INTERVIEW MIT ARMIN GOETZENICH
15 Jahre aktiv für die DAGNÄ
Der stellvertretende Geschäftsführer der DAGNÄ Armin Goetzenich war viele Jahre lang ein zentraler "Pfeiler" des Vereins. Im September trat er überraschend zurück und wird sich neuen Aufgaben zuwenden. HIV&more sprach mit Herrn Goetzenich über seine Tätigkeit bei der DAGNÄ und die Beweggründe für seinen Rücktritt.
Armin Goetzenich
Bei der letzten DAGNÄ-Versammlung Anfang September haben Sie überraschend Ihren Rücktritt als stellvertretender Geschäftsführer der DAGNÄ erklärt. Was waren die Beweggründe für diesen Schritt?
Goetzenich: Ich war gut 15 Jahre bei der DAGNÄ, fast von Anfang an, und wollte mich nach dieser langen Zeit neuen Herausforderungen stellen. Zudem hat sich in der DAGNÄ über die Jahre hinweg ein Wechsel in den Kompetenz- und Aufgabenbereichen ergeben. Da hätte ich mir einige strukturelle Änderungen gewünscht, die sich nach meinem Weggang hoffentlich auch ergeben werden.
Die DAGNÄ wurde 1990 gegründet. Sie waren also fast seit Anfang an dabei. Wie kamen Sie zur DAGNÄ?
Goetzenich: Wie die Jungfrau zum Kind. Der Spruch ist ebenso platt wie zutreffend. Ich hatte meinen Abschluss in medizinischer Soziologie gemacht und hatte ein Forschungsstipendium der DAGNÄ zum Thema Wertigkeit und Wirkungsbereich der HIV-Schwerpunktpraxen bekommen. Als die Publikation abgeschlossen war, hat mich der damalige Vorstand gefragt, ob ich nicht als Referent bei der DAGNÄ bleiben wolle.
Wer gehörte damals zum Vorstand?
Goetzenich: Das waren damals die Herrn Baranowski, Jäger und. Knechten. Herrn Baranowski kennen vielleicht nicht mehr viele. Er hatte als einer der ersten eine große HIV-Praxis in Berlin mit viel Engagement aufgebaut.
Was war das Ziel der DAGNÄ in dieser Zeit?
Goetzenich: Anfang der 90er Jahre herrschten problematische Zustände. Es gab keine antiretrovirale Therapie, es gab kaum Möglichkeit, den Patienten effektiv zu helfen und dass HIV-Patienten in der Praxis versorgt werden, war keine Selbstverständlichkeit. Primär ging es somit darum, die niedergelassenen Ärzte als HIV-Versorger und die DAGNÄ als deren Verband zu etablieren. Dies haben wir durch den Aufbau von Fortbildungs- und Forschungsstrukturen realisiert.
Was waren Ihre Aufgaben bei der DAGNÄ?
Goetzenich: Wir sind mit 40 Mitgliedern und einem Jahresbudget von 20.000 DM gestartet. Ich war der einzige fest angestellte Mitarbeiter und salopp gesagt, "Mädchen für alles". Im Rahmen des Aufbaus der Fortbildung und Forschung habe ich Symposien organisiert und zwar von der Auswahl der Referenten bis hin zur Auswahl der Getränke. Einer der ersten DAGNÄ-Workshops hat übrigens an der Universität Köln stattgefunden, was die Verbindung zu den Kliniken zeigt, die im HIV-Bereich im Vergleich zu anderen Fachgebieten nach wie vor sehr eng ist. Im Bereich der Forschung war ich wesentlich an der Konzeption und Durchführung der Forschungsprojekte beteiligt. Ich habe die DAGNÄ bei Meetings vertreten, wie zum Beispiel beim Med-Net, dem Vorläufer des Kompetenznetz HIV/AIDS, und habe am Anfang noch manuell wissenschaftliche Poster erstellt, gefertigt und geklebt.
In diesen ersten 10 Jahren waren Sie als "Innendienstler" für die Mitglieder der DAGNÄ kaum sichtbar. Das hat sich mittlerweile geändert ...
Goetzenich: Ja, das hat sich geändert als gesundheitspolitische Themen zunehmend wichtiger wurden. Seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004 folgt ein neues Gesetz dem anderen. Die Berufspolitik ist außerordentlich wichtig geworden, denn wenn die HIV-Schwerpunktpraxis durch neue Verordnungen weggefegt wird, braucht man sich keine Gedanken mehr über Fortbildung und Forschung zu machen. Meine wichtigste Aufgabe in den letzten Jahren war somit der Dialog mit Politikern und Kostenträgern.
