Annette Haberl, Frankfurt
Frauen und PrEP: Der kleine Unterschied

PROUD und IPERGAY haben die Effektivität der Präexpositionsprophylaxe mit Truvada® untermauert und so im letzten Jahr den Ruf nach Zulassung in Europa laut werden lassen. Es bleibt die Frage, ob Frauen in gleichem Maße von der PrEP profitieren werden wie die Gruppe der MSM. In Studien zur oralen PrEP mit Frauenbeteiligung war die Effektivität von Truvada® bei Frauen nicht immer überzeugend.

Sowohl in der Fem-PrEP als auch in der VOICE Studie zeigte sich kein Schutzeffekt der PrEP bei Frauen. Hauptgrund war die schlechte Adhärenz der Studienteilnehmerinnen, die durch geringe bzw. fehlende Wirkspiegel belegt werden konnte. Allerdings ist anzumerken, dass Medikamentenspiegel von Tenofovir (TDF) unter einer oralen PrEP mit Truvada® in pharmakokinetischen Studien deutliche Unterschiede zwischen der Anreicherung im Gewebe des Vaginaltraktes und dem des Rektums gezeigt haben. TDF reichert sich 10-100 mal stärker im Rektum an. Ob diese Ergebnisse klinisch relevant sind, ist derzeit aber noch unklar.

Eine Übersicht über orale PrEP-Studien bei Frauen bzw. mit Frauenbeteiligung gibt Tabelle 1.

Vaginalringe – Eine Alternative zur oralen PrEP?

Effektivität oraler PrEP in Studien mit Frauenanteil
PrEP-Studie Studienpopulation Gesamteffektivität Effektivität bei Frauen
Partners PrEP 4.747 diskordante Paare darunter 1.785 HIV-negative Frauen 75% (55%-87%) für FTC/TDF 67% (44%-81%) für TDF 66% (28%-84%) für FTC/TDF 71% (37%-87%) für TDF
TDF2 662 Männer und 557 Frauen 62% (22%-83%) für TDF/FTC 49% (-22%-81%) für FTC/TDF
Bangkok Teno- fovir Studie 2.413 IVDU darunter 489 Frauen 49% (10%-72%) für TDF 79% (17%-97%) für TDF
Fem-PrEP 2.120 Frauen 6% (-52%-41%) für FTC/TDF 6% (-52%-41%) für FTC/TDF
VOICE 309 Frauen mit oraler PrEP -4% (-49%-27%) für FTC/TDF -49% (-129%-3%) für TDF -4% (-49%-27%) für FTC/TDF -49% (-129%-3%) für TDF

Tab. 1  Effektivität oraler PrEP in Studien mit Frauenanteil – Adaptiert
nach Thomson et al. JIAS 2015

Vor dem Hintergrund der schlechten Ergebnisse aus Fem-PrEP und VOICE und in Anbetracht der Tatsache, dass junge Frauen in den Hochprävalenzländern Afrikas dringend eine selbstbestimmte Form der HIV-Prävention benötigen, wurden Vaginalringe mit einem antiretroviralen Wirkstoff entwickelt. Die Ergebnisse der Studien ASPIRE und THE RING STUDY wurden in diesem Jahr auf der CROI in Boston vorgestellt. Beide Studien untersuchten die Effektivität eines Dapivirin-haltigen Vaginalrings im Vergleich mit einem Placebo-Vaginalring. Der NNRTI Dapivirin wurde von der Firma Janssen entwickelt und dem International Partnership for Microbicides (IPM) überlassen. In der ASPIRE Studie, in die 2.629 HIV-negative Frauen eingeschlossen wurden, zeigte der Vaginalring eine Schutzwirkung von 27%. Die Effektivität korrelierte allerdings stark mit dem Alter der Studienteilnehmerinnen. In der Gruppe der 18-21-Jährigen lag die Effektivität bei -27%, in der Gruppe der 22-26-Jährigen bei 56% und in der Gruppe der 27-45-Jährigen bei 51%. Die Schutzwirkung war abhängig von der Adhärenz der Studienteilnehmerinnen, die durch Bestimmung der Medikamentenspiegel in den gebrauchten Vaginalringen und im Plasma untersucht wurde. Die jüngsten Frauen zeigten dabei die geringsten Wirkstoffspiegel und damit die schlechteste Adhärenz. Gerade diese Frauen sind in den Hochprävalenzländern Afrikas aber die am stärksten betroffene Gruppe bei den HIV-Neuinfektionen.

