Das Nationale Referenzzentrum für Retroviren am Max von Pettenkofer-Institut in München

NRZDie Virologie des Max von Pettenkofer-Instituts der LMU München wurde durch das Robert Koch-Institut und das Bundesministerium für Gesundheit mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 zum Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Retroviren berufen.

Leiter des NRZ und Vorstand des Instituts ist Prof. Dr. med. Oliver T. Keppler. Das Münchner Institut tritt die Nachfolge des Instituts für Med. Virologie in Frankfurt an, das dieses NRZ seit 2012 ebenfalls unter der Führung von Prof. Keppler innehatte.

Am Münchner Institut ist eine Vielzahl von Aktivitäten im Bereich der Retrovirologie vereint. Als NRZ für Retroviren ist das Münchner Institut das Deutsche Referenzlabor für die Routine- und Spezial-Diagnostik von Retrovirus-Infektionen. Das aktuelle Leistungsangebot ist auf der Homepage des Instituts einzusehen (http://www.mvp.uni-muenchen.de/diagnostik/leistungsverzeichnis/) und umfasst ein breites diagnostisches Spektrum aus serologischen Antigen- und Antikörper-Nachweisen einschließlich Bestätigungsverfahren für HIV- und HTLV-Infektionen. Der quantitative Nachweis viraler RNA und der relative Anteil proviraler DNA von HIV-1, HIV-2, HTLV-1 und HTLV-2 sind ebenso Bestandteil des diagnostischen Programms wie die Untersuchung viraler Resistenzen oder des Tropismus.

Abb. 1   Das Max von Pettenkofer-Institut für Medizinische Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Virologie an der LMU München
Abb. 1   Das Max von Pettenkofer-Institut für Medizinische Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Virologie an der LMU München
© S. Hartmann

Es sei erwähnt, dass die Virusdiagnostik des Instituts seit dem Jahre 1999 nach DIN EN ISO 15189 akkreditiert ist. Das Institut ist zudem INSTAND-EQAS-Referenzstelle und Sollwert-Labor für molekularbiologische Virusdiagnostik (INSTAND-Ringversuche) in Deutschland.

Neben den Tätigkeiten in der Diagnostik, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätssicherung verfügt das Institut über eine breite Stammsammlung von HIV-Referenzstämmen, die für diagnostische Fragestellungen und Forschungsprojekte genutzt werden kann. Diese umfasst sowohl aus Patientenmaterial isolierte und in Zellkultur expandierte Isolate als auch molekulare Klone von Laborstämmen oder auch direkt aus
Patientenmaterial angelegte Klone. Diese Stammsammlung wird bedarfsgerecht weiterentwickelt und baut auf bestehenden Sammlungen des Instituts für Medizinische Virologie in Frankfurt sowie des Instituts für Klinische und Molekulare Virologie in Erlangen auf. Zusätzlich wird in Kollaboration mit international ausgewiesenen Spezial-Laboratorien derzeit eine Sammlung ausgewählter HTLV-Isolate und proviraler Klone angelegt.

Forschungsschwerpunkte

Abb. 2  Die Mitarbeiter der virologischen Diagnostik und der HIV-Forschung am Nationalen Referenzzentrum für Retroviren, Max von Pettenkofer-Institut der LMU München
Abb. 2  Die Mitarbeiter der virologischen Diagnostik und der HIV-Forschung am Nationalen Referenzzentrum für Retroviren, Max von Pettenkofer-Institut der LMU München
© A. Benz

Diese Aktivitäten des NRZ für Retroviren werden durch grundlagenorientierte, translationale und klinische Forschungsprojekte zu HIV komplementiert. In der Arbeitsgruppe von Prof. Keppler (http://www.mvp.uni-muenchen.de/forschung/virology/research-group-keppler/) wird u.a. seit Jahren die Weiterentwicklung präklinischer Kleintiermodelle der HIV-Infektion verfolgt. Hier ist insbesondere ein transgenes Rattenmodell hervorzuheben, das bereits Beiträge zur Testung antiviraler Wirkstoffe, neuer Impfstoffkandidaten und Pathogenesefaktoren geleistet hat. Weiterhin werden molekulare und immunologische Aspekte der HIV-Pathogenese, insbesondere im Kontext der angeborenen antiviralen Immunität, untersucht. Die Funktion und Regulation von Restriktionsfaktoren, also zellulärer Proteine, die eine ausgeprägte antiretrovirale Aktivität haben können, sind aktuell im Fokus der Forschungsaktivitäten des NRZ für Retroviren. Hierbei sind insbesondere die Restriktionsfaktoren CD317/Tetherin und SAMHD1 zu nennen, deren Funktionen sowohl einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der HIV-Transmission als auch auf die Etablierung des latenten HIV-Reservoirs in ruhenden CD4 T-Zellen in vivo haben könnten. Auch andere humane oder
Pathogen-assoziierte Faktoren, die die Transmission von HIV beeinflussen können, werden derzeit untersucht.

Die Nähe zur international-kompetitiven Grundlagenforschung und der allgemeinen Virologie ist für ein NRZ für Retroviren von großer Bedeutung, um neue Entwicklungen zu erkennen, diese rasch umzusetzen und auch einen Forschungsanspruch zu dokumentieren.

