MÜNCHNER AIDS-TAGE 2008 ZU GAST IN BERLIN, 14.-16. MÄRZ 2008
Kontroverse Diskussionen, viele Preise und gute Fortbildung

Die Münchner AIDS-Tage zu Gast in Berlin waren auch in der Hauptstadt ein großer Erfolg. Das breite Angebot an Themen hatte viele Besucher angelockt. Die Vorträge waren gut besucht und es wurde viel diskutiert. Im Mittelpunkt des Interesse stand das kurz zuvor veröffentlichte Papier der Schweizer EKAF und die Meinungen darüber gingen stark auseinander.


Dr. I. Gilada, A. Madison, Dr. H. Jäger

Ein Highlight der Münchner AIDS-Tage zu Gast in Berlin war wie immer der Eröffnungsabend. Er war hochkarätig besetzt, es gab viele Ansprachen und es wurden viele Preise verliehen. Die erste Rednerin war Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Sie forderte, die Menschenrechte von HIV-Infizierten weltweit zu beachten und sich gegen Ausgrenzung zu engagieren. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) Dr. Luis Carlos Escobar Pinzón nutzte die Gelegenheit und ging auf das EKAF-Papier ein. Die Schweizer Botschaft habe zu einem Aufatmen aller HIV-positiven in Deutschland geführt. "Wir haben die Entlastung und Entdramatisierung der HIV-Infektion unterschätzt", meinte Escobar und formulierte gleich ein wichtiges Anliegen der DAH, nämlich die Anpassung der Präventionsbotschaften und zwar nach dem Grundsatz: Menschen sollen an den Stellen entlastet werden, an denen sie verantwortlich entlastet werden können. Escobar forderte mehr Trennschärfe zwischen Massenkommunikation, zielgruppenspezifischer und individueller Kommunikation. Dann stellte der DAH-Geschäftsführer die neue bundesweite Präventionskampagne für MSM vor, die sich auch an HIV-positive Männer richtet und im Sommer starten soll. Die Kampagne wird sich, so Escobar, an der Wirklichkeit schwuler Männer orientieren. Dem Internet kommt daher eine zentrale Rolle zu. Inhaltlich wird HIV-Test (noch) weiter ins Zentrum rücken und auch die STD-Prävention soll verstärkt werden.

VII. Konrad-Lutz-Preis

Der Konrad-Lutz-Preis, der immer auf den Münchner AIDS-Tagen verliehen wird, ist ein Gemeinschaftsprojekt von Netzwerk plus, dem bundesweiten Netzwerk der Menschen mit HIV und AIDS und dem forschenden Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline. Das Motto in diesem Jahr lautete "Immer ist jetzt". Im Internet wurde außerdem öffentlich über den "Online-Publikumspreis" abgestimmt.

Der erste Preis ging an "Rotfuchs" (Pseudonym) für das Bild "Zeitschleifen" (1.500 Euro). Der zweite Preisträger mit dem Pseudonym "Mutter Tara Maldita Peregrina inter Mundos F.S.P.I." mit dem Werk "Ima - Jetzt" erhält 1.000 Euro. Der dritte Preis geht an Eva Boehle für ihr Bild "Bildbriefe". Sie erhält ebenso wie der Gewinner des Online-Publikumspreises Toni Schwarzenberger, der "Show must go on" eingesendet hat, 800 Euro. Zusätzlich wurden zehn Anerkennungen verliehen, die mit je 400 Euro dotiert sind. Diese gehen an Paolo Randazzo "La Vita è Bella", Udo Wolf "Über die Brücke vom Immer ins Jetzt", Leon-Mendez German "Orientierungslos", Cal Gregor "First second - Bewegung im Stillstand aus der Reihe: durch den Kopf!", Rüdiger Bergmann "Jeans", Mike Mathes "Gesicht zeigen", Harald Eckert "Virus (stark vergrößert)", Janine Luther "Immer ist Jetzt: Wie wollen wir leben?", Robert Bartsch "Heft Nr. 312" und Andreas Fecke "Momentmal".


