch die STEP-Studie. In dieser Untersuchung wurden 3.000 Freiwillige (überwiegend MSM und weibliche Prostituierte) in Amerika und Australien mit Merck V520 ad5 geimpft, einem prophylaktischen Impfstoff mit Adenovirus Typ 5 als Vektor. Die Studie wurde Ende letzten Jahres vorzeitig abgebrochen, als in der geimpften Gruppe mehr HIV-Infektionen aufgetreten waren (49 vs. 33). Statisch war das Risiko einer HIV-Infektion insgesamt nur marginal größer. Es gab jedoch Subgruppen mit einem deutlich höheren Risiko und zwar unbeschnittene schwule Männer, die überwiegend insertiven Analsex hatten, und Männer mit einer hohen Immunität gegen Adenovirus Typ 5 (21 vs. 9). Die Gründe hierfür sind nicht bekannt. Als Konsequenz dieser "gescheiterten" Impfstudie forderten Ron Desrosiers vom New England Primate Research Centre der Harvard University und Neal Nathanson von der University of Pennsylvania eine Rückkehr zur Grundlagenwissenschaft. Es mache keinen Sinn ähnliche Vakzine in teueren Studien an Menschen zu testen. Nach Meinung von Desrosiers gibt es derzeit überhaupt keinen erfolgversprechenden Vakzine-Kandidat. Impfstudien seien daher nicht nur sinnlos, sondern sogar kontraproduktiv. Sie würden potentielle Geldgeber sowie die Community ermüden (#88LB Robertson M und Buchbinder S, #89LB Robertson M et al., #91 Desrosiers R, #92 Nathanson N).
KÖRPEREIGENE PROTEINE ALS INHIBITOREN UND VERSTÄRKER DER HIV-INFEKTION
Einer der wenigen Deutschen, die auf der CROI zu einem Plenarvortrag geladen wurden, ist Prof. Frank Kirchhoff, Ulm. Die Arbeitsgruppe um den Virologen ist seit vielen Jahren aktiv und hat auch schon einige spektakuläre Forschungsergebnisse publiziert. Zu den jüngsten Entdeckungen gehört ein Protein im Sperma, das die Infektiosität von HI-Viren dramatisch verstärkt (SEVI) sowie ein natürlicher Hemmstoff im Blut, der das Andocken von Viren an die Wirtszellen verhindert (VIRIP).
VIRIP (Virus-Inhibitorisches-Peptid) ist ein aus 20 Aminosäuren bestehendes Fragment von a1-Antitrypsin. Es hemmt das HIV-Fusionsgen gp41 und somit das Eindringen des Virus in die CD4-Zelle, allerdings an einer anderen Stelle als der seit einigen Jahren zugelassene Fusionshemmer Enfuvirtid. In vitro ist VIRIP mindestens so wirksam wie Enfuvirtid, kann aber durch gezielte Molekülveränderungen noch wirksamer werden. Zur Zeit untersucht die Arbeitsgruppe, inwieweit ein a1-Antitrypsin-Mangel eine Rolle bei der HIV-Infektion spielt und ob VIRIP auch die Fusionsgene anderer Viren wie Hepatitis, Influenza, Ebola, Masern und Mumps hemmen kann. Die präklinischen Studien sind laut Kirchhoff bereits abgeschlossen und der Start der Phase-I/II steht unmittelbar bevor (#66 Munch J et al.). RV