PRÄVENTIONSKAMPAGNE
"ICH WEISS WAS ICH TU"
Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) startete am 13. Oktober eine bundesweite zielgruppenspezifische Kampagne zur Intensivierung der HIV-Prävention und Gesundheitsförderung bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM): Die Kampagne "ICH WEISS WAS ICH TU" wurde gemeinsam mit vielen Partnerorganisationen über zwei Jahre entwickelt und benutzt erstmals gleich mehrere Kommunikations- ebenen.
Die Kampagne wendet sich an diejenigen, die in Deutschland am stärksten von HIV und AIDS bedroht oder betroffen sind: Schwule, Bisexuelle und andere Männer, die Sex mit Männern haben. Dabei arbeitet sie mit Inhalten, Modulen und Botschaften, die in die Zielgruppe hineinwirken, eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen und die Lebenswirklichkeit der Männer aufgreifen. Hierzu zählen insbesondere auch eine zielgruppengerechte Sprache, Motive und Design. Die verwendeten Motive und Begriffe entsprechen der Sprache und Kultur in der Zielgruppe, wobei bei der Konzeptionierung darauf geachtet wurde, dass unterschiedliche Subzielgruppen adäquat erreicht werden. Die Kampagne ist dabei so angelegt, dass sie sowohl in der Kernzielgruppe der sogenannten sexuellen Netzwerke ankommt als auch zum Beispiel von Männern mit Migrationhintergrund, Männern auf dem Land oder Männer ohne schwule Identität verstanden und rezipiert wird.
SYNERGETISCHER ENTWICKLUNGSPROZESS
Ziel der Kampagne ist es, die seit mehr als 20 Jahren erfolgreiche Präventionsarbeit in Deutschland zu stärken und aufbauend auf den bewährten Methoden neue Themen und Herausforderungen an die Präventionsarbeit aufzugreifen und weiterzuentwickeln. "ICH WEISS WAS ICH TU" wurde daher von der DAH gemeinsam mit ihren über 120 Mitgliedsorganisationen, Präventionsprojekten und Partnern in ganz Deutschland in einem synergetischen Entwicklungsprozess mehr als zwei Jahre lang vorbereitet. Sie bindet die Projekte der Vor-Ort-Arbeit intensiv in die Projekte der Kampagne sowie deren Weiterentwicklung und Auswertung mit ein. Erstmals werden hier die verschiedenen Kommunikationsebenen in einer gemeinsamen Kampagne für die Zielgruppe gebündelt: Internetmedien, zielgruppenspezifische Zeitschriften und andere Printmedien, Beratungsangebote und personalkommunikative Maßnahmen, insbesondere der Vor-Ort-Prävention in der Szene.
WISSENSCHAFTLICH EVALUIERT
Die Kampagne basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Präventions- und Kampagnenforschung. Im Vorlauf der Kampagne wurden sowohl die Kampagne selbst als auch alle Module der Kampagne von der Freien Universität Berlin auf Akzeptanz, Verständnis und Wirkung hin getestet. Die erfolgreichen Ergebnisse geben uns Kampagnenmachern Recht: Sie wird - unseres Wissens nach - die erste zielgruppenspezifische Kampagne international sein, die umfassend in einer Prozess- und Begleitevaluation regelmäßig überprüft und angepasst sowie umfassend in einer Ergebnisevaluation ausgewertet werden wird.
