Erektile Dysfunktion

Die Häufigkeit einer erektilen Dysfunktion nimmt mit dem Alter zu. Doch auch Alkohol und Drogen können die Erektionsfähigkeit beeinträchtigen. Zur Behandlung stehen verschiedene Medikamente mit unterschiedlicher Wirkweise und Nebenwirkungsprofil zur Verfügung.

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Als das „blaue Wunder für den Mann“ wurde 1998 die Zulassung von Viagra® (Sildenafil) gefeiert. 2003 wurden die Nachfolger Levitra® (Vardenafil), Cialis® (Tadalafil) und Spedra® (Avanafil) auf den Markt gebracht. Seit 2013 gibt es PDE 5-Hemmer generisch, was diese Medikamente für jedermann erschwinglich macht. Weniger verbreitet ist die SKAT (Schwellkörperautoinjektion), was teils an der invasiven Applikationsweise, teils an den höheren Kosten liegt. Es gibt allerdings auch günstigere individuelle SKAT-Mischungen, die in bestimmten Bereichen der MSM-Kultur beliebt sind.

Definition

Eine chronische Erektionsschwäche (erektile Dysfunktion, ED) ist definiert als fortwährende Unfähigkeit, eine penile Erektion, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreicht, zu erreichen oder aufrechtzuerhalten.

Risikofaktoren

Grundsätzlich können alle Erkrankungen und Faktoren, die zu Gefäß- und Nervenschäden führen, das Entstehen einer erektilen Dysfunktion begünstigen, insbesondere Diabetes mellitus, Hypertonie und Rauchen. Seltener sind hormonelle Störungen, neurologische Erkrankungen und psychiatrische Erkrankungen. Von diesen organischen Ursachen der ED sind psychogene Störungen abzugrenzen. Überforderung oder geringes Selbstwertgefühl führen zur Überaktivität des Sympathikus, was die Erektion beeinträchtigen kann. Die psychische Konzentration auf die Erektion kann somit auch ursächlich an der Entstehung der Dysfunktion beteiligt sein, wobei meist jüngere Männer betroffen sind.

Diagnostik

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Die Diagnostik der erektilen Dysfunktion liegt heute primär in der Hand der Urologen. Der Neurologe wird bei Bedarf konsiliarisch hinzugezogen. Die neurologische Diagnostik soll neurogene und/oder psychogene Ursachen der erektilen Dysfunktion identifizieren bzw. ausschließen. Bei der Frage nach einer neurogenen Ursache sind Anamnese und klinischer Befund in den meisten Fällen ausreichend. Das EMG des M. sphincter ani externus kann als Screening-Methode bei der Frage nach einer neurogenen erektilen Dysfunktion angesehen werden. Die Neurographie sowie die SSEP des N. pudendus und die penile sympathische Hautantwort werden nur bei gezielten Fragestellungen oder auffälligen Befunden eingesetzt.

Elektrophysiologische Untersuchungen spielen eine geringe Rolle.

PDE 5-Hemmer

Tab. 1  PDE 5-Hemmer im Vergleich
Tab. 1 PDE 5-Hemmer im Vergleich

Phosphodiesterase 5-Hemmer (PDE 5- Hemmer) entfalten ihre Wirkung nur, wenn die nach sexueller Stimulation im Gehirn ausgelösten stimulierenden Nervenimpulse am Zielorgan, dem Penis ankommen und dort ungestört weiterverarbeitet werden können. Derzeit sind vier PDE 5-Hemmer zugelassen. Diese haben vergleichbare Wirkeffekte, unterscheiden sich aber bezüglich Pharmakokinetik (Tab. 1). Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Gesichtsrötung, Magenbeschwerden, Rhinitis, abnorme visuelle Wahrnehmungen (z.B. blaue Schleier im Gesichtsfeld, erhöhte Lichtempfindlichkeit), Herabsetzung des Reaktionsvermögens, Schwindelgefühle, Rücken- und Muskelschmerzen, Dauererektion (Priapismus). Es wurden bereits Fälle von nichtarteriitischer anteriorer ischämischer Optikusneuropathie beobachtet. Dies führt in seltenen Fällen zu Einbußen der Sehfähigkeit oder zur
Erblindung. Dies führte 2006 zur entsprechenden Änderung der Fachinformation für Sildenafil. Neuerdings liegen auch Hinweise vor auf plötzlich auftretende Hörstörungen vor.

Gegenanzeigen

Inhaltsstoffe Individuelle SKAT-Mischung

Alprostadil

Der Prostaglandin E1 bewirkt im Penis eine Erschlaffung in den Muskelzellen des Schwellkörpers und der kavernösen Arterien, wodurch sich diese weiten. Es strömt vermehrt Blut in den Schwellkörper ein, wodurch die kavernösen Venen abgedrückt und der Blutabfluss behindert wird.

Phentolaminmesilat

Phentolaminmesilat unterdrückt als nicht selektiver α-Blocker die erektionshemmenden Impulse des Sympathikus und bereitet somit den Penis für die Erektion vor. Zu den antiadrenergen Eigenschaften gesellen sich noch kalium-kanalöffnende, endothelinantagonistische und serotoninantagonistische Eigenschaften, sowie NO-Synthese aktivierende Impulse, die ebenfalls als erektionsunterstützend anzusehen sind.

Papaverin

Papaverin ist ein nicht selektiver Phosphodiesterase-Inhibitor und führt zur Relaxation der glatten Muskulatur. Die nach Papaverin beobachtete Durchblutungszunahme war 300-700% höher als nach Phentolamin, außerdem zeigte letzteres keine Wirkung auf die venöse Abflussblockade.

