4/2014 Editorial
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Schwerpunkt dieses Heftes ist Sexarbeit. Warum? Weil Sexarbeiter/innen zu den „key populations“ in der HIV-Bekämpfung gehören und weil in Deutschland ein neues Prostitutionsgesetz in der Planung ist.
Schützenswerte Opfer?
Sexarbeiter/innen
sind auch in Deutschland eine soziale Randgruppe, die Anfeindungen
ausgesetzt ist. Frauen in der Sexarbeit
galten Jahrhunderte lang
als kriminielle Täterinnen, seit der Frauenbewegung werden sie
jedoch mehr als Opfer gesehen. Männliche Sexarbeiter stehen weniger
im Fadenkreuz der öffentlichen Aufmerksamkeit, doch auch hier gibt
es die bekannten Bilder von Täter und Opfer.
Wie anders und
unterschiedlich sich die Betroffenen selbst sehen, zeigen die vielen
Beiträge der Aktivistengruppen sowie der Beitrag zur
Toursimusprostitution.
Selbstbestimmte Erwerbstätigkeit
Die WHO fordert die Länder dazu auf, Gesetze zu implementieren, die „key populations“ vor Stigma, Diskriminierung und Gewalt schützen und bei der Gesetzgebung die Betroffenen miteinzubeziehen. Wird dieses Ziel durch die diskutierten Änderungen wie Bestrafung von Kunden, Anmeldepflicht, Mindestalter zur Sexarbeit erreicht? Oder wird dadurch nicht vielmehr das Bild vom Opfer und Infektionsherd zementiert? Und wo dürfen die Betroffenen mitreden?
Sexuelle Gesundheit
Dass es Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zuhälterei gibt, steht außer Frage, doch diese sind bereits als Straftat im Gesetz verankert. Ebenso gibt es Sexarbeiter/innen, die ohne Aufenthaltsgenehmigung und ohne Zugang zum Gesundheitssystem auf der Straße arbeiten. Restriktive Gesetze werden dies nicht verhindern. Diese Menschen sind nur durch akzeptierende niedrigschwellige Angebote zu erreichen. Aus der langjährigen Erfahrung im Kampf gegen Stigma und Diskriminierung durch HIV weiß man: Man muss Brücken bauen, um zueinander zu kommen.
Dr. Ramona Pauli