Neue Initiative zur Sicherstellung der Versorgung Opiatabhängiger durch Substitutionstherapie
Substitutionsbehandlung – Eine Erfolgsgeschichte mit ungewisser Zukunft
In Deutschland wurde die Substitutionsbehandlung für Opiatabhängiger anders als in anderen europäischen Ländern erst nach jahrelanger Verzögerung zum Beginn der 1990ger Jahre eingeführt. Noch bis zum Jahr 2002 erfolgte die Behandlung mit drastischen Indikationseinschränkungen gegen viele Widerstände. Trotzdem hat sich die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger heute zu einer erfolgreichen Therapieform entwickelt, die von aktuell 75.400 Patienten (Bundesopiumstelle, Januar 2013) in Anspruch genommen wird. Hiermit nimmt Deutschland einen vorderen Rang in Europa ein.
Die Erfolge dieser effektiven und evidenzbasierten Therapieform der Opiatabhängigkeit sind eindeutig und unstrittig:
- die Reduktion des MortalitätsrisikosStudien zeigen, dass ohne Substitution oder nach Abbruch einer Substitution 2- bis 3-mal häufiger Todesfälle auftreten als während der Substitution (Degenhardt et al. 2011).
- die Senkung der Morbiditätsraten
Hierbei kommt der kontinuierlichen Verringerung der HIV-Infektionen bei iv Drogenkonsumenten eine besondere Bedeutung zu. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts hat sich der Anteil der iv Drogenkonsumenten an der Gesamtzahl der HIV-Neuinfektionen im Jahr 2011 auf 3,2 Prozent vermindert. Dieser Wert hatte bis zum Jahr 2000 noch bei 10,1% (RKI 2011) gelegen.
- hohe Haltequoten und lange Haltedauer
- die Verringerung von kriminellem Verhalten
- die soziale Stabilisierung im Sinne von gesellschaftlicher Teilhabe und Wiederaufnahme von Beschäftigung.
Darüber hinaus kann die Substitutionsbehandlung die Grundlage für eine gänzliche Opiatfreiheit schaffen.
Versorgungsengpass droht – insbesondere auf dem Lande
Trotz der beschriebenen und unstrittigen Erfolge der Substitutionsbehandlung, sehen wir uns in Deutschland zusehends mit Problemen und Versorgungsengpässen konfrontiert. Insbesondere im kleinstädtischen und ländlichen Bereich ist bereits heute die medizinische Versorgung von Opiatkonsumenten nicht mehr sichergestellt.
Während sich die Zahl der Patienten in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat, ist die Anzahl der Ärzte in diesem Zeitraum auf dem gleichen Niveau geblieben. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Patienten pro Arzt stetig steigt. Die negative Berichterstattung und rigide gesetzliche und kassenrechtliche Rahmenbedingungen tragen dazu bei, dass sich kaum Mediziner von diesem Indikationsgebiet angesprochen fühlen.
Die Tatsache, dass etwa 20% (542 von 2.731) der aktuell substituierenden Ärzte von der Konsiliarregelung Gebrauch machen, also die Behandlung Opiatabhängiger ohne eine suchtmedizinische Qualifikation durchführen, kann nicht zufriedenstellen.
Mit dem Wissen, dass in den nächsten Jahren viele aktuell substituierende Ärzte aufgrund ihres Alters in den Ruhestand gehen werden, sind strategische Maßnahmen umso dringender erforderlich.
Kritische Passivität verlassen – Die Initiative Substitutionstherapie
Genau an dieser Stelle will die Initiative Substitutionstherapie ansetzen und für diese effektive evidenzbasierte Therapieform werben. Ziel der kampagnenartig angelegten Initiative ist es, mittels Informationsvermittlung und Lobbyarbeit Ärztinnen und Ärzte für die Substitutionstherapie von behandlungsbedürftigen opiatabhängigen, chronisch kranken Menschen zu gewinnen.
Darüber hinaus gilt es in einem nächsten Schritt, Vorbehalte und Vorurteile gegenüber diesem Indikationsgebiet sowohl in der Fachöffentlichkeit als auch in der allgemeinen Öffentlichkeit zu reduzieren:
Kernelemente der Kampagne sind:
- Eine neue Webseite www.bitte-substituieren-sie.de, auf der alle Informationen zur Substitutionstherapie zusammengefasst werden,
- die Schaltung von Anzeigen in medizinischen Fachzeitschriften,
- die Kontaktaufnahme zu niedergelassenen Haus- und Fachärzten sowie HIV-Schwerpunktpraxen per Briefmailing
- der Aufbau eines Mentoren-Netzwerks zur Unterstützung von neuen Substitutionsmedizinern.
Ein breites Bündnis für die Sicherstellung der Versorgung Opiatabhängiger
Die besondere Stärke der Initiative liegt darin begründet, dass es erstmals gelungen ist, für die Behandlung opiatabhängiger Menschen ein breites Bündnis an Unterstützern aus der Politik, den Fachverbänden der Drogen- und Aidsarbeit, der Bundesärztekammer, medizinischen Fachgesellschaften, der Wissenschaft, von Patientenorganisationen und Partnern der Industrie zu gewinnen. So wird die Initiative durch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, sowie von Gesundheitspolitikern aller Bundestagsfraktionen unterstützt.
Im Vorfeld des Starts der Initiative wurden von den Initiatoren – Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin, Deutsche AIDS-Hilfe und akzept – viele Gespräche mit Entscheidungsträgern aus fast allen gesellschaftlichen Bereichen geführt. Die Darstellung von Hintergrund, Ziel und Zweck der Initiative wurde ohne Ausnahme positiv bewertet. Diese Art der Lobbyarbeit trug dazu bei, die Substitutionsbehandlung authentisch abzubilden.
Mit dem Launch der neuen Webseite www.bitte-substituieren-sie.de, sowie der Realisierung der ersten Kampagnentools wurden die Grundlagen für den offiziellen Start der Initiative im Mai 2013 fertiggestellt. Das Mentoren-Netzwerk, bestehend aus erfahrenen Suchtmedizinern, Psychologen und Wissenschaftlern, deckt bereits jetzt weite Teile der Republik ab.
Die nun bevorstehende Schaltung von Anzeigen sowie die Vorstellung von Kampagnenzielen und Kampagneninhalten in medizinischen Fachzeitschriften wie z.B. in HIV&more sowie die Versendung von Kampagnenmaterialien wird maßgeblich dazu beitragen, Hausärzte und Ärzte anderer Fachrichtungen über die Substitutionsbehandlung zu informieren und sie für die Behandlung Opiatabhängiger zu gewinnen.
Ein erstes positives Fazit
Eine umfassende Bewertung unserer Initiative wird sicher erst im nächsten Jahr möglich sein. Allerdings kann bereits jetzt ein erstes positives Fazit gezogen werden. Durch die Initiative Substitutionstherapie wurde der Pfad der kritischen Passivität verlassen. Die Kampagne bedeutet Aktivität und wird mit der Darstellung der gesundheitlichen, sozialen und gesellschaftlichen Effekte, die die Substitutionsbehandlung generiert, dazu beitragen, Meinung und Haltung in der Fachöffentlichkeit zu verändern. Die überwältigende Zustimmung zur aktiven Mitwirkung an dieser Initiative ist Indiz dafür, dass sie als erforderlich und erfolgversprechend bewertet wird.