Gilead HIV Clinical Cooperation Grant 2008

Der von Gilead Sciences ausgelobte HIV Clinical Cooperation Grant wurde 2008 zum zweiten Mal vergeben. Der mit 30.000 Euro dotierte Preis wird in diesem Jahr die SALT (Single Class Antiretrivirals in Lesotho Trial)-Studie fördern, die die Möglichkeiten des realitätsnahen, ressourcensparenden Einsatzes antiviraler Therapieregime in weniger entwickelten Ländern evaluiert. In der SALT-Studie werden die Effektivität eines strategischen First-Line-Regimes untersucht, das nur aus NRTI besteht. Vorteile dieser Strategie sollen die bessere Verträglichkeit und geringere Resistenzentwicklung sein. Leiterin des Projektes ist Dr. Tessa Lennemann vom HIVCENTER in Frankfurt.

WISSENSCHAFTLICHE ASPEKTE

Der nächste Redner, der scheidende Präsident des Robert Koch-Instituts in Berlin Prof. Reinhard Kurth machte auf den Anstieg der HIV-Infektion bei MSM aufmerksam. Die Gründe für diesen Trend seien unklar. Und auch er nahm zum EKAF-Papier Stellung. Die Schweizer Aussage weiche von den Stellungnahmen der WHO, CDC sowie des kanadischen und französischem Gesundheitsministerium ab. Des weiteren verwies Kurth auf die vielen noch offenen Fragen, z.B. die fehlenden Daten zur Situation an rektalen Schleimhäuten sowie das STI-Risiko in nicht monogamen Partnerschaften. "Wir sollten uns davor hüten, Wünschenswertes mit Wissenswertem zu verwechseln", warnte Kurth.

ANNEMARIE MADISON IN BERLIN

Der Annemarie Madison-Preis mit einem Preisgeld von € 5.000 wurde in diesem Jahr von der Namensgeberin des Preises selbst überreicht. Die hochbetagte Deutsch-Holländerin war allein für die Münchner AIDS-Tage zu Gast in Berlin aus San Francisco angereist. Madison hatte zu Beginn der Epidemie Ende der 80er Jahre in San Francisco HIV-Kranke gepflegt und war eine der ersten, die sich für die damals geächteten todkranken Männer öffentlich eingesetzt hat. 1995 wurde sie dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Im gleichen Jahr wurde auch der erste Annemarie Madison-Preis verliehen.

PREISE AN UND AUS INDIEN

In diesem Jahr ging der Preis an Dr. Kiran Bedi, Indien. Bedi ist eine indische Erfolgstory par excellence. Bereits in jungen Jahren war sie indische Tennismeisterin. Später machte sie mit ihrem sozialen Engagement "Karriere". Als Generalinspektorin für die indischen Gefängnisse brachte sie in den 90er Jahren viele Reformen auf den Weg. Sie vertrat Indien bei der UN und war in internationalen Foren zum Thema Verbrechensprävention, Drogengebrauch und Gefängnisreformen tätig. Selbstverständlich stand auch das Empowerment von Frauen aus randständigen Schichten sowie Schulprogramme für Kinder auf ihrem Programm. Heute leitet die hochdekorierte indische "Heldin" zwei große, von ihr gegründete NGOs, die sich unter anderem auch im Bereich HIV/Aids engagieren. Die quirlige Inderin kam eigens für die Preisverleihung nach Berlin geflogen.

Danach gab es noch zwei weitere Preisverleihungen. Diesmal kamen die Preise aus Indien von der People´s Health Organisation. Dr. I. Gilada, der Gründer der Organisation, überreichte Annemarie Madison den Life Time Achievement Award für ihr Lebenswerk und Dr. Hans Jäger, München, den zum Alter besser passenden Mid-Life Achievement Award für sein Engagement in Patientenversorgung und Forschung.

WETTKOCHEN FÜR EINEN GUTEN ZWECK

Auch für die Unterhaltung war am Eröffnungsabend gesorgt. Im Anschluss an die Ansprachen und Preisverleihungen sang der Argentinier Hector Jaegel-Guedes südamerikanische Lieder. Im Nebenraum wurde bereits gekocht. Es fand ein vom Unternehmen Abbott organisiertes Wettkochen statt. Das Team des Koches Martin Baudrexel wurde verstärkt von Dr. Annette Haberl, Frankfurt, Prof. Matthias Stoll, Hannover, und Dr. Ramona Volkert, München. Mit Ralf Zacherl kochten Dr. Stefan Scholten, Köln, Dr. Peter Kreckel, Berlin, und Dr. Katja Römer, Köln. In der Jury aßen neben einer professionellen Gastro-Kritikerin und einem Ernährungsexperten als Gast aus dem Publikum PD Jan van Lunzen, Hamburg. Es war ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen, das schließlich das Team Zacherl gewann.    RPV

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