Interview Mit Armin Schafberger, Berlin
PrEP-Zulassung – und wie geht es weiter?
Die europäische Zulassung der PrEP mit Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) ist am 22. August unter Auflagen erfolgt. Es soll auf nationaler Ebene erst Schulungs- und Informationsmaterialien für Ärzte und Klienten geben. Wir gehen davon aus, dass die Prüfung dieser von GILEAD beim BfArM eingereichten Materialien spätestens Mitte September abgeschlossen ist und die Zulassung in Deutschland gilt. HIV&more befragte Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH).
Herr Schafberger, welche Zielgruppe sollte eine PrEP erhalten?
A. Schafberger: Die PrEP sollte allen Menschen zur Verfügung stehen, die sie brauchen, um HIV-negativ zu bleiben. Die Wirksamkeit ist erwiesen für schwule Männer mit einem besonders hohen HIV-Risiko. Das ist in Deutschland auch die entscheidende Gruppe. Hier dürfen wir nach der Zulassung nicht zögern: Was Infektionen verhindert, muss auch zur Anwendung kommen.
Sollte und kann die PrEP zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden?
A. Schafberger: Die PrEP ist eine medikamentöse Behandlung und muss ärztlich verordnet und begleitet werden. Um die unkontrollierte Anwendung zu mindern, ist es das Einfachste, wenn die Krankenkassen für die Kosten aufkommen. Sollte es mit der Verordnungsfähigkeit nicht klappen, sind andere Modelle gefragt. Alle Beteiligten müssen dann etwas zu einer innovativen Lösung beitragen. Das gilt auch für den Hersteller: Der derzeitige Preis von Truvada ist für die Prävention viel zu hoch – egal wer die Kosten trägt.
Verhandelt die DAH mit dem G-BA, mit Gesundheitspolitikern anderen politischen Gremien und Krankenkassen?
A. Schafberger: Nach unserer Auffassung ist die PrEP mit der Zulassungserweiterung für Truvada zu Lasten der GKV verordnungsfähig – wie auch Ciprofloxacin als Chemoprophylaxe bei Kontaktpersonen von Personen mit Meningokokkeninfektionen eingesetzt werden kann. Aber es gibt hierzu auch andere Rechtsauffassungen. Der G-BA hat nach Arzneimittelrichtlinie mehrere Möglichkeiten, ein Arzneimittel von der Verordnung auszuschließen oder per Therapiehinweis die Indikation zu beschränken. Die DAH ist beim G-BA als Patientenvertreter mit Rederecht dabei, anders als die Ärzteschaft aber ohne Stimmrecht. Da sind also DAIG und dagnä gefragt, sich mit ihren Vertreter_innen abzustimmen.
Und was ist, wenn es nicht klappt?
A. Schafberger: Dann geht es in die nächste Runde. Eine Möglichkeit wäre, die Schutzimpfungsrichtlinie zu verändern, denn bislang wird dort zwar die PEP als Kassenleistung genannt, die PrEP jedoch nicht. Dieser Weg würde wieder über den G-BA führen, das BMG müsste zustimmen. Eine andere Variante könnte sein, dass bestimmte Krankenkassen die PrEP im Paket mit anderen Präventionsmaßnahmen im Rahmen eines Strukturvertrages anbieten – mit Qualitätsanforderungen an die verschreibenden Ärzte und Adhärenz-Anforderungen an die Klienten. Aber jetzt warten wir erstmal ab, was der G-BA sagt.
Wird die DAH die PrEP bewerben?
A. Schafberger: Wir informieren und beraten, damit jeder eine eigenverantwortliche Entscheidung fällen kann. Unsere Angebote werden wir ausbauen. Denn wer von der PrEP profitieren könnte, muss davon erfahren und wissen, wie sie funktioniert – und welche Fehler es zu vermeiden gilt.
Befürchten Sie einen Anstieg der STI-Raten?
A. Schafberger: Die PrEP wird das Kondom als wichtigste Schutzmethode nicht ablösen. Sie kommt in erster Linie für Menschen in Frage, die ohnehin häufig auf Kondome verzichten. Wenn Leute umsteigen, könnte das aber natürlich zu mehr STIs führen. Das zu thematisieren, ist eine Aufgabe der Prävention. Ebenso der Hinweis, dass man sich regelmäßig testen und gegebenenfalls behandeln lassen sollte. Allerdings haben wir schon heute zu wenig niedrigschwellige Test- und Beratungsangebote. Deswegen wird die DAH in den nächsten drei Jahren die Checkpoints ausbauen.
Wie sieht die Zukunft der PrEP aus?
A. Schafberger: In ein paar Jahren werden wir vielfältige Möglichkeiten haben und die Preise werden sinken. Es wird die orale PrEP geben, Depotspritzen, subkutane Implantate, die lokale PrEP in Form von Vaginalringen, Gels, Vaginaltabletten. Und der Patentschutz für Truvada läuft schon nächstes Jahr ab. Die PrEP wird zu einem festen Bestandteil der HIV-Prävention. Was wir jetzt sehen, ist lediglich der Anfang einer Entwicklung.