Ich nehme alle Tabletten ein, immer!
Jetzt haben wir es endlich schwarz auf weiß, hochwissenschaftlich nachgewiesen, was wir HIV-Ärzte eigentlich schon immer wussten: Die Patienten lügen uns an! Bei einem Anstieg der Viruslast unter Therapie soll man, so heißt es in den Leitlinien, die Adhärenz des Patienten überprüfen. Und das tun wir dann ja auch, indem wir nachfragen. Je nach Temperament, Einfühlungsvermögen oder psychologischer Vorbildung lautet die Frage „Warum haben Sie denn Ihre Pillen nicht mehr genommen?“ (patriarchialischer Typ), „Sicherlich ist es für Sie schwer, immer an die Tabletten zu denken, oder?“ (empathischer Typ) oder „Nehmen Sie Ihre Tabletten regelmäßig ein?“ (psychologische Vorbildung). Genauso reflexartig wie die Frage kommt auch die Antwort des Patienten: „Ich nehme meine Tabletten immer alle ein!“
Wie die Realität aussieht, belegt die iPrEX-Studie. Die Männer haben in der Studie angegeben, sie hätten mehr als 95% der Dosen eingenommen, doch nur die Hälfte hatte tatsächlich einen nachweisbaren Medikamentenspiegel. Also lügen die Patienten? Nein! Denn, wenn man vergessen hat die Tabletten einzunehmen, hat man auch vergessen, dass man es vergessen hat. An Ereignisse, die man vergessen hat, kann man sich nicht erinnern.
Motivation ist entscheidend
Interessanterweise zeigten Männer, die
häufiger ungeschützten Analverkehr hatten, eine höhere Adhärenz. Das heißt,
diese Männer hatten ihr Risiko hoch eingeschätzt und die PrEP als sinnvolle
Maßnahme nicht vergessen. Somit hat sich erneut bestätigt, was wir auch alle
wissen: Je sinnvoller uns etwas erscheint, umso höher ist die Chance, dass wir
es auch tatsächlich tun!