Das leistungsangebot des NRZ für Retroviren umfasst unter anderem:

Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätssicherung

  • Beratung von Ärzten und Gremien des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu Fragen der Diagnostik, Infektionsprävention, Pathogenese und Therapie der HIV- und HTLV-Infektion
  • Interpretation unklarer klinisch-diagnostischer Befunde
  • Koordination von Ringversuchen zur HIV- und HTLV-Spezialdiagnostik
  • Retroviren-Bulletin: Das NRZ für Retroviren veröffentlicht zweimal im Jahr ein Bulletin, das aktuelle und allgemeine Entwicklungen aus dem gesamten Spektrum der Retrovirologie für ein breites (Fach-)  Publikum darstellt. Die Publikation erfolgt mit ca. 1.000 Druckexemplaren pro Ausgabe, über die Instituts-Homepage sowie einen E-Mail-Verteiler
  • Stammsammlung: Abgabe von Referenzstämmen für diagnostische und wissenschaftliche Zwecke
  • Evaluation und Mitentwicklung diagnostischer Testsysteme für HIV

Diagnostik

  • Serologische Diagnostik/Bestätigungsdiagnostik für HIV-1, HIV-2, HTLV-1/2
  • HIV-Resistenz-Diagnostik:
  • quantitative Bestimmung der HIV-RNA und proviralen Viruslast (HIV-1/2)
  • genotypische und (falls erforderlich) phänotypische Resistenztestung (HIV-1/2)
  • Beratung bei Therapieumstellung
  • HIV-1/2 Korezeptor-Tropismus Bestimmung
  • Aufklärung von HIV-Infektionsketten
  • Abklärung möglicher vertikaler Virustransmission (Mutter-Kind)
  • Isolierung von HIV und HTLV
  • Abklärung einer möglichen Krankheitsassoziation mit Retroviren, Produktsicherheit, Risikoabwägungen der Übertragung von Retroviren in der Xenotransplantation mittels SG-PERT Assay.

Klinische und diagnostische Kooperationen

Seit dem ersten Münchner AIDS Fall im Jahr 1983 wurde die klinisch-diagnostische Expertise zur Behandlung der HIV-Infektion in allen seinen Manifestationsformen gemeinsam mit der klinischen Infektiologie und Spezialambulanzen am Klinikum der LMU erarbeitet. Diese Expertise des Max von Pettenkofer-Instituts schlägt sich auch in vielfachen Studien und Kooperationen mit nationalen und internationalen Partnern nieder.

Exemplarisch sei hier eine in Südafrika durchgeführte und 2016 veröffentlichte Studie von Dr. Maximilian Muenchhoff und Kollegen hervorzuheben, in welcher untersucht wurde, in welcher Form das Immunsystem einer speziellen Gruppe HIV-infizierter Kinder, die auch ohne Therapie keine Immundefizienz entwickeln, anders reagiert als bei HIV-infizierten Kindern oder Erwachsenen, die AIDS entwickeln. Das Spektrum der Kooperationsnetzwerke erstreckt sich auch von internationalen Projekten des Tropeninstituts in Afrika bis hin zu Maßnahmen der Infektionsprävention
gemeinsam mit dem Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Gesundheitsschutz (LGL) in Oberschleißheim.

Netzwerke und Öffentlichkeitsarbeit

Leitende Mitarbeiter der Virologie des Max von Pettenkofer-Instituts, Prof. emer. Dr. Dr. Lutz Gürtler, Prof. Dr. med. Josef Eberle und Dr. Hans Nitschko, sind bereits seit vielen Jahren in verschiedenen klinisch-diagnostischen Kommissionen (u.a. DAIG, INSTAND, HIV Grade e.V.) und Netzwerken zu HIV und assoziierten Themen in Deutschland aktiv. Dies ist ein wichtiger Aspekt für die Ausübung der vielschichtigen Aufgaben des NRZ für Retroviren.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wird zweimal pro Jahr ein Retrovirologisches Bulletin als offizielles Publikationsorgan des NRZ für Retroviren herausgegeben. Hierin werden aktuelle wissenschaftliche und klinische Themen aus dem gesamten Spektrum der Retrovirologie für ein breites (Fach-) Publikum dargestellt. Dieses Bulletin ist an Ärzte, Betroffenenorganisationen, Fachgesellschaften, Behörden/Ämter des öffentlichen Gesundheitssystems und interessierte Betroffene gerichtet. Damit führen wir auch die Tradition der Frankfurter und Erlangener Kollegen fort. Weiterhin veranstaltet das Institut gemeinsam mit HIV-Behandlern und -Experten eine Informationsveranstaltung für Schülerinnen und Schüler der Münchner Gymnasien und MTA-Schulen im Rahmen des Welt-AIDS Tages – 2016 erstmalig und bereits mit großem Zuspruch!

Ziele des NRZ für Retroviren in den kommenden Jahren sind u.a. die Unterstützung von Ringversuchen zu HIV und HTLV zur weiteren Qualitätssicherung in diagnostischen Einrichtungen in Deutschland und eine bessere Vernetzung der Deutschen Zentren für HIV/Retrovirologie in Forschung, Klinik und Diagnostik.


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