HIV-Präexpositionsprophylaxe
Einführung der PrEP wird wissenschaftlich begleitet
Seit dem 1. September 2019 ist die „GKV-PrEP“ Teil der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen. Grundlage ist § 20j Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Bisher weniger beachtet wurde der dortige Absatz 5: „Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert die Wirkungen der ärztlichen Verordnung der Präexpositionsprophylaxe auf das Infektionsgeschehen im Bereich sexuell übertragbarer Krankheiten bis Ende 2020 nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards.“ Die Arbeit an eben dieser gesetzlichen Evaluation der PrEP beginnt nun mit großen Schritten. Denn: Nachdem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Mai 2019 den Evaluationsauftrag öffentlich ausgeschrieben hatte, besteht nun Klarheit – ein Konsortium unter Federführung des Robert Koch-Institutes (RKI) wird die PrEP-Forschung umsetzen.
Zu den Konsortialpartnern zählen die Deutsche Arbeitsgemeinschaft nieder-gelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) mit den teilnehmenden Zentren, die Universität Duisburg-Essen, das Institut für HIV-Forschung Universität Bonn, das Kompetenzzentrum für Klinische Studien Bremen (KKSB) wie auch die AOK Nordost. Projekttitel: „Evaluation der Einführung der PrEP als Leistung der GKV” (EvE-PrEP).
Ziel des Vorhabens ist die Evaluation der Einführung der PrEP als Leistung der GKV. Hierfür werden Daten zu HIV-Neuinfektionen, Anzahl der PrEP-Nutzenden sowie Beratungen und Verordnungen und die Verbreitung relevanter STI ausgewertet. Zusätzlich wird geprüft, ob weitere Personengruppen von einer Prophylaxe profitieren können. Die Projektlaufzeit von EvE-PrEP ist Januar 2020 bis Mitte 2021, der Evaluationszeitraum ist 01.01.2020-31.12.2020.
Multi- und interdisziplinärer Ansatz
Eine Besonderheit des Projekts ist der aufgrund der Komplexität und Fülle der Fragestellungen gewählte multi- und interdisziplinäre Ansatz. Dieser zeichnet sich aus durch die Zusammenarbeit verschiedener Kooperationspartner, die Beteiligung von Interessenvertretungen der PrEP-Nutzenden sowie die Nutzung von etablierten Studien- und Datenquellen (Abb. 1). Die Studien und Datenquellen, die in das Projekt einfließen sind u. a. Daten aus der am RKI etablierten und durchgeführten Surveillance von HIV und Syphilis sowie den RKI-Studien PrApp-Studie, Checkpoint-Studie, Monitoring rezenter HIV-Infektionen in Deutschland (InzSurv-HIV) und Molekulare Surveillance von HIV-Neudiagnosen (MolSurv_HIV) und die HIV-Langzeit-Kohorten, ClinSurv HIV und HIV-1 Serokonverter sowie die HIV- und Syphilis-Meldungen. Darüber hinaus werden Apotheken-Daten und GKV-Daten verschiedener Krankenkassen als Sekundärdatenquellen genutzt.
Wichtige Partner und Datenquellen
Ein wesentlicher Bestandteil von EvE-PrEP ist die Erhebung von Daten zum PrEP-Gebrauch und zur Verbreitung, Testung und Therapie von STI bei HIV-Schwerpunktpraxen. Die Rekrutierung der teilnehmenden Einrichtungen erfolgt über das dagnä-Netzwerk. Die dagnä verfügt über etablierte, umfangreiche Vernetzungsstrukturen sowie Erfahrungen mit der Umsetzung zentrumsübergreifender Studien und der Logistik, die für die PrEP-Evaluation genutzt werden. Über 50 HIV-Schwerpunkteinrichtungen werden bundesweit teilnehmen.
Eine weitere wichtige Datenquelle sind GKV-Sekundärdaten, die unter Leitung von Jürgen Wasem und Anja Neumann vom Lehrstuhl Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen, gemeinsam mit dem RKI ausgewertet werden. Hierbei werden Daten zu PrEP-Beratungen, PrEP-Verordnungen, Anzahl der Personen unter PrEP, HIV-Diagnosen, sowie zur Krankheitslast von STI unter PrEP ausgewertet. Mit Hilfe dieser Analysen sollen Aussagen zum PrEP-Gebrauch und zu Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen auf individueller Ebene und auf Bundesebene ermöglicht werden.
Außerdem fließen Daten der BRAHMS-Studie unter Leitung von Hendrik Streeck ein. In der BRAHMS-Studie werden in Deutschland MSM mit hohem Risikoverhalten systematisch und in 3-Monats-Intervallen bezüglich des Auftretens einer HIV-Infektion untersucht. Im Rahmen der BRAHMS-Studie wird auch ein systematisches Screening auf Chlamydien, Gonokokken, Mykoplasmen, Syphilis und Trichomonaden (getrennt nach Lokalisation) sowie Hepatitis A, B und C durchgeführt. Zusätzlich zu den Laboruntersuchungen werden die Studienteilnehmer ausführlich zu relevanten Risikofaktoren befragt. Die BRAHMS-Studie stellt daher für die Evaluation der PrEP in Deutschland insbesondere im Hinblick auf die Krankheitslast von STI eine wertvolle Datengrundlage dar.
PrEP-NUTZENDE MITBETEILIGT
Die möglichst intensive Beteiligung und Einbeziehung der PrEP-Nutzenden erfolgt u. a. über Befragungen in der Checkpoint-, BRAHMS- und PrApp-Studie. Die PrEP-Verordnenden werden in der dagnä-Erhebung befragt, dort ist auch ein Befragungsteil mit offenen Fragen enthalten. Darüber hinaus soll eine Beteiligung der Interessenvertretungen der PrEP-Nutzenden über ein Beratergremium mit Vertreter_innen aus verschiedenen Bereichen mit PrEP-Bezug erfolgen.
PrEP senkt HIV-Neuinfektionen
Die medikamentöse PrEP ist eine nachgewiesen wirksame Form der HIV-Prävention. Dort wo PrEP bereits seit einigen Jahren zur Verfügung steht und breit angewendet wird, konnten die HIV-Neuinfektionen gesenkt werden (Grulich et al. 2018, Nwokolo et al. 2017). In Europa wird die PrEP derzeit in einigen europäischen Ländern, z. B. Frankreich, Belgien, Norwegen und Schottland über die nationalen Gesundheitssysteme zur Verfügung gestellt (prepineurope.org). Deutschland hat mit der Einführung der PrEP als Leistung der GKV für anspruchsberechtigte Personengruppen einen großen Schritt in die richtige Richtung getan. EvE-PrEP wird den Schritt wissenschaftlich begleiten. Das RKI, die Kooperationspartner und die weiteren Beteiligten freuen sich auf diese spannende neue gemeinsame Aufgabe!