Das Nationale Referenzzentrum für Retroviren am Max von Pettenkofer-Institut in München
Leiter des NRZ und Vorstand des Instituts ist Prof. Dr. med. Oliver T. Keppler. Das Münchner Institut tritt die Nachfolge des Instituts für Med. Virologie in Frankfurt an, das dieses NRZ seit 2012 ebenfalls unter der Führung von Prof. Keppler innehatte.
Am Münchner Institut ist eine Vielzahl von Aktivitäten im Bereich der Retrovirologie vereint. Als NRZ für Retroviren ist das Münchner Institut das Deutsche Referenzlabor für die Routine- und Spezial-Diagnostik von Retrovirus-Infektionen. Das aktuelle Leistungsangebot ist auf der Homepage des Instituts einzusehen (http://www.mvp.uni-muenchen.de/diagnostik/leistungsverzeichnis/) und umfasst ein breites diagnostisches Spektrum aus serologischen Antigen- und Antikörper-Nachweisen einschließlich Bestätigungsverfahren für HIV- und HTLV-Infektionen. Der quantitative Nachweis viraler RNA und der relative Anteil proviraler DNA von HIV-1, HIV-2, HTLV-1 und HTLV-2 sind ebenso Bestandteil des diagnostischen Programms wie die Untersuchung viraler Resistenzen oder des Tropismus.
Abb. 1 Das Max von Pettenkofer-Institut für Medizinische Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Virologie an der LMU München
© S. Hartmann
Es sei erwähnt, dass die Virusdiagnostik des Instituts seit dem Jahre 1999 nach DIN EN ISO 15189 akkreditiert ist. Das Institut ist zudem INSTAND-EQAS-Referenzstelle und Sollwert-Labor für molekularbiologische Virusdiagnostik (INSTAND-Ringversuche) in Deutschland.
Neben
den Tätigkeiten in der Diagnostik, Beratung, Öffentlichkeitsarbeit
und Qualitätssicherung verfügt das Institut über eine breite
Stammsammlung von HIV-Referenzstämmen, die für diagnostische
Fragestellungen und Forschungsprojekte genutzt werden kann. Diese
umfasst sowohl aus Patientenmaterial isolierte und in Zellkultur
expandierte Isolate als auch molekulare Klone von Laborstämmen oder
auch direkt aus
Patientenmaterial angelegte Klone. Diese
Stammsammlung wird bedarfsgerecht weiterentwickelt und baut auf
bestehenden Sammlungen des Instituts für Medizinische Virologie in
Frankfurt sowie des Instituts für Klinische und Molekulare Virologie
in Erlangen auf. Zusätzlich wird in Kollaboration mit international
ausgewiesenen Spezial-Laboratorien derzeit eine Sammlung ausgewählter
HTLV-Isolate und proviraler Klone angelegt.
Forschungsschwerpunkte
Abb. 2 Die Mitarbeiter der virologischen Diagnostik und der HIV-Forschung am Nationalen Referenzzentrum für Retroviren, Max von Pettenkofer-Institut der LMU München
© A. Benz
Diese
Aktivitäten des NRZ für Retroviren werden durch
grundlagenorientierte, translationale und klinische
Forschungsprojekte zu HIV komplementiert. In der Arbeitsgruppe von
Prof. Keppler
(http://www.mvp.uni-muenchen.de/forschung/virology/research-group-keppler/)
wird u.a. seit Jahren die Weiterentwicklung präklinischer
Kleintiermodelle der HIV-Infektion verfolgt. Hier ist insbesondere
ein transgenes Rattenmodell hervorzuheben, das bereits Beiträge zur
Testung antiviraler Wirkstoffe, neuer Impfstoffkandidaten und
Pathogenesefaktoren geleistet hat. Weiterhin werden molekulare und
immunologische Aspekte der HIV-Pathogenese, insbesondere im Kontext
der angeborenen antiviralen Immunität, untersucht. Die Funktion und
Regulation von Restriktionsfaktoren, also zellulärer Proteine, die
eine ausgeprägte antiretrovirale Aktivität haben können, sind
aktuell im Fokus der Forschungsaktivitäten des NRZ für Retroviren.
Hierbei sind insbesondere die Restriktionsfaktoren CD317/Tetherin und
SAMHD1 zu nennen, deren Funktionen sowohl einen Einfluss auf die
Wahrscheinlichkeit der HIV-Transmission als auch auf die Etablierung
des latenten HIV-Reservoirs in ruhenden CD4 T-Zellen in vivo haben
könnten. Auch andere humane oder
Pathogen-assoziierte Faktoren,
die die Transmission von HIV beeinflussen können, werden derzeit
untersucht.
Die Nähe zur international-kompetitiven Grundlagenforschung und der allgemeinen Virologie ist für ein NRZ für Retroviren von großer Bedeutung, um neue Entwicklungen zu erkennen, diese rasch umzusetzen und auch einen Forschungsanspruch zu dokumentieren.
