CHRISTIAN HOFFMANN, HAMBURG
Herausragende Arbeiten der letzten Monate
Apolipoprotein-E
Quelle: Wikipedia.org
Kommentar:
Vielleicht ist ApoE4 nicht nur einfach ein weiterer, neuer Wirtsfaktor mehr. Man darf gespannt sein, ob die gegenwärtig großen Anstrengungen der Alzheimer-Forschung (angesichts geschätzter 3 Millionen Alzheimer-Kranke in Deutschland im Jahre 2030!), die sich auch auf ApoE4 konzentrieren, auch die HIV-Therapie befruchten werden.
Alzheimer-Risikofaktor ApoE4 begünstigt HIV-Progression
Das Glycoprotein Apolipoprotein-E (fortan Apo-E) spielt eine wichtige Rolle im Lipidmetabolismus und in der Pathogenese kardiovaskulärer Erkrankungen. Seit längerem ist außerdem ein Zusammenhang zwischen dem ApoE4-Genotyp und dem Morbus Alzheimer bekannt.
ApoE4 gilt als genetischer Risikofaktor der Alzheimer-Krankheit, da es bei 50% der Alzheimer-Patienten gefunden wird, jedoch nur bei 15% der Allgemeinbevölkerung. Damit jedoch nicht genug: Forscher aus San Francisco fanden nun heraus, dass ApoE4 auch die Progression der HIV-Infektion begünstigt. In einer großen Kohorte an 1.267 HIV-positiven Patienten zeigten solche mit einem homozygoten ApoE4-Genotyp eine deutlich raschere Krankheitsprogression. ApoE4 scheint die Fusion bzw. den Eintritt von HIV zu begünstigen, unabhängig vom Rezeptortropismus. Es konnte allerdings keine Beziehung zwischen dem ApoE4-Genotyp und der HIV-Demenz gefunden werden.
Literatur
1 Burt TD, Agan BK, Marconi VC, et al. Apolipoprotein (apo) E4 enhances HIV-1 cell entry in vitro, and the APOE epsilon4/epsilon4 genotype accelerates HIV disease progression. Proc Natl Acad Sci U S A 2008, 105:8718-23.
Kommentar:
Schon wieder eine medikamentöse Präventions-Strategie, die zwar theoretisch attraktiv erschien, aber in der Praxis eben wohl leider doch nicht funktioniert.
Literatur
1 . Freeman EE, Weiss HA, Glynn JR, et al. Herpes simplex virus 2 infection increases HIV acquisition in men and women: systematic review and meta-analysis of longitudinal studies. AIDS 2006;20:73-83.
2. Celum C, Wald A, Hughes J, Sanchez J, et al. Effect of aciclovir on HIV-1 acquisition in herpes simplex virus 2 seropositive women and men who have sex with men: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2008;371:2109-19.
3. Watson-Jones D, Weiss HA, Rusizoka M, et al. Effect of herpes simplex suppression on incidence of HIV among women in Tanzania. N Engl J Med 2008, 358:1560-71.
Aciclovir bleibt ohne präventiven Effekt
Genitale Infektionen erhöhen das Risiko deutlich, sich mit HIV zu infizieren. Dies gilt vor allem für das humane Herpesvirus 2 (HSV-2). Die HIV-Viruslast steigt sowohl in Plasma als auch in Vaginalflüssigkeit, wenn eine HSV-Infektion vorliegt. Einer Metaanalyse zufolge erhöht sich das HIV-Risiko bei HSV-2-Seropositivität (also wenn Antikörper gegen HSV-2 im Blut nachweisbar sind) für Männer um 2,7, bei Frauen um 3,1 (Freeman 2006).
Ein beachtlicher Teil der HIV-Neuinfektionen ist somit auf eine begleitende HSV-Infektion zurückzuführen, die Schätzungen liegen dabei bei Frauen bei 38-69% und 8-49% bei Männern.
Lässt sich nun durch die medikamentöse Suppression von HSV-2 die HIV-Transmissionsrate reduzieren?
HPTN 039, eine doppelblind randomisierte Phase III-Studie, ging dieser Frage nach (Celum 2008).
