Aids can talk. Teil 2

Admire Kamudzengerere und Cosmas Shiridzinomwa gehören zu einer neuen Generation zimbabwesischer Künstler, die in ihren Bildern auch Bezug zur aktuellen politischen Lage nehmen. Shiridzinomwa, der im Rahmen der Ausstellung „Colour Africa 2011“ zur Eröffnung nach München kam, meinte auf die Frage nach dem Risiko, politisch motivierte Kunst zu machen: „Die Schergen Mugabes gehen nicht in Ausstellungen.“

 Derek Huggins, Leiter der Gallery Delta Foundation in Harare, und Verena Nolte, Kulturallmende, München, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Colour Africa 2011“, in München
Derek Huggins, Leiter der Gallery Delta Foundation in Harare, und Verena Nolte, Kulturallmende, München, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Colour Africa 2011“, in München

Derek Huggins, der 1975 mit Helen Lieros die Galerie Delta in Harare als Forum für die zeitgenössische Kunst Zimbabwes gründete und seitdem leitet, machte 2004 HIV mit der Ausstellung „Fight Aids – Celebrate Life“ zum öffentlichen Thema.

Im Vorwort zum Ausstellung-Flyer beschrieb er die aktuelle Situation ganz direkt: „The unseen, and for many, the mysterious affliction called HIV/AIDS, a sexually transmitted disease, is here with us. One in four, perhaps one in three, of sexually active people, is infected. A drastic toll which drains the life of people, the nation, and the country.“

Er verschweigt dabei auch nicht die Tatsache, dass die Krankheit bisher Tabu-Thema war, und selbst wenn die Künstler Zimbabwes diese nun zum Thema machen, so findet die Kunst doch eher in einem privaten Raum statt, und es ist ein weiteres Problem, sie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen: „If it is only the artists who have worked on this project who become more aware of the danger, it will be reward. But how are we to cross the gulf from the gallery to the street, and onward to the rural dwellers, and to the region?

Mit Admire Kamudzengerere und Cosmas Shiridzinomwa waren in dieser Ausstellung zwei jüngere Künstler vertreten, die sich auf unterschiedliche Weise dieser Thematik annahmen.

Admire Kamudzengerere mit Begleitung anlässlich seiner ersten Einzelausstellung „Variations in the Game“ in der Gallery Delta, 2010
Admire Kamudzengerere mit Begleitung anlässlich seiner ersten Einzelausstellung „Variations in the Game“ in der Gallery Delta, 2010 

Admire Kamudzengerere: „Queen takes Bishop“, 2007, Mixed Media, 70 x 65 cm
Admire Kamudzengerere: „Queen takes Bishop“, 2007, Mixed Media, 70 x 65 cm

Admire Kamudzengerere: „Prostitution and Aids“, 2005, Mixed Media, 115 x 218 cm
Admire Kamudzengerere: „Prostitution and Aids“, 2005, Mixed Media, 115 x 218 cm

Admire Kamudzengerere

Geboren 1981 in Harare, wollte Kamudzengerere ursprünglich in den Marketing-Bereich gehen, besuchte aber parallel zum Studium Mal- und Zeichenkurse von Helen Lieros in der Galerie Delta und wurde zum Künstler, ohne es zu wollen, wie er selbst einmal in einem Interview erzählte. Seit 2001 nahm er an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teil und gewann verschiedene lokale Auszeichnungen und Preise. Eines seiner Ziele ist: „... to change education from
elitism to popularism.“

In seinem großformatigen Bild „Prostitution and Aids“ von 2005 nennt Kamudzengerere eine der Gründe für die Verbreitung von Aids beim Namen. In einer Dramaturgie, die als eklektische Kombination aus neoafrikanischem Expressionismus und Fauvismus charakterisiert werden kann, stehen die Personen gleichsam auf einer Bühne und bringen ihr wortwörtlich nacktes Entsetzen über die Krankheit zum Ausdruck, gleichzeitig entsteht auch der Eindruck von Ohnmacht – am deutlichsten in der blauen, gleichsam leichenblassen männlichen Figur, die die Arme in einer Geste der Hilflosigkeit oder der Unschuld ausbreitet – als erster Schritt der Bewusstwerdung der Zusammenhänge zwischen dem Selbst und der Krankheit.

In seinen folgenden Werken weicht die expressionistische Formensprache einer mehr grafischen der klassischen Moderne – die Stilistik und ihre Figuren erinnern dabei entfernt an Picasso und auch die Sujets werden in eine Symbolik eingebettet, die als klassisch bezeichnet werden kann. Kamudzengerere, passionierter Schachspieler, greift dabei häufig Motive der Schachfiguren und des Schachbretts auf – das Leben als Spiel von Manipulationen, aber auch als Kampf. In seiner ersten Einzelausstellung „The Fifth Column“ 2004 in der National Gallery of Zimbabwe – der Titel ein klarer Verweis für das subversive Selbstverständnis des Künstlers – zeigte er die Arbeit „Queen takes Bishop“ (Bischof ist die englische Bezeichnung für den Läufer). Hier ist die Königin eine Prostituierte: Sex schlägt Religion als Stellvertreter einer Moral, ob diese unzeitgemäß oder zu schwach ist, wie der sich abwendende alte Mann, der sie verkörpert, bleibt offen. Die Sieger im Duell, verkörpert durch Frau wie den Mann in selbstbewusster Haltung, sind in Wirklichkeit die Opfer.

