Corona-impfung in der Praxis

Tim Kümmerle für Praxis am Ebertplatz, Köln

In unserer infektiologischen Schwerpunktpraxis haben wir frühzeitig entschieden, möglichst aktiv an der Impfkampagne mitzuwirken. Bereits Anfang des Jahres im Januar und Februar konnten wir als Teil von mobilen Teams in Seniorenheimen und zentralen Impfzentren Erfahrungen im Umgang mit den Impfstoffen sammeln, haben die Technik des Aufziehens erlernt und konnten die eigene Impfsprechstunde anhand der Vorbilder in verschiedenen Impfzentren planen.

Ferner haben wir uns bei der Stadt Köln als Impf-Schwerpunktpraxis beworben. Ab Mitte März konnten wir so bereits pflegebedürftige Patienten und deren Angehörige in der Praxis oder per Hausbesuch impfen. Dafür wurden uns geringe Mengen Comirnaty®-Impfstoff zur Verfügung gestellt.

Ab Anfang April haben wir Impfstoff über den üblichen Bezugsweg via Apotheke bestellt. Als Schwerpunktpraxis wurde uns zudem wöchentlich ein geringes Sonderkontingent Comirnaty® von der Stadt Köln zugeteilt.

Corona Impfung

Separate Impfstunden

Derzeit impfen wir 200-350 Patienten pro Woche. Den Großteil der Impfungen verabreichen wir in separaten Sprechstunden Mittwoch und Freitag Nachmittag. Hier nutzen wir 10 Räume parallel für Impfungen über einen Zeitraum von vier Stunden. Die Termine werden im 15-Minuten-Takt vergeben. In unseren Impfteams arbeiten an diesen Tagen zwei Ärzte, zwei studentische Hilfskräfte (Medizinstudenten) und vier MFAs. Eine Stunde Vorbereitung mit drei Mitarbeitern ist zum Aufziehen der Impfdosen erforderlich.

Dank der Beachtung von Totraumvolumina der Spritzen gelingt es fast immer, aus den Comirnaty®-Vials sechs Impfdosen und aus den Vaxzevria®-Vials elf Impfdosen zu entnehmen. Wir haben keine Bedenken, diese Impfdosen auch zu verabreichen.

Terminvergabe

Wir haben ein online-Buchungssystem für die Impftermine aktiviert und beste Erfahrungen damit gemacht. Ein Tool hilft uns, die verfügbaren Impfdosen pro Woche zu erfassen – dann werden online Termine entsprechend dieser Zahl freigeschaltet. Auf diese Weise kommt es zu keinen Überbuchungen, die Patienten erhalten die Anamnese- und Aufklärungsbögen automatisch per E-Mail und unsere Telefonleitungen werden nicht noch mehr überlastet. Bei der Buchung wird in einem elektronischen Dialog mit dem Patienten sichergestellt, dass nur jeweils die richtigen Priorisierungsgruppen einen Termin buchen können. Dennoch kommt es vereinzelt zu Fehlbuchungen, welche wir dann telefonisch klären müssen.

Comirnaty®-Termine werden schneller gebucht als Vaxzevria®-Termine – nicht überraschend. Wir beobachten, dass Patienten teilweise extrem weite Strecken zurücklegen, um bei uns geimpft zu werden – offenbar sind die Impfmöglichkeiten gerade im Umland der Städte bisher suboptimal. Es wird häufig berichtet, dass viele Hausärzte noch zurückhaltend Impfstoff bestellen – angesichts der hohen logistischen Herausforderungen durchaus verständlich.

Extra Telefondienst

Wir haben eine Halbtagskraft ausschließlich zur Beantwortung der zahllosen Impffragen per Telefon und E-Mail angestellt und weitere Telefonleitungen gebucht, um weiter für unsere anderen Patienten erreichbar zu sein.

Wir erhalten sehr viele Anfragen von Patienten, die sich bereit erklären bei übrig gebliebenen Impfdosen schnell vorbei zu kommen. Für diese Fälle führen wir eine hauseigene Liste und konnten bisher problemlos zusätzliche Impfdosen vergeben ohne dass Impfstoff verworfen werden musste.

Da wir trotz allen Anstrengungen nur einen Teil unserer Patienten zeitig mit Impfstoff versorgen können, freuen wir uns sehr, dass die Stadt Köln im zentralen Impfzentrum an der Messe bei medizinischen Sonderfällen sehr rasch Impftermine vergibt. Das Gesundheitsamt Köln hat das Vorliegen einer HIV-Infektion als schwere, chronische Erkrankung definiert – diese Patienten werden deshalb zeitnah geimpft. Die Organisation des Impfzentrums ist vorbildlich, die Reaktion der Stadt auf E-Mail Anfragen der Patienten extrem zeitnah.