Abb. 1: Applaus für Armin Goetzenich während der Mitgliederversammlung der DAGNÄ, 5. September 2008
Welches waren die "Highlights" Ihrer Tätigkeit?
Goetzenich: Diese Frage ist schwierig zu beantworten, denn es gab so viele interessante und erfolgreiche Projekte. Zu nennen ist hier beispielsweise die erste Studie zur Versorgungsforschung in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut der KBV, die Konsensuskonferenz in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut und der DAIG, bei der endlich die Viruslastbestimmung etabliert werden konnte, die Studien ART 96 und LIP-ART, der aktuelle Entwurf des Bundesmantelvertrages HIV und viele mehr.
Welches sind Ihrer Meinung nach die Herauforderungen der Zukunft für die HIV-Schwerpunktärzte und damit die DAGNÄ?
Goetzenich: Die Politik strebt eine primäre Versorgungsebene durch Hausärzte an, ergänzt durch eine wohnortnahe Facharztschiene ohne Schwerpunkt. Alle komplexeren Krankheitsbilder sollen eher der krankenhausnahen Versorgungsebene zugeordnet werden. Dies zieht sich durch alle Entwürfe und Verträge, die derzeit verhandelt werden. Hier gilt es, einen Platz für die HIV-Schwerpunktärzte zu finden und zu verankern.
Abb. 2: Beschlussfassung zum EBM 2009 vom EBA
Können Sie die DAGNÄ hierbei noch unterstützen?
Goetzenich: Derzeit führe ich gemeinsam mit Vorstandsmitgliedern die Verhandlungen für eine neue HIV-EBM-Ziffer, die die Versorgung der HIV-Patienten in der Praxis sichern soll. Dies tangiert auch die Problematik der Sicherung der regionalen HIV-Vereinbarungen bis zum Zeitpunkt der Etablierung der neuen HIV-EBM-Ziffer.
Ferner habe ich vom Vorstand den Auftrag erhalten, Vorschläge für die Zukunftsgestaltung über 2012 hinaus zu machen. Konkret wird hier über die Entwicklung einer Management-Gesellschaft oder Genossenschaft nachgedacht, die die HIV-Behandler als Gesamtgruppe als Verhandlungspartner für die Kostenträger attraktiv machen soll.
Schlussendlich bereite ich das Projekt Qualitätsmanagement HIV so weit vor, dass es zur Durchführung an den Vorstand übergeben werden kann.
Welches ist Ihr Ratschlag für die Praxen in der näheren Zukunft?
Goetzenich: Zusammenschlüsse in Form von fach- und ortsübergreifenden Praxen sind sinnvoll und da gibt es auch schon mehrere Beispiele. Gleichzeitig sollte man versuchen, die Kompetenz der HIV-Praxen nach außen sichtbar zu machen, wobei sich Ambulanzen und niedergelassene Praxen als Kooperationspartner verstehen sollten und nicht als Konkurrenten.
Wie kann man die oben genannten Projekte und Ratschläge in die Praxis umsetzen?
Goetzenich: Dies kann man nur durch Bündelung aller Kräfte erreichen. Besondere Bedeutung hat für mich gerade in den letzten Jahren die Teamarbeit bekommen. Die Zusammenarbeit mit den Kernarbeitsgruppen, mit vielen einzelnen Schwerpunktpraxen und Vorstandsmitgliedern hat, glaube ich, der DAGNÄ und auch mir persönlich viel gebracht. Der alte Spruch mit der Bedeutung des Ganzen und der Summe der Teile scheint doch seine Berechtigung zu haben.
Nikola Hanhoff
Betonen möchte ich schlussendlich die gute Arbeitsatmosphäre im DAGNÄ Büro. Stellvertretend für die DAGNÄ Mitarbeiter möchte ich mich ganz herzlich bei Nikola Hanhoff als der langjährigsten DAGNÄ Mitarbeiterin bedanken, ohne deren Support, Wissen und Rückhalt meine Arbeit völlig undenkbar gewesen wäre.
Die Herausforderungen des zukünftigen Gesundheitssystems wird die DAGNÄ und die Schwerpunktpraxen nur durch effiziente Teamarbeit im Vorstand im direkten Diskurs mit den Kerngruppen und den Mitgliedern schultern können.