XII.
Fachtagung in Schlangenbad
HIV und Schwangerschaft: Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Erfolgsrezept
Hans-Reinhard Brodt, Leiter der Infektiologie am Frankfurter Klinikum, eröffnet die Tagung in Schlangenbad
Gleich zwei aktualisierte Leitlinien wurden in Schlangenbad vorgestellt: Die Guidelines zur Diagnostik und Behandlung HIV-betroffener Paare mit Kinderwunsch und die Leitlinie zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und Prophylaxe beim exponierten Neugeborenen. In beiden Leitlinien spiegelt sich eine weitere Normalisierung beim Thema Kinderwunsch und Schwangerschaft mit HIV wider. So ist die natürliche Geburt für HIV-positive Schwangere inzwischen eine gleichwertige Option neben dem geplanten Kaiserschnitt, wenn die mütterliche Viruslast bis zur Geburt des Kindes erfolgreich unter die Nachweisgrenze gesenkt werden kann. Immer mehr geburtshilfliche Schwerpunktkliniken in Deutschland tragen dieser Entwicklung Rechnung und bieten inzwischen die vaginale Entbindung auch für Frauen mit HIV an.
HIV-Therapie und Frühgeburtlichkeit: Weiter offene Fragen
Kritisch diskutiert wurde in Schlangenbad das Thema HIV-Therapie und Frühgeburtlichkeit. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, beispielsweise aus der Schweizer Mutter-Kind-Kohorte, die zeigen, dass die Rate von Frühgeburten bei HIV-positiven Schwangeren unter antiretroviraler Therapie deutlich höher liegt als in der Allgemeinbevölkerung. Besonders PI-basierte Kombinationstherapien werden mit einem erhöhten Frühgeburtlichkeitsrisiko assoziiert. Unabhängig vom Therapieregime erwarten Geburtshelfer in HIV-Schwerpunktzentren allerdings zukünftig parallel zur Zunahme der Spontangeburten eine Abnahme der Frühgeburtlichkeit bei HIV-positiven Schwangeren. Oft sei in der Vergangenheit der ohnehin geplante Kaiserschnitt aus unterschiedlichen Gründen bereits vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche durchgeführt worden. Die Zahl dieser Fälle nimmt jetzt insgesamt ab. Eine abschließende Bewertung der Frühgeburtlichkeit unter antiretroviraler Therapie lässt sich aktuell noch nicht vornehmen, aber es besteht Konsens, dass der positive Effekt der antiretroviralen Medikamente, nämlich die Vermeidung der HIV-Transmission auf das Kind, die möglichen Risiken einer Frühgeburtlichkeit eindeutig überwiegt.
PI-Monotherapie für Schwangere? Studie untersucht neue Strategie
Zufrieden mit dem Tagungsverlauf: Annette Haberl, wissenschaftliche Leitung
Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren auch in Schlangenbad die Frage diskutiert, ob eine NUC-freie Transmissionsprophylaxe vor dem Hintergrund möglicher Toxizitäten beim Kind eine Alternative zu den klassischen Therapieregimen sein könnte. Die französische Studie PRIMEVA/ANRS 135 untersucht jetzt den Einsatz von Lopinavir/Ritonavir als PI-Mono-Prophylaxe bei HIV-positiven Schwangeren. Einschlusskriterium war eine HI-Viruslast </= 30.000 Kopien/ml und eine CD4-Zellzahl >/= 350/µl. Primärer Endpunkt war die Effektivität nach acht Wochen Transmissionsprophylaxe, die gemäß der französischen Leitlinien in der 26. Schwangerschaftswoche begonnen wurde. Mindestens 75% der Schwangeren sollten in der 34. Schwangerschaftswoche eine Viruslast unter 200 Kopien/ml erreicht haben. Dieses Ziel konnte mit der PI-Monotherapie erreicht werden. Sekundärer Endpunkt der PRIMEVA-Studie ist der Vergleich der PI-Monotherapie mit einer Kombinationstherapie aus Lopinavir/Ritonavir plus AZT/3TC hinsichtlich der Rate der vertikalen Transmission und der Verträglichkeit der ART für Mutter und Kind. Diese mit Spannung erwarteten Ergebnisse stehen zur Zeit noch aus.
Einfach und effektiv: Datenerfassung im HIV-Schwangerschaftsregister
Um offene Fragen zur Schwangerschaft mit HIV und dem Outcome der exponierten Kinder zukünftig besser beantworten zu können, braucht man nationale und internationale Register, die Daten standardisiert erfassen und regelmäßige Auswertungen liefern. In Schlangenbad konnte jetzt das Deutsche HIV-Schwangerschaftsregister mit der finalen Version der elektronischen Erfassungsbögen an den Start gehen. Das Register wird von der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) getragen. Wissenschaftlich betreut wird es interdisziplinär von Jennifer Neubert (DAIG-Sektion Pädiatrische Arbeitsgemeinschaft AIDS), Katharina Weizsäcker (DAIG-Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe) und Annette Haberl (DAIG-Vorstand).
Bislang haben sich bereits rund 50 Zent-ren für eine Teilnahme am Schwangerschaftsregister registriert. Weitere Anmeldungen sind jederzeit unter schwangerschaftsregister@daignet.de möglich.
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Jung und positiv: Adoleszente mit HIV
Für junge Erwachsene, die seit ihrer Geburt HIV-positiv
sind, stellt sich heute der Übergang von der Pädiatrie in die
Erwachsenenmedizin
besonders schwierig dar. Abhilfe soll hier ein Pilotprojekt am Frankfurter
Universitätsklinikum schaffen. Ab März 2012 werden die jungen Patienten dort im
Rahmen einer Spezialsprechstunde interdisziplinär betreut. Gemeinsam mit den
HIV-Behandlern starten auch die Hämato-Onkologen des Frankfurter Klinikums ein
spezielles Angebot für ihre Adoleszenten. Das Gesamtprojekt steht unter der
Schirmherrschaft der Deutschen AIDS-Gesellschaft und ihrer Sektion PAAD.
Die Fachtagung HIV und Schwangerschaft steht unter der Schirmherrschaft von DAIG, DAIG-Sektion AAWS, der DAGNÄ und dem Kompetenznetz HIV/AIDS. Unterstützt wird die Veranstaltung durch die Firmen Abbott, Boehringer Ingelheim und Gilead.
Die nächste Fachtagung HIV und Schwangerschaft findet am 26. und 27. Januar 2013 statt.
Weitere Informationen zur Veranstaltung: E-Mail: annette.haberl@hivcenter.de