Insgesamt 1.814 homosexuelle Männer aus den USA und aus Peru sowie 1.358 Frauen aus Zimbabwe, Zambia und Südafrika erhielten zweimal täglich 400 mg Aciclovir oral oder Plazebo. Alle Teilnehmer waren bei Studienbeginn HIV-negativ und HSV-2-positiv. Obgleich nur halb soviel HSV-Ulzera im Verumarm beobachtet wurden, war die HIV-Inzidenz unter Aciclovir mit 3.9/100 Personenjahre im Vergleich zu Plazebo (3.3/100) nicht reduziert. Die enttäuschenden Resultate bestätigen die erst im April im NEJM publizierten Ergebnisse des Mwanza Trials, der bei 821 Frauen in Tansania ebenfalls keine Reduktion fand (Watson-Jones 2008). Der Ansatz, mittels einer medikamentösen HSV-Therapie HIV zu verhindern, ist nach diesen Daten somit erst einmal hinfällig.
Innerhalb von Tagen kommt es bei der akuten HIV-Infektion zu einem drastischen Verlust von CD4-Zellen im
Darm (Brenchley et al., J Exp Med 2004: 749)
Kommentar:
Zwei wichtige neue Teile in dem noch sehr unvollständigen Puzzle der HIV-Pathogenese im Darm. Aus beiden Arbeiten könnten sich aber langfristig therapeutische Konsequenzen ergeben.
HIV und der Darm - Zwei wichtige Teile mehr im großen Puzzle
Bis zu 30% aller CD4-Zellen sind direkt in der Mukosa zu finden, darüber hinaus ein Großteil im darmassoziierten lymphatischen Gewebe (GALT). Bereits früh im Verlauf der Infektion kommt es im Gastrointestinaltrakt zu einer besonders massiven Depletion der CD4-Zellen. Die Immunrekonstitution unter ART ist im Darm überdies langsamer als im peripheren Blut. Die pathophysiologischen Mechanismen der HIV-Infektion im Darm rücken daher mehr und mehr in den Fokus der Forschung - gleich mehrere Arbeiten wurden dazu in den letzten Monaten hochrangig publiziert. Eine Arbeitsgruppe aus dem NIH ging der Frage nach, warum HIV bevorzugt die CD4-Zellen im Darm befällt (Arthos 2008). Sie fand heraus, dass HIV in der Lage ist, an das Oberflächenmolekül Integrin a4b7 zu binden, einem Molekül, das wiederum T-Zellen hilft, an Endothelzellen zu binden.
Es scheint eine wesentliche Rolle beim Homing von T-Zellen zu spielen. HIV bindet über gp120 an dieses Integrin, die Bindungsstelle in der V3-Schleife von gp120 ist dabei hochkonserviert. Aus dieser Interaktion zwischen gp120 und dem Integrin a4b7 könnten sich, so ein Kommentar zu der Arbeit, therapeutische Möglichkeiten ergeben, wenn es gelänge, diese Interaktion mit Antagonisten zu hemmen (Johnson 2008).
Eine andere Arbeit wies in einer prospektiven Studie nach, dass wahrscheinlich Kollagen-Ablagerungen dafür verantwortlich sind, dass die Immunrekonstitution im Darm nur zögerlich verläuft (Estes 2008).
Bereits sehr früh, in der akuten Infektion, waren ausgeprägte fibrotische Veränderungen im darmassoziierten lymphatischen Gewebe nachweisbar. Es bestand eine enge Korrelation zwischen Ausmaß der Kollagen- ablagerung und der Immunrekonstitution. Diese Beobachtungen lieferten, so das begleitende Editorial (Read 2008), ein weiteres Argument für einen früheren ART-Beginn. Auch wären therapeutische Versuche mit Inhibitoren des profibrotischen Zytokins TGF-ß (Transforming Growth Factor-b) sinnvoll, um zu schauen, ob sich die Kollagenablagerungen rückgängig machen ließen.
Literatur
1 .Johnson RP. How HIV guts the immune system. N Engl J Med 2008, 358:2287-9.
2. Arthos J, Cicala C, Martinelli E, et al. HIV-1 envelope protein binds to and signals through integrin alpha4beta7, the gut mucosal homing receptor for peripheral T cells. Nat Immunol. 2008, 9:301-9.
3. Read SW, Sereti I. HIV Infection and the Gut: Scarred for Life? J Infect Dis 2008 (Pub ahead of print).
4. Estes J , Baker JV, Brenchley JM, Khoruts A, et al. Collagen Deposition Limits Immune Reconstitution in the Gut. J Infect Dis 2008 (Pub ahead of print).