Cosmas Shiridzinomwa

Cosmas Shiridzinomwa bei der Eröffnung der Ausstellung „Colour Africa 2011“ in München
Cosmas Shiridzinomwa bei der Eröffnung der Ausstellung „Colour Africa 2011“ in München

Cosmas Shiridzinomwa, 1973 in Harare geboren, ist durch zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen national und international bekannt, und war im Sommer diesen Jahres mit einem Arbeitsstipendium zu Gast in München, Partnerstadt von Harare. Seine Bilder dokumentieren gleichsam die Folgen der politischen Gewalt und evozieren diese anhand der dargestellten Spuren und Beweismittel.

Seine ersten Sujets zeigten bereits das Interesse an sozialkritischen Themen: Polizisten mit vollen Einkaufstaschen, die sich mit Prostituierten unterhalten, Situationen, die er aus eigener Anschauung kannte: Er selbst wurde Opfer der von Mugabe befohlenen Zerstörung von Wohnvierteln der Armen und malte die Ruinen und die Armut der Opfer in Bildern wie „After the Storm“ und „Remnants“, die er 2006 in seiner Einzelausstellung „Cosmos’ World“ zeigte. Neben dieser „Stadtansichten“ stellen immer häufiger Innenräume den Schauplatz seiner Malerei dar. Hinterzimmer und Schränke aus einer an Beckmann und van Gogh erinnernden Perspektive, nur erhellt vom künstlichen Licht, das wie ein Scheinwerfer das erfasst, was im Dunkeln bleiben soll.

 Cosmas Shiridzinomwa, „The Deep Analysis”, 2010, Öl, auf Leinwand, 157 x 225 cm
Cosmas Shiridzinomwa, „The Deep Analysis”, 2010, Öl, auf Leinwand, 157 x 225 cm

In dem Bild „Lest we forget“ von 2010 harren Beweise und Zeugnisse – nicht nur der Opfer, sondern auch der Täter direkt nebeneinander ihrer Entdeckung: Schädel neben Masken, eisenbeschlagene Stiefel neben Büchern – die Zeichen und Mittel der Unterdrückung neben denen der Kultur und der Aufklärung. Eine Jacke, in Afrika ein Symbol der Macht, aus roten, gelben und grünen Flicken – den Farben der zimbabwesischen Nationalflagge – hängt wie ein zerfledderter Leichnam stellvertretend für das geschundene Volk, die dunkle Jacke dahinter wie eine Verdopplung mit bedrohlichem Charakter – so findet in diesem Raum jedes Objekt seinen Doppelgänger. Grinsende Masken neben Totenschädeln, Licht neben Dunkelheit: Opfer und Täter bleiben über den Tod hinaus verbunden. Durch die Perspektive aus dem Dunkel heraus in das hell erleuchtete Zimmer wird der Betrachter selbst Teil der Täter/Opfer-Beziehung, als wollte Shiridzinomwa damit zeigen, dass niemand außerhalb stehen kann, sondern in irgendeiner Beziehung zu dieser Situation stehen muss.

Cosmas Shiridzinomwa, „Lest we forget“, 2010, Öl auf Leinwand, 136 x 167 cm
Cosmas Shiridzinomwa, „Lest we forget“, 2010, Öl auf Leinwand, 136 x 167 cm

In dem großformatigen Bild „The Deep Analysis” werden die Zeugnisse im Licht geprüft, rücken die Überlebenden stärker in den Mittelpunkt: Wie Beamte öffnen sie alle Schachteln und untersuchen die Relikte, die hier noch stärker den Charakter von Beweismitteln haben; dass es sich um Beweise für die Verbrechen der Regierung und ihrer Handlanger handelt, ist offensichtlich. Die Totenschädel dienen hier als Projektionsfläche für jede Art von Todesursache – ob Gewalt oder Krankheit.

Shiridzinomwa meinte in einem Gespräch während seines Aufenthalts in München, dass das Vergessen der Greueltaten auch etwas Gutes habe, denn die Erinnerung an die Gewalt mache das Leben schwer und das Vergessen sei auch eine Voraussetzung zur Versöhnung.

Abbildungen Huggins/Nolte und C. Shiridzinomwa mit freundlicher Genehmigung von Mila Pavan, alle weiteren Abbildungen Courtesy Gallery Delta Foundation. www.gallerydelta.com, kulturallmende.org.

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