Das leistungsangebot des NRZ für Retroviren umfasst unter anderem:
Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätssicherung
- Beratung von Ärzten und Gremien des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu Fragen der Diagnostik, Infektionsprävention, Pathogenese und Therapie der HIV- und HTLV-Infektion
- Interpretation unklarer klinisch-diagnostischer Befunde
- Koordination von Ringversuchen zur HIV- und HTLV-Spezialdiagnostik
- Retroviren-Bulletin: Das NRZ für Retroviren veröffentlicht zweimal im Jahr ein Bulletin, das aktuelle und allgemeine Entwicklungen aus dem gesamten Spektrum der Retrovirologie für ein breites (Fach-) Publikum darstellt. Die Publikation erfolgt mit ca. 1.000 Druckexemplaren pro Ausgabe, über die Instituts-Homepage sowie einen E-Mail-Verteiler
- Stammsammlung: Abgabe von Referenzstämmen für diagnostische und wissenschaftliche Zwecke
- Evaluation und Mitentwicklung diagnostischer Testsysteme für HIV
Diagnostik
- Serologische Diagnostik/Bestätigungsdiagnostik für HIV-1, HIV-2, HTLV-1/2
- HIV-Resistenz-Diagnostik:
- quantitative Bestimmung der HIV-RNA und proviralen Viruslast (HIV-1/2)
- genotypische und (falls erforderlich) phänotypische Resistenztestung (HIV-1/2)
- Beratung bei Therapieumstellung
- HIV-1/2 Korezeptor-Tropismus Bestimmung
- Aufklärung von HIV-Infektionsketten
- Abklärung möglicher vertikaler Virustransmission (Mutter-Kind)
- Isolierung von HIV und HTLV
- Abklärung einer möglichen Krankheitsassoziation mit Retroviren, Produktsicherheit, Risikoabwägungen der Übertragung von Retroviren in der Xenotransplantation mittels SG-PERT Assay.
Klinische und diagnostische Kooperationen
Seit dem ersten Münchner AIDS Fall im Jahr 1983 wurde die klinisch-diagnostische Expertise zur Behandlung der HIV-Infektion in allen seinen Manifestationsformen gemeinsam mit der klinischen Infektiologie und Spezialambulanzen am Klinikum der LMU erarbeitet. Diese Expertise des Max von Pettenkofer-Instituts schlägt sich auch in vielfachen Studien und Kooperationen mit nationalen und internationalen Partnern nieder.
Exemplarisch
sei hier eine in Südafrika durchgeführte und 2016 veröffentlichte
Studie von Dr. Maximilian Muenchhoff und Kollegen hervorzuheben, in
welcher untersucht wurde, in welcher Form das Immunsystem einer
speziellen Gruppe HIV-infizierter Kinder, die auch ohne Therapie
keine Immundefizienz entwickeln, anders reagiert als bei
HIV-infizierten Kindern oder Erwachsenen, die AIDS entwickeln. Das
Spektrum der Kooperationsnetzwerke erstreckt sich auch von
internationalen Projekten des Tropeninstituts in Afrika bis hin zu
Maßnahmen der Infektionsprävention
gemeinsam mit dem Landesamt
für Lebensmittelsicherheit und Gesundheitsschutz (LGL) in
Oberschleißheim.
Netzwerke und Öffentlichkeitsarbeit
Leitende Mitarbeiter der Virologie des Max von Pettenkofer-Instituts, Prof. emer. Dr. Dr. Lutz Gürtler, Prof. Dr. med. Josef Eberle und Dr. Hans Nitschko, sind bereits seit vielen Jahren in verschiedenen klinisch-diagnostischen Kommissionen (u.a. DAIG, INSTAND, HIV Grade e.V.) und Netzwerken zu HIV und assoziierten Themen in Deutschland aktiv. Dies ist ein wichtiger Aspekt für die Ausübung der vielschichtigen Aufgaben des NRZ für Retroviren.
Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wird zweimal pro Jahr ein Retrovirologisches Bulletin als offizielles Publikationsorgan des NRZ für Retroviren herausgegeben. Hierin werden aktuelle wissenschaftliche und klinische Themen aus dem gesamten Spektrum der Retrovirologie für ein breites (Fach-) Publikum dargestellt. Dieses Bulletin ist an Ärzte, Betroffenenorganisationen, Fachgesellschaften, Behörden/Ämter des öffentlichen Gesundheitssystems und interessierte Betroffene gerichtet. Damit führen wir auch die Tradition der Frankfurter und Erlangener Kollegen fort. Weiterhin veranstaltet das Institut gemeinsam mit HIV-Behandlern und -Experten eine Informationsveranstaltung für Schülerinnen und Schüler der Münchner Gymnasien und MTA-Schulen im Rahmen des Welt-AIDS Tages – 2016 erstmalig und bereits mit großem Zuspruch!
Ziele des NRZ für Retroviren in den kommenden Jahren sind u.a. die Unterstützung von Ringversuchen zu HIV und HTLV zur weiteren Qualitätssicherung in diagnostischen Einrichtungen in Deutschland und eine bessere Vernetzung der Deutschen Zentren für HIV/Retrovirologie in Forschung, Klinik und Diagnostik.