Vaginalringe
© Foto Annette Haberl

THE RING STUDY wurde wie ASPIRE in mehreren afrikanischen Ländern durchgeführt. 1.959 Frauen nahmen an der Studie teil. Anders als in der ASPIRE, in der die Frauen im Verhältnis 1:1 auf den Dapivirin- bzw. Placebo-Vaginalring randomisiert wurden, fand in der RING Studie eine 2:1 Aufteilung zugunsten des Dapivirin-Vaginalrings statt. Die Schutzwirkung des Dapivirin-Vaginalrings lag hier bei 31%. Eine statistisch signifikante Korrelation mit dem Alter der Studienteilnehmerinnen und dem protektiven Effekt ließ sich hier nicht herstellen.

In Bezug auf Nebenwirkungen zeigte sich in der RING Studie kein signifikanter Unterschied zwischen Verum- und Placebo-Arm. Auch die Rate der NNRTI-Mutationen war annähernd gleich hoch, 18% im Dapivirin-Arm und 16% im Placebo-Arm.

Beide Vaginalringstudien werden im Open-Label-Design als HOPE bzw. DREAM Study weitergeführt. Eine Zulassung für den Dapivirin-Vaginalring als PrEP soll baldmöglichst beantragt werden.

PrEP für Frauen – Wie geht´s weiter?

Vielversprechend sind die Ergebnisse der HPTN 069/A5305 Studie, in der U.S.-amerikanische Frauen mit hohem HIV-Infektionsrisiko entweder Maraviroc bzw. Maraviroc plus TDF oder Maraviroc plus FTC im Vergleich mit Truvada® erhielten. Die Studie, in die 188 Frauen eingeschlossen wurden, ist auf die Untersuchung der Verträglichkeit ausgelegt und nicht gepowert, um die Effektivität der PrEP-Regime zu untersuchen. Trotzdem ist es eine gute Nachricht – auch hinsichtlich der Adhärenz der Studienteilnehmerinnen –, dass es nach 48 Wochen zu keiner HIV-Übertragung gekommen ist.

Eine Long-Acting PrEP ist im Hinblick auf die Bedeutung der Adhärenz der nächste Schritt, der die PrEP auch für Frauen attraktiver machen könnte. Ergebnisse der HPTN 077, die eine PrEP mit Cabotegravir bei Männern und Frauen untersucht, stehen aber noch aus. Es bleibt auch abzuwarten, ob sich Frauen bei der Entscheidung zwischen oraler Prophylaxe und Injektion für letztere entscheiden werden. Bei der Kontrazeption zumindest stehen Long Acting Optionen in den westeuropäischen Ländern bei Frauen nicht an erster Stelle. Ein kritischer Punkt bei injizierbaren lang wirksamen Substanzen ist zudem die ungeplante Schwangerschaft, jedenfalls so lange, bis Sicherheitsdaten zum Einsatz der Medikamente in der Schwangerschaft vorliegen. Anders als beim Kondom müssen Frauen, die eine Schwangerschaft verhüten wollen, unter einer PrEP auf jeden Fall zusätzliche kontrazeptive Maßnahmen ergreifen,

Brauchen Frauen bei uns überhaupt die PrEP?

In allen bisherigen Empfehlungen zum Einsatz der PrEP geht es bei der Indikationsstellung immer um die Einschätzung des aktuellen individuellen Risikos, sich mit HIV anstecken zu können. Das Geschlecht spielt dabei per se keine Rolle. Da aber die Gruppe der MSM bei den HIV-Neuinfektionen in Deutschland zahlenmäßig am größten ist, liegt hier konsequenterweise der Fokus der Diskussionen rund um die Zulassung von Truvada® als PrEP. Es sollte aber allen Akteuren im HIV-Bereich klar sein, dass es durchaus auch bei uns Frauen gibt, die von der PrEP profitieren könnten. Da die Gruppe der Frauen, die in Deutschland mit HIV leben, bekanntermaßen sehr heterogen ist, macht es keinen Sinn, jetzt die PrEP-Kandidatin definieren zu wollen. Es geht vielmehr darum, dass Frauen ihr individuelles Risiko einschätzen können und die mögliche Präventionsoption einer PrEP kennen. Um die Zielgruppe der Frauen mit hohem HIV-Infektionsrisiko zu erreichen, ist es deshalb sinnvoll, bei interdisziplinären Konzepten zur Umsetzung der PrEP auch Frauenärztinnen und Frauenärzte sowie frauenspezifische Beratungsstellen mit einzubeziehen.


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