  • nicht arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (NAION)
  • schwere Leberinsuffizienz
  • Hypotonie (Blutdruck <90/50 mmHg)
  • kürzlich erlittener Schlaganfall oder Herzinfarkt
  • erblich bedingte degenerative Retinaerkrankung (z.B. Retinitis pigmentosa)
  • Störung der retinalen Phosphodiesterasen
  • Gleichzeitige Anwendung anderer PDE 5-Hemmer

Besondere Vorsicht bei

  • Kardiovaskulären Risikofaktoren
  • Sichelzellenanämie, Leukämie, früherer Priapismus
  • Gleichzeitige Anwendung von blutdrucksenkenden Mitteln (z.B. Alfa-1-Blocker), Nitraten und verwandten Wirkstoffen (Medikamente zur Behandlung der Angina pectoris, Poppers)
  • Gleichzeitige Anwendung von Ritonavir
  • Penisanomalien Erfahrung mit Dauererektionen (Priapismus)

MUSE

Bei MUSE (Medical Urethral System for Erection) wird Alprostadil in Form einer kleinen Tablette transurethral appliziert. Diese Therapieform ist vor allem für Patienten mit unzureichender Wirkung von PDE 5-Hemmern und Angst vor der Schwellkörper-Selbstinjektion hilfreich. Kontraindikationen sind neben anatomischer Penisdeformation wie bei den PDE 5-Hemmern alle Zustände, die für das Auftreten eines Priapismus prädisponieren, sowie für Männer, für die sexuelle Aktivität nicht ratsam ist. Nebenwirkungen sind vor allem lokales Brennen und Spannungsgefühl, Harnwegsinfekte.

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SKAT

Die Indikation für die Schwellkörperautoinjektion (SKAT) besteht bei Patienten mit unzureichender Wirksamkeit der oralen Therapie oder Kontraindikation für PDE 5-Hemmer. Eingesetzt werden das Prostaglandin Alprostadil, das Opiumalkaloid Papaverin und der Alpha-Blocker Phentolamin. Als Fertigspritze ist Alprostadil (z.B. Fertigspritze Caverject®) erhältlich. Die anderen Substanzen sind als individuelle Verordnung einzeln oder kombiniert erhältlich (siehe Kasten).

Die Erektion setzt meist innerhalb von 8-10 Minuten nach der Injektion ein und sollte etwa 1 Stunde dauern.

Kontraindiziert ist die SKAT bei Penisdeformationen, Risikofaktoren für Priapismus und für Patienten, bei den sexuelle Aktivität nicht ratsam ist. Häufige Nebenwirkungen sind Schmerzen im Penis. Hämatome sind meist Folge einer zu oberflächlichen Injektion. Es können penile fibrotische Veränderungen wie Knötchen und Plaques auftreten. Die Wahrscheinlichkeit einen Priapismus zu erleiden wird mit 1-4% angegeben. Insbesondere bei Überdosierung sowie Anwendung in Kombination mit Alkohol, Drogen, PDE 5-Hemmern kann es zu einer verlängerten Erektion (bis zu 3 Stunden) oder Priapismus (länger als 3-4 Stunden) kommen. Mehrfache Injektionen an einem Tag erhöhen die Gefahr des Priapismus erheblich. Eine Toleranzentwicklung ist möglich.

Individuelle SKAT-Rezeptur

Die individuelle SKAT-Rezeptur stellt für Männer mit erektiler Dysfunktion, die auf PDE 5-Hemmer oder Fertigspritzen mit Alprostadil mono nicht ausreichend reagieren, eine bezahlbare Möglichkeit zur Behandlung dar. Die ärztliche Verordnung muss im Original der Apotheke vorliegen, es sind die wirksamen Bestandteile nach Art und Menge sowie das Gesamtgewicht/Gesamtzahl zu benennen (Tab. 2). Grundsätzlich ist es Ärzt*innen untersagt, Empfehlungen oder Verweise auf bestimmte Apotheken auszusprechen. Man kann jedoch im Rahmen der Fürsorgepflicht dann einen bestimmten Leistungserbringer nennen, wenn der Patient um die Information bittet oder wenn aufgrund von vergeblichem Suchen anderer Patienten nur ein Leistungserbringer bekannt ist.

Einsteigerset

©Ramona Pauli, Pompei©Ramona Pauli, Pompei

Die SKAT-Rezeptur enthält Alprostadil, Phentolamin und Papaverin in unterschiedlichen Dosierungen und muss individuell verordnet werden. Mit den Einstellungssets duomix/trimix kann einerseits die richtige Rezeptur und deren Dosis gefunden und der richtige Umgang geübt werden (Tab. 2). Die individuelle Dosierung wird über eine stufenweise Dosissteigerung (Dosisfindungs- bzw. Titrationsphase ca. 30 Minuten) gefunden. Ein Einstieg erfolgt immer sehr niedrig mit 0,1 ml, um einen Priapismus auszuschließen. Nach 10 Minuten wird das Ergebnis beurteilt und ggf. in die gegenüberliegende Schwellkörperseite weitere 0,1 ml (0,05 ml bei psychogenen Ursachen) injiziert. Nach 10 Minuten wird der Erfolg beurteilt und ggf. letztmalig gegenüber weitere 0,1/0,05 ml injiziert. Wenn keine befriedigende Erektion erzielt wurde, wird nach mindestens einem Pausentag die Testreihe mit der Gesamtmenge des ersten Tages als