STI & AIDS World Congress 2013
Wien, Österreich 14.-17. Juli 2013
Neue Trends bei STI
Der STI & AIDS World Congress wurde zum vierten Mal als gemeinsame Tagung der International Society for Sexually Transmitted Diseases Research (ISSTDR) und der International Union against Sexually Transmitted Infections (IUSTI) organisiert. Weltweit ist dies die größte Veranstaltung, die sich sowohl mit der Problematik „sexuell übertragbare Infektionen“ (STI) als auch mit „Aids“ befasst. Dabei widmet sich die ISSTDR eher der Basisforschung und möchte bei den alle zwei Jahre stattfindenden Kongressen die aktuellsten Forschungsergebnisse vermitteln. Die IUSTI als globale Gesellschaft sieht ihren Aufgabenbereich insbesondere in der Erstellung von Leitlinien für ein besseres Management und die Verhütung von STI und konzentriert sich auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten der fünf internationalen Regionen. Verschiedene regionale IUSTI Aktivitäten wie Kongresse und Workshops sollen Ärzte durch praxisrelevante Unterlagen und Empfehlungen unterstützen.
Dieses Jahr trafen sich etwa 1.500 Teilnehmer aus mehr als 100 Ländern in Wien, um ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren und Erfahrungen auszutauschen. Die Zahl der Teilnehmer überstieg damit alle bisherigen Kongresse. Im Rahmen der 13 Plenardiskussionen und 16 Symposien wurden verschiedene Themen durch internationale Referenten diskutiert. Über 1.300 Abstracts wurden eingereicht, die als Vorträge oder Posters präsentiert wurden.
HPV und Neoplasie
Neue Erkenntnisse zum Zusammenhang von bestimmten HPV-Typen und analen intraepithelialen Neoplasien (AIN) wurden in der Session O.05 „Molecular analysis of STI pathogens and their enviroments“ vorgestellt. Die Vorbeugung und Behandlung der AIN ist zurzeit vor allem bei HIV+ Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), Gegenstand der Diskussion. Das Wissen über die kausalen HPV-Typen ist entscheidend für das Verstehen der AIN-Entstehung und der Planung von Impfstudien. Bislang sind die Daten über AIN-spezifische HPV-Typen immer noch begrenzt und in Gesamt-Gewebeschnitten (WTS) finden sich oft multiple HPV-Infektionen. Deshalb wurde am DDL Diagnostic Laboratory im holländischen Rijswijk versucht, in WTS durch Laser-Capture-Mikrodissektion (LCM) und HPV-PCR-Genotypisierung die typ-spezifische HPV-DNA in einzelnen Bereichen der hochgradigen (HG) AIN genau zu identifizieren. Dazu wurden insgesamt 31 WTS mit HGAIN von 21 HIV+ MSM mittels SPF10 PCR/LiPA25 (Version 1) HPV-Genotypisierung-System analysiert. Im Falle einer Infektion mit multiplen HPV-Typen wurde die PCR in den mittels LCM ausgewählten Bereichen der AIN wiederholt.
In 17 von 31 (55%) WTS konnte ein einziger HPV-Typ nachgewiesen werden. In den verbleibenden 14 WTS mit multiplen HPV-Typen wurde die PCR wiederholt, und zwar in den durch die LCM isolierten dysplastischen Bereichen (Median: 4 pro WTS). In 12 von 14 dieser Proben konnte in diskreten Bereichen einer Läsion die Anzahl der beteiligten HPV-Typen auf einen einzelnen HPV-Typ reduziert werden, was mit insgesamt 29 (17+12) HGAIN resultierte, in denen ein einziger HPV-Typ präsent war. Der HPV16 wurde in 14/29 (48%), der HPV18 in 3 und der HPV58 in 3 Proben identifiziert. Die übrigen mit einem läsionalen Bereich assoziierten HPV-Typen waren HPV26, HPV31, HPV35, HPV39, HPV52, HPV53, HPV54, HPV59, HPV67, HPV68/73, HPV74, HPV91 sowie ein unbestimmter HPV-Typ. In den vorgestellten Arbeiten erwiesen sich die WTS-PCR und eine anschließende PCR-LCM als präzise Methoden zur Bestimmung von Läsion-spezifischen HPV-Typen in AIN.