Insgesamt kann gesagt werden dass die Etablierung der COVID-Impfsprechstunde ein immenser zeitlicher, finanzieller und organisatorischer Aufwand darstellte. Durch diese Anstrengung können wir eine faire, transparente Verteilung von vielen Impfdosen unter unseren Patienten sicherstellen. Es ist schwer vorstellbar, dass Praxen mit weniger personellen Ressourcen diesen Kraftakt meistern können. Sehr bedauerlich ist, dass die finanzielle Vergütung der Impfung in keinem Verhältnis zum erforderlichen Aufwand steht. Wir hätten uns mehr logistische Unterstützung bei der Impfaktion gewünscht und uns über mehr Impfstoff schon in den frühen Phasen der Impfkampagne gefreut.

Insgesamt hoffen wir, dass Politik, niedergelassene Ärzte, ärztliche Selbstverwaltung und der kommunale Gesundheitsdienst bezüglich des Umgang mit künftigen Pandemien im engmaschigen Austausch bleibt und eine intensive Nachbesprechung der Erfahrungen aus dieser Pandemie erfolgt.



André Manutscharow Für Praxis Neumann, Magdeburg

Die Praxis

Für unsere zwei Arztsitze bekommen wir wöchentlich Impfstoff für 80-100 Patienten (Comirnaty, Vaxzevira, demnächst auch Ad16.COV2.S, J&J). Wir haben eine angestellte Fachärztin für Allgemeinmedizin und eine
Weiterbildungsassistentin. Beide sind zum Impfen an 2 Tagen pro Woche eingeteilt. Der Zeitaufwand ist enorm. Die Aufklärung nimmt viel Zeit in Anspruch und der Patient muss bis zur Impfung drei Unterschriften leisten. Feste Impftermine bekommen bei uns nur Patienten ohne speziellen Wunsch hinsichtlich des Impfstoffs, da wir bisher nicht wissen, wann welcher Impfstoff kurz-/mittelfristig, zu welchen Mengen zur Verfügung steht. Es gibt viele Diskussionen über die Impfstoffe. Manche Patienten sagen zunächst erfreut, sie würden alles nehmen, um dann am Impftag auf den mRNA-Impfstoff zu bestehen. Prinzipiell priorisieren wir. Wenn allerdings Impfstoff übrig bleibt, geben wir diesen je nach Erreichbarkeit der Patienten auch nicht priorisiert ab.

(Lokal-) Politische Aspekte

In der Landeshauptstadt Magdeburg wurde/wird eine Schließung der Impfzentren zum Sommer diskutiert. Eine Entscheidung scheint noch nicht gefallen zu sein. Die Logik dahinter erschließt sich mir allerdings nicht. Ich bezweifle, dass die Grundimmunisierung eines Großteils der Bevölkerung allein über die niedergelassenen Kollegen in ausreichender Geschwindigkeit möglich sein wird. Neben der Einbindung der Betriebsmediziner wären in Zukunft niedrigschwellige Angebote sinnvoll, z.B. in Einkaufszentren, damit das Impfprogramm an Fahrt gewinnt, alles unter der Voraussetzung, dass genug Impfstoff zur Verfügung steht. Die Priorisierung sollte aus meiner Sicht bis dahin beibehalten werden.

Globale Perspektive

Es ist schon erstaunlich, wie schnell neue Impfstoffe entwickelt/angepasst und zugelassen wurden und wie langsam dann Produktion und Verteilung vonstatten gehen, vor allem aus globaler Perspektive. Die Diskussion um die Impfstoff-Patente wird in schon fast religiöser Form geführt, was Zeit kostet und der Sache nicht dienlich ist, weder aus der Perspektive von Public Health noch in Hinsicht auf die globale Wirtschaft. Mit Blick auf zukünftige Pandemien sollte man präventiv auf internationaler Ebene Strukturen schaffen, die ein schnelleres Agieren im Krisenfalle ermöglichen, sonst könnte es in Zukunft böse Überraschungen geben.

SARS-CoV-2 ist sehr wahrscheinlich nur ein Probelauf. Eine neue Grippepandemie auf dem Niveau von 1918, würde zu einer nicht vorstellbaren Katastrophe führen, wenn wir nicht schneller werden. Mit „schneller werden“ meine ich vor allem die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, die den Verlauf einer Pandemie maßgeblich mitbestimmen. Ja, der Markt bringt Innovationen (die staatliche Förderung von Forschung mal außen vorgelassen) in großer Zahl und schnell hervor, aber ob auch alle etwas von diesen haben werden, ist nicht immer sicher. Die Verteilung von im Katastrophenfall überlebenswichtigen Gütern scheint über den freien Markt eher schlechter zu funktionieren, dies aus bekannten Gründen.

Es bleibt zu hoffen, dass die revolutionäre mRNA-Technologie das hält, was sie verspricht und dass Produktion und Verteilung in Zukunft besser funktionieren werden. Vielleicht sind ja mRNA-Printer (CureVac arbeitet daran) eine Lösung, die weltweit – kühn gedacht in Apotheken – stehen könnten und Impfstoff „on demand“ produzieren. Das wäre die nächste Revolution.


Knud Schewe Für MVZ ICH Stadtmitte, Hamburg

Seit über einem Jahr herrscht der Ausnahmezustand in unserer Praxis: Erst die gespenstische Leere im Frühling des letzten Jahres, begleitet von Ängsten vor der noch unbekannten Seuche und den noch kontrovers diskutierten Übertragungswegen. Dazu die verzweifelten Versuche, Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung zu beschaffen. Nahezu alle Arbeitsabläufe der Praxis wurden überprüft und an die Erfordernisse der Pandemie angepasst, das Personal täglich getestet. Eine Schutzwand im Labor wurde eingebaut, um einigermaßen gefahrlos Abstriche entnehmen zu können. Die durch kaum vorhersehbare Quarantäneanordnungen immer wieder zerschossene Personalplanung, die vielen Ungewissheiten, die zunehmende Zahl der PatientInnen, die sich trotz der Schilder am Eingang in der Praxis mit Erkältungssymptomen vorstellten und sich nur zu oft im Nachhinein als PCR-positiv erwiesen. Der Schrecken der ersten, zum Glück leichten Infektionsfälle im Team, die durch die implementierte tägliche PCR-Testung aller rechtzeitig entdeckt wurden, so dass ein „Superspreading event“ mit wochenlanger Schließung der Praxis verhindert werden konnte.

Es folgte ein relativ entspannter Sommer, der uns sogar ein Sommerfest auf der Elbe und unsere wöchentlichen gemeinsamen Frühstücke erlaubte.

Knud Schewe Für MVZ ICH Stadtmitte, Hamburg

Nerven lagen blank

Doch SARS-CoV-2 zeigte sich unerbittlich, es veränderte sich und zusammen mit den winterlich veränderten Lebensumständen schaffte es endlose Infektionswellen mit nicht enden wollenden Lockdowns. Es war der wohl längste und dunkelste Winter, an den ich mich erinnern kann.

Der Lichtstreif am Horizont, die Impfungen erschienen nah und doch unerreichbar, wir krempelten die Ärmel hoch, für zunächst nicht verfügbaren Impfstoff. Die extreme Impfstoff-Mangelwirtschaft gepaart mit der Verzweiflung der sozial deprivierten Patienten aber auch des Teams haben einen Dauerstress erzeugt, der die Coping-Mechanismen vieler überforderte. Die Nerven lagen oft blank.

Endlich Impf-Start

Dann Anfang April das wunderbare Gefühl der ersten Impfung in der Praxis. Das stolze Personal, die glücklichen ersten Impflinge, die Freude, das Klatschen. Die Aufregung um die ersten Impfdosen, noch zusammen hergestellt mit dem Apotheker Andreas Hintz aus der Alexander Apotheke. Das genaue Abzählen der Impfdosen, die persönliche Einbestellung der Impflinge nach gemeinsam festgelegten Priorisierungskriterien.

Und es kamen neue Herausforderungen: Der Impfstoff ist knapp geblieben, die Lieferungen unvorhersehbar – erst am Donnerstag wird die Impfstofflieferung der Folgewoche mitgeteilt. Die Patienten müssen kurzfristig einbestellt werden, der organisatorische Aufwand ist immens. Zum Glück wird selten um Termine gefeilscht: „Ich muss es dann irgendwie einrichten“, ist oft zu hören, fast alle sind dankbar. Mit größer werdenden Impfstofflieferungen bei fortbestehender Priorisierung steigt der organisatorische Aufwand – die Telefonanlage bricht zeitweise zusammen, der Mail-Eingang wird geflutet, spezielle Impfsprechstunden in den sprechstundenfreien Zeiten sind eingerichtet. Das letzte Fläschchen BionTech am Tag: Werden es 6 oder 7 Impfdosen? Warte- und Nachrückerlisten werden gepflegt, Patientenströme gelenkt. Immer wieder erreicht der Füllungsgrad der (wirklich nicht kleinen) Praxis einen kritischen Wert, zeitweise sind sogar Türsteher erforderlich, die den Zustrom in die Praxisräume begrenzen. Patientenanfragen ohne Ende – alle machen Überstunden bis in die Nacht.

Knud Schewe Für MVZ ICH Stadtmitte, Hamburg

Alle helfen mit

Bei den täglichen morgendlichen Teambesprechungen werden nicht nur die Arbeitsabläufe optimiert und Informationen zu den neuesten medizinischen Erkenntnissen besprochen, sondern auch die Stressoren, Ängste und Sorgen des Teams aufgegriffen. Das Team wächst gerade über sich hinaus: Flexibilität, gegenseitige Unterstützung und Solidarität, professionelle Ruhe und enorme Arbeitsgeschwindigkeit, Freundlichkeit und gute Laune dominieren die Atmosphäre in der Praxis – und wenn es doch einmal kritisch wird, dann gibt es raschen Support. So manche erweist sich ungeahnt als Organisationstalent, andere behalten auch im hektischen Durcheinander unbeirrt die Ruhe. Man spürt die Motivation, die große Bereitschaft sich einzubringen, dabei zu helfen, diese Pandemie endlich zu beenden. Auch an dieser Stelle ein großes Lob und Dankeschön!

Werden wir den Belastungen des Impfmarathons weiter standhalten? Ich bin optimistisch, wir schaffen das! Einen Wunsch habe ich jedoch: Es ist an der Zeit, dass nicht nur die Pflegenden in Heimen und Kliniken, sondern auch die medizinischen Fachangestellte endlich adäquat für ihre fachliche Qualifikation und ihren Einsatz in der Pandemie gewürdigt werden.


Anja Meurer für Zentrum für Innere Medizin und Infektiologie (ZIMI), München


Anna Meurer

Ob ich an die Corona-Impfung glaube, wurde ich vor einiger Zeit gefragt – von einem anderen Arzt. „Da haben wir doch Daten!“, antwortete ich verständnislos. Mittlerweile merke ich aber, dass Glaube in Bezug auf Impfungen nicht zu unterschätzen ist. Die nigerianische Patientin, deren Pastor vor der Impfung gegen Corona warnte, weil man dadurch mit „6-6-6“ markiert würde und der Teufel einen so erkennen würde, ist sicher ein extremes Beispiel. Da muss sich die Patientin entscheiden, ob sie der Ärztin oder dem Pastor glaubt. Und die Patienten, die mehr Angst vor der liebevoll „Astra“ genannten Impfung haben als vor einer COVID-Erkrankung, trotz Alter >60 und Vorerkrankungen? Da spielte doch auch der Glaube eine größere Rolle als die Wissenschaft bei der Entscheidung eines Patienten, den Impftermin 15 min. vorher abzusagen. Es gibt natürlich auch andere Gründe, Comirnaty den Vorzug zu geben, vor allem der geringere Abstand zwischen den beiden Impfungen und somit das schnellere Erlangen von den sogenannten „Sonderrechten“ für Geimpfte (die ja eine logische Konsequenz der Tatsache sind, dass Geimpfte nur selten als Krankheitsüberträger in Frage kommen). Einer meiner Patienten hatte seinen im Ausland lebenden Partner seit Monaten nicht gesehen und drängte daher vehement, Comirnaty zu bekommen. Das war nun wirklich eine sachlich gut begründete Entscheidung.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr sehe ich, wie wichtig die persönlichen Belange und Überzeugungen des einzelnen Patienten für seine medizinischen Entscheidungen sind. Die meisten glauben, sie seien gut informiert – wie die Psychologin, die gleichzeitig ihrem Bauchgefühl in Impfentscheidungen traut oder der syrische Patient, der in seinen Informationskanälen gehört hatte, dass täglich tausend Personen in Deutschland an der Impfung sterben. Manche fragen aber auch lieber noch einmal nach, wie der Patient aus Niederbayern, der von Nachbarn gehört hatte, dass vor gut 100 Jahren Tausende an der Impfung gegen die spanische Grippe gestorben seien.

Für uns Ärzt:innen ist es herausfordernd, sachlich und informativ und mit Mitgefühl auf alle diese Situationen einzugehen. Ja, ich wünsche mir insgeheim manchmal eine Impfpflicht und ein Ende der Debatte, damit wir uns wieder anderen Themen im Leben zuwenden können. Letztendlich ist das aber die Vielfalt, die ich an meinem Beruf so mag.

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