MARTIN OBERMEIER, BERLIN
Tropismustest bei nicht nachweisbarer Viruslast
Nicht nur ein Therapieversagen, sondern auch unerwünschte Nebenwirkungen können häufig zu dem Wunsch nach einer Umstellung der antiretroviralen Therapie (ART) führen. Hierbei handelt es sich aber meistens um Patienten, die bei einer suffizienten ART eine nicht nachweisbare Viruslast besitzen.
Abb. 1: Virale RNA und provirale DNA
Abb. 2: Vergleich von TROFILE® mit viraler und proviraler genotypischer Analyse (Geno2pheno mit
FPR-Einstellung 20%)
Abb. 3: Vergleich der verschiedenen genotypischen Analysesysteme mit dem TROFILE®-Assay (310 Proben)
Auf den ersten Blick verhindert diese Tatsache die Option der Verwendung eines CCR5-Blockers als Bestandteil einer neuen Kombinationstherapie, da vor Gabe eines CCR5-Blockers die Durchführung eines Tropismus-Testes mit Nachweis eines CCR5 als Korezeptor benutzenden Virus zwingend vorgeschrieben ist. Der derzeit am häufigsten durchgeführte phänotypische Tropismustest, der TROFILE®-Assay der Firma Monogram wird zum Beispiel erst ab einer Plasma-Viruslast von 1.000 Kopien/ml durchgeführt. Auch genotypische Assays aus viraler RNA im Plasma führen bei einer Viruslast im Plasma unter der Nachweisgrenze (meistens um die 50 Kopien/ml) ähnlich den genotypischen Resistenzbestimmungen zu keinem Produkt für die Sequenzierung und somit zu keinem aus-wertbaren Ergebnis. Eine Möglichkeit trotzdem den V3-Loop zu sequenzieren und das Ergebnis einer genotypischen Analyse zuzuführen ist die Verwendung von proviraler DNA als Ausgangsmaterial (Abb. 1). Auch wenn durch eine ART die Plasma-Viruslast unter die Nachweisgrenze gesenkt wird, sind in verschiedenen Zellen (z.B. ruhenden CD4+-T-Zellen) integrierte Genome nachweisbar. Diese Genome werden im Lauf der normalen Replikation als DNA-Doppelstränge in das humane Genom integriert und bleiben dort bis zum Zelltod erhalten.
Je nach angewendetem Verfahren kann aus EDTA-Vollblut, präparierten Gesamt-Leukozyten, präparierten Gesamt-Lymphozyten oder am aufwändigsten: aus präparierten CD4-Zellen das humane Genom extrahiert werden und die darin enthaltene integrierte provirale DNA sequenziert werden. Diese unterschiedlichen Präparationsarten führen auch zu unterschiedlichen Nachweisgrenzen proviraler DNA im Ausgangsmaterial. Die wahrscheinlich am häufigsten durchgeführten einfachen Präparationen aus EDTA-Vollblut und Gesamt-Leukozyten liefern nicht in allen Fällen ein auswertbares Ergebnis. So kann nach eigenen Erfahrungen bei etwa 25% der Patienten unter der Nachweisgrenze kein PCR-Produkt für die Sequenzierung generiert werden. Dies liegt nicht nur an einer zu geringen Zahl an proviralen Genomen in den untersuchten Zellen, was durch aufwendigere Präparationsmethoden verbessert werden könnte, sondern liegt auch an der nun vorhandenen humanen genomischen DNA, die in bestimmten Fällen auch eine PCR-Reaktion durch unspezifisches binden der Primer verhindern kann. So gibt es bei Patienten mit nachweisbarer Viruslast durchaus die Konstellation, dass eine genotypische Tropismusbestimmung aus viraler RNA zu einem Ergebnis führt, eine provirale Bestimmung aber zu keinem auswertbaren Ergebnis führt. Hier handelt es sich nicht um eine einmalige Konstellation, im Rahmen der bei uns durchgeführten Vergleichsmessungen trat dies in 11 von 141 Proben auf.
Da bisher keine klinischen Studien für die Anwendbarkeit der Tropismusbestimmung aus proviraler DNA existieren, muss man sich ähnlich wie bei der genotypischen Tropismusbestimmung aus viraler RNA auf Vergleichsmessungen mit dem Ergebnis aus phänotypischer Analyse beziehen. In diesen Vergleichsmessungen sieht man vor allem eine geringfügig höhere Rate des Nachweises von X4-tropen Viren als mit phänotypischen, aber auch genotypischen Methoden (Abb. 2). Ob es sich hier um relevante Populationen handelt muss leider bis klinische Studien vorliegen ungeklärt bleiben. So kann es sich bei diesen X4-Populationen durchaus um nichtfunktionelle Genome handeln, die keinerlei Replikationskompetenz besitzen.
Alle genotypischen Verfahren leiden in unterschiedlichem Maß an eingeschränkter Sensitivität für X4-trope Viren, vor allem, wenn es sich um minore Populationen handelt. So sollte nach unseren Erfahrungen zur Analyse von proviralen Sequenzen geno2pheno (http://coreceptor.bioinf.mpi-inf.mpg.de) mit einer false positive rate (FPR)-Einstellung von 20% verwendet werden. Dies führt zwar zu einer relativ großen Anzahl an falsch als X4-trop klassifizierten R5-tropen Viren, jedoch ist im Vergleich mit anderen Verfahren bei geno2pheno mit dieser Einstellung die Sensitivität für X4-trope Viren am höchsten (Abb. 3). Zusammen mit der insgesamt höheren Rate des Nachweises von X4-tropen Viren in proviraler DNA kann somit eine relativ hohe Sicherheit für diese Patientengruppe, die ja derzeit eine vom virologischen Standpunkt funktionierende ART besitzt, erreicht werden.