REALISTISCHES BILD VON HIV
Kontext- und lebensweltbezogene Präventionsstrategien aufzugreifen, zu thematisieren und die Zielgruppe hierüber für eine neue Kommunikation und Auseinandersetzung mit HIV und Prävention zu motivieren, ist der Hauptansatz der aktuell auf zwei Jahre angelegten Kampagne. "Man muss die Präventionsbotschaften ausdifferenzieren. Und zwar indem die Situationen thematisiert werden, in denen unsafer Sex vorkommt." Dieses Zitat von Martin Dannecker beschreibt diesen Ansatz sehr treffend. Dabei geht es im Zeichen des "neuen Aids" um ein erweitertes Verständnis von HIV-Prävention im Kontext von schwuler Gesundheit/Männergesundheit. Eine HIV-Infektion wird heute in den westlichen Industrienationen als eine behandelbare Krankheit ohne unmittelbare Todesfolge anders in der Zielgruppe wahrgenommen und thematisiert als noch vor wenigen Jahren. Auf diese Entwicklung geht "ICH WEISS WAS ICH TU" verstärkt ein, in dem die Kampagne versucht, ein realistisches Bild der HIV-Infektion und ihrer gesundheitlichen und sozialen Folgen zu zeigen. Dieses geschieht z.B. über die Einbeziehung von HIV-Positiven in die Präventionsarbeit. Diese können authentisch über ihre Infektion und die Auswirkungen berichten und somit falsche Bilder vom Leben mit HIV/Aids aufweichen und falsche Risikominimierungsstrategien entlarven helfen. Hierbei spielen sowohl Fehleinschätzungen (z.B. im Kontext Serosorting [HIV-Positiver sucht HIV-Positive Sexualpartner; HIV-Negativer HIV-Negative]) eine Rolle, als auch vor allem das Thema "Mythen und Fakten". In der Zielgruppe halten sich seit vielen Jahren etliche Mythen zu Prävention, Übertragung und Schutzverhalten, wie z.B. Schutz bzw. Risikominimierung durch Strategic Positioning ("Als Aktiver bin ich geschützt, daher bin ich beim Analverkehr nur aktiv"). Diese Mythen werden aufgegriffen, hinterfragt und Fakten geliefert, um selber eigene und valide Schutzstrategien entwickeln und selbstbewusst umsetzen zu können. Ebenso spielen die Themen Partnerschaft und sexuell übertragbare Infektionen (STI) eine wichtige Rolle, da sie für das Infektionsgeschehen von hoher Tragweite sind. Gerade in Partnerschaften sind Themen wie Treue, Kommunikation über sexuelle Wünsche und Bedürfnisse oder Risikoverhalten, Wunsch nach Intimität und barrierefreiem Sex als dessen Ausdruck wichtige Themen, die die Kampagne aufgreift. Die Vermittlung dieser Themen geschieht auf allen Kommunikationsebenen und wird als zentrales Modul durch Rollenmodelle repräsentiert.
ROLLENMODELLE ALS VORBILD
Für die Kampagne konnten 20 Männer als Rollenmodelle gewonnen werden. Diese erzählen authentisch über ihre Erfahrungen mit HIV und Aids, Safer Sex, Risikominimierungsstrategien, schwulem Leben, Problemen im Leben und sind mit ihren Erfahrungen Vorbilder und Identifikationsfiguren für den eigenen Umgang mit HIV und sexueller Gesundheit. Ziel ist es, die Zielgruppe über die Rollenmodelle bestmöglich abzudecken und möglichst vielen Männern Rollenvorbilder zu bieten. Daher werden zum Beispiel Männer vom Land wie aus der Stadt, HIV-Positive, -Negative oder Ungetestete, Männer mit Migrationshintergrund und in verschiedenen Alterssegmenten als Rollenmodelle integriert. Mit ihren Botschaften und Erfahrungsberichten stehen sie zentral für die Themen der Kampagne und bieten die Möglichkeit, Prävention wirklichkeitsnah und authentisch zu thematisieren und zu einem Diskurs einzuladen. Hierzu zählt neben der Identifikationsfigur ebenfalls die mögliche Polarisierung und Diskussion. Die Rollenmodelle haben sich daher auch bereit erklärt auf Veranstaltungen und Events für die Kampagne teilzunehmen, dieser ein Gesicht zu geben und persönlich Rede und Antwort zu stehen und über ihre Statements hinaus Auskunft zu geben und diese zu diskutieren.
INTERAKTIVE HOMEPAGE FÜR MSM
IWWIT Kampagnenmotiv
Der zentrale Baustein der Kampagne ist die Internetplattform www.iwwit.de. Sie ist die erste umfassende deutsche interaktive Präventions- und Gesundheitsplattform für die Zielgruppe der MSM. Neben den Rollenmodellen, News, Infos und Links zu Beratungsmöglichkeiten sowie Sach-Informationen ist hier der Communitybereich von hoher Bedeutung. Er bietet die Möglichkeit, sich über Profile und Foren mit anderen Männern zum Thema HIV und Gesundheitsprävention auszutauschen, zu diskutieren und Vernetzung mit anderen am Thema Prävention Interessierten herzustellen. Wie die Kampagne ist die Internetplattform modular aufgebaut und wird ständig weiterentwickelt. Neue Rollenmodelle werden regelmäßig präsentiert, neue Inhalte und Themen präsentiert. Somit kann flexibel auf neue Themen und Herausforderungen reagiert werden, und der Nutzer wird animiert, die Seite regelmäßig zu besuchen und Neues zu entdecken. Über die Einbindung des Internets in die Präventionsarbeit - das haben bereits bisherige Internetprojekte eindrücklich gezeigt - werden schwer erreichbare Zielgruppen, wie z.B. Männer außerhalb der Szenen, sehr gut erreicht. In der Kampagne "ICH WEISS WAS ICH TU" wird die Internetplattform daher die zentrale Informations- und Kommunikationsplattform darstellen und das zentrale Element der Kampagne sein. So werden die Anzeigen und Printmedien der Kampagne Themen aufgreifen und umreißen und auf die Internetplattform verweisen, auf der dann später die vertiefenden Informationen nutzergerecht zu finden sind.