Siegfried
Schwarze, Gröbenzell
Auf
dem Weg zur Heilung
Als erstes wurde zwischen den verschiedenen Arten der Heilung differenziert und zwar zwischen vollständiger Heilung („sterilizing cure“), funktioneller Heilung (Kontrolle des Virus durch das Immunsystem) sowie Reduktion/Eliminierung der verbleibenden Viruslast und Reduktion/Eliminierung der Virusreservoirs in bestimmten Kompartimenten.
Latenz durchbrechen
Ein bereits seit längerem diskutierter Ansatz ist die Aktivierung der HIV-Expression in latent infizierten Zellen. Mögliche Mechanismen sind hier die Lockerung des Chromatins durch HDAC-Inhibitoren, die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren durch NF-ƘB und die Aktivierung der HIV-mRNA-Elongation durch PTEF-b. Ein weiterer denkbarer Mechanismus zur Eliminierung von HIV führt über den „Toll-like-Receptor 7“ (TLR7). Dieser Rezeptor bindet einzelsträngige RNA und löst die Bildung von Typ 1-Interferonen (IFNa/b) aus.
Zinkfingernukleasen
Sequenzspezifische Zinkfingernukleasen schalten gezielt das Gen für den CCR5-Rezeptor aus, um die CD4-Zellen immun gegen eine HIV-Infektion zu machen. Erste Ergebnisse an HIV-Infizierten mit Zinkfingernukleasen wurden ja bereits auf früheren Kongressen präsentiert. Besonders gut scheint das Verfahren bei einem Patienten gewirkt zu haben, der von Natur aus heterozygot für die Δ32-Mutation war, der also nur ein funktionales CCR5-Gen pro Zelle hat. Deshalb sollen die nächsten Studien auch bevorzugt mit solchen Patienten durchgeführt werden.
Stammzellforschung
Auch auf dem Gebiet der Stammzellforschung ist man aktiv. Eine Stammzelltransplantation hat ja beim „Berliner Patienten“ zum Erfolg geführt und die „Heilung“ erst wieder auf die Agenda der wissenschaftlichen Community zurück gebracht. Bis dato ist aber nicht klar, welche Faktoren zur Heilung beigetragen haben. So gehen einige Experten davon aus, dass die Abstoßungsreaktion (Graft-vs.-Host-Reaction), die den Patienten fast das Leben gekostet hätte, einen entscheidenden Beitrag zur Heilung geleistet hat – zusätzlich zur Bestrahlung und intensiven Chemotherapie. Bis heute gibt es keinen zweiten „Berliner Patienten“, was vor allem daran liegt, dass die Kombination aus passenden Gewebemerkmalen und CCR5-Mutation vergleichsweise selten ist. Deshalb gibt es jetzt Anstrengungen, die erforderliche CCR5-Mutation mit gentechnischen Maßnahmen (Zinkfingernukleasen oder siRNA) künstlich in Spenderknochenmarkszellen herbeizuführen. Eine weitere Möglichkeit an Stammzellen zu gelangen, ist das Nabelschnurblut von Neugeborenen, weshalb es Bestrebungen gibt, eine Blutbank aus Nabelschnurblut von Neugeborenen mit CCR5-Mutation anzulegen. Insgesamt steckt die Stammzelltherapie noch in den Kinderschuhen. Bei Patienten, bei denen nicht aus medizinischen Gründen (meist ein Lymphom) eine Stammzelltherapie erforderlich ist, sind die Risiken derzeit zu hoch. Erst wenn es gelänge, Verfahren zu entwickeln, die Bestrahlung und Chemotherapie zur Beseitigung der infizierten Reservoirs überflüssig machen, hätte diese Methode eine Chance auf breitere Anwendung.
Neue Ansätze
In einem weiteren Ansatz versucht man, CD8-Killerzellen auf HIV zu hetzen, indem der T-Zellrezeptor gentechnologisch so manipuliert wird, dass die Zellen HIV besonders gut erkennen. Klinische Studien einschließlich 16-wöchiger analytischer Therapiepausen und Rektumbiopsien sind geplant. Schließlich wurde auch erneut das Interesse an der seit langem bekannten antiviralen Aktivität gegen HIV von Interferon a neu geweckt. So konnte in einer ersten Studie bei Patienten, die zunächst mit herkömmlicher ART unter der Nachweisgrenze waren, mit einer Monotherapie aus pegyliertem IFNa die Viruslast bei 45% unter 400 Kopien/ml gehalten werden. Gleichzeitig verringerte sich die Zahl der integrierten HIV-Genome in zirkulierenden CD4-Zellen. Interessanterweise zeigte sich diese Wirkung auch bei einer Gruppe von Patienten, die nur die Hälfte der üblichen Dosis (90 statt 180 µg/Woche IFNα) erhalten hatte – bei deutlich besserer Verträglichkeit.