Fazit: Man könnte annehmen, dass 94% der AIN-Läsionen (auf der makroskopischen oder mikroskopischen Ebene) durch einen einzelnen HPV-Typ verursacht werden. Neben dem prädominanten Typ HPV16 waren aber auch andere HPV-Typen an der Entstehung von HGAIN beteiligt, was eine enorme Bedeutung für die Entwicklung von Impfstoffen hat.
PCR-Monitoring bei Lues
In einem weiteren Vortrag im Rahmen derselben Session präsentierte C. Tipple vom Imperial College London die Möglichkeiten des Monitorings der Syphilis-Therapie mittels quantitativer PCR (qPCR). Bei der humoralen Reaktion auf Treponema pallidum unterscheidet man zwei Arten der Antikörper: die „nicht-spezifischen“ anti-Lipid- und die spezifischen Anti-Treponema-Protein-Antikörper. Eine vierfache Reduktion in den anti-Lipid-Antikörper – die im Einzelfall mehr als sechs Monate dauern kann – wird normalerweise als Heilung interpretiert. Mit der qPCR könnte eine Heilung rascher nachweisbar sein.
Unter der Annahme, dass eine Bakteriämie nach der Infektion (vor allem in der frühen Phase) üblicherweise vorkommt, wurde eine Pilot-Studie zum Monitoring der Behandlung mittels Quantifizierung der Bakterienlast in Blut- und in Ulkus-Proben gestartet. Dazu entnahm man Patienten mit einer symptomatischen primären oder sekundären Erkrankung eine Basis-Probe sowie nach der Behandlung mit 2,4 Mio Einheiten von Benzathin-Benzylpenicillin alle vier Stunden Blut- und Ulcus-Proben. Diese wurden quantitativ auf tpp047-Gen und 16S-rRNA untersucht. Die Probenentnahme endete, wenn zwei aufeinander folgende PCRs negativ waren. Zusätzlich wurde eine Standard-Serologie durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die mittlere Halbwertszeit der Clearance von tpp047 im Blut bei t½=7,89h und bei 16SrRNA bei t½=5,24h liegt. In den Ulkus-Proben waren es t½=1,67h für tpp047 und t½=3,76h für 16SrRNA. Nach 56 Stunden waren die Nukleinsäuren von Treponema pallidum in keiner Probe mehr nachweisbar. Serologisch waren alle Patienten nach einem Monat per definitionem gesund.
Fazit: Die qPCR könnte somit eine neue und schnelle Art des Monitorings bei früher Syphilis sowie als früher Nachweis der Wirksamkeit einer Behandlung dienen. Ein weiteres, nicht unwichtiges Ergebnis dieser Untersuchung ist die Erkenntnis, dass Syphilis-Ulcera bereits circa 56 Stunden nach der Behandlung nicht mehr infektiös sind.
Duo-Test für Lues und HIV
Im Rahmen einer weiteren Session (O.15: For lab rats and other mice and men) präsentierte das Team um Dr. E. Bukusi vom Kenya Medical Research Institute in Nairobi die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie mit der University of California in San Francisco zur Effizienz eines dualen Tests für HIV und Syphilis (SD Bio Line Rapid HIV-Syphilis Duo Test). Für diesen Zweck wurden 698 Serumproben von HIV-diskordanten Paaren analysiert, die im Vorfeld mittels eines RPR-Tests auf Syphilis untersucht und anschließend durch einen TPHA-Test bestätigt worden waren. Der HIV-Status wurde mit Uni-Gold™- und Determine™-HIV-Schnelltest-Kits ermittelt und alle positiven Proben wurden anschließend durch zwei HIV-Enzym-Immunoassay Tests bestätigt. Diese Proben wurden dann blind erneut mit dem HIV-Syphilis Duo Kit getestet.
Von 698 Proben erwiesen sich 139 (20%) als positiv in dem RPR-Test und 346 (50%) als HIV-positiv. Von den 139 RPR positiven Proben erwiesen sich 85 (61%) auch in dem TPHA-Test als positiv. Keine der 559 RPR negativen Proben waren Syphilis-positiv im HIV-Syphilis Duo Test. Von den 85 RPR-positiv/TPHA-positiv Proben reagierte keine negativ auf Syphilis in dem HIV-Syphilis Duo Kit. Alle RPR-positiv/TPHA-negativ getesteten Proben reagierten negativ auf Syphilis im HIV-Syphilis Duo Kit. Die Sensitivität und die Spezifität waren für Syphilis in beiden Fällen 100%. Für HIV betrug die Sensitivität 99,71% und die Spezifität 100%. Bei dem gleichen Proben-Set lag die Sensitivität von Uni-Gold™ bei 96,82% und von Determine™ bei 98,27%. Die Spezifität von Uni-Gold™ betrug 93,75% und von Determine™ 99,43%. Zusätzlich konnten mittels HIV-Syphilis Duo Kit fünf frühe HIV-Infektionen detektiert werden, die durch das Bestimmen mittels Uni-Gold™ und Determine™ verpasst wären, und zwar mindestens einen Monat vor dem Serokonversion-Besuch.
Fazit: Der HIV-Syphilis DUO Test schnitt im Vergleich zu RPR-Syphilis-Test und Determine™-HIV-Test besser ab. Der Test zeigte sich gleichwertig zum TPHA-Syphilis- und Uni-Gold™-HIV-Test.
Immunrekonstitution
Das Team um R. Musonda vom Botswana-Harvard AIDS Institute Partnership in Gaborone beschäftigt sich mit der Identifizierung von Biomarkern, die im Zusammenhang mit einer suboptimalen CD4 T-Zellen Rekonstitution stehen könnten. Eine solche suboptimale Rekonstitution findet sich bei 15-30% der behandelten HIV-Patienten. In einer retrospektiven Studie analysierten sie die Rekonstitution von CD4 T-Zellen anhand der Daten einer abgeschlossenen (2002-2007) klinischen Studie. Die suboptimale CD4-Reaktion wurde definiert als eine CD4-Zellzahl ≤200/µl 12 Monate nach Einleitung der ART, wenn die Virussuppression innerhalb von sechs Monaten erreicht wurde. Bei 51 von insgesamt 249 Patienten (21%) wurde eine suboptimale Rekonstitution der CD4-Zellen festgestellt. Das Durchschnitts-alter betrug 33 Jahre und 70% der Patienten waren Frauen. Hämoglobin und Aspartat-Aminotransferase waren mit einer suboptimalen CD4-Rekonstitution assoziiert.
Fazit: Die sCD14-Spiegel bei Patienten mit suboptimaler Rekonstitution und Kontrollen waren im zwölften Monat signifikant unterschiedlich. Dagegen waren Tuberkulose-Infektion bei Baselinie, Body-Mass-Index, Gamma-Inter-ferone, Alanin-Aminotransferase und das Alter keine Prädiktoren einer schlechten CD4 T-Zellantwort.
Resistenzen bei STI
Im Symposium S.09 (Molecular mechanisms of antimicrobial resistence) ging es um aktuelle Trends in der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen (AMR) bei STI. Die Daten auf der globalen Ebene sind, vor allem bei der Gonorrhoe, mehr als alarmierend. Ein AMR-Monitoring, das idealerweise schnell, einfach, kostengünstig, gut zugänglich und reproduzierbar ist und klinisch bedeutsame Informationen für die Behandlungsstrategien liefert, ist wünschenswert. Molekulare Methoden haben das Potential, das AMR-Monitoring zu verbessern, insbesondere für diejenigen Organismen, die nicht einfach phänotypisch charakterisiert werden können. Dieses ist bei den meisten sexuell übertragbaren Krankheiten der Fall. Die Herausforderungen für das molekulare Monitoring sind jedoch vielfältig und umfassen Faktoren wie multiple, häufig bislang unbekannte Mechanismen der Resistenz. Solche Mechanismen können neue Mutationen häufig auslassen. Die Technik zur Identifizierung kann teuer sein oder benötigt spezialisierte Labore und geschultes Personal. Zudem kann Spezifität solcher Techniken sich als schlecht erweisen, wenn die ausgesuchte Zielsequenz bei verschiedenen Arten präsent ist.
Fazit: Die Überwachung und Identifizierung von Resistenzen durch molekulare Methoden ist nicht einfach. Dennoch werden solche Methoden immer weiter entwickelt und finden nun ihren Weg in der Praxis.
HIV-Tests
In Kanada wurden unter am Institut national de santé publique du Québec drei neue HIV Ag/Ab Combo Assays der vierten Generation evaluiert. Derzeit nutzen 24 von 39 Labors in Quebec das AxSYM HIV Ag/Ab Combo Kit für HIV-Screening. Dieses Kit wird in Kanada im Dezember 2013 durch drei neue HIV-Screening-Assays der vierten Generation ersetzt werden (Architect, Roche Elecsys HIV Combi und ADVIA CENTAUR). Die Leistung dieser neuen Kits wurde in sechs klinischen Zentren in Quebec an insgesamt 150 Proben von Patienten mit einer dokumentierten akuten Infektion untersucht und zwar ein Panel von 25 SeraCare HIV-1 Proben, 3 Qualitätskontrollen (HIV-1.2 Ab POS, p24Ag POS, HIV-1.2 NEG) und 5.577 Seren von den Patienten der Routinediagnostik).
Fazit: Die drei neuen HIV Ag/Ab Combos zeigen eine gute Effizienz (Sensitivität, Spezifität und Übereinstimmungskoeffizient) mit einer besseren Segregation der positiven von negativen Ergebnissen als das AxSYM-Kit.
Ob eine cART die Prävalenz der biologisch falsch-positiven (BFP) Ergebnisse der nicht-treponemalen Tests beeinflusst, diskutierte K. G. Ghanem von der Johns Hopkins University, Baltimore, in einem eingeladenen Vortrag. Die Prävalenz der BFP bewegt sich für die nicht-treponemalen Tests bei HIV-infizierten Patienten zwischen 4 und 15%. Ghanem stellte die Hypothese auf, dass eine Fehlfunktion der B-Zellen die Wahrscheinlichkeit von BFP in dieser Population erhöht. Diese Hypothese wurde in einer retrospektiven Studie an 711 HIV-infizierten Patienten aus der Johns Hopkins HIV-Kohorte überprüft. Der BFP Rapid Plasma Reagin (RPR) Test wurde als reaktives RPR- und gleichzeitig als nicht-reaktives FTA-ABS-Ergebnis definiert. 96 Teilnehmer (13,5%) hatten ein BFP Tests-Ergebnis und insgesamt 273 Patienten (48,1%) hatten eine Syphilis. 22 von 96 (23%) hatten anhaltende BFP Tests. Man konnte eine signifikante Reduzierung der BFP RPR Test-Ergebnisse bei Patienten unter cART beobachten, unabhängig von der CD4-Antwort. Ghanem nahm an, dass dies Ergebnis eines Effekts der cART auf die Funktion von B-Zellen sein könnte.
Fazit: Der Einfluss der cART auf die B-Zellen scheint die Rate von falsch positiven BFP-Syphilis Tests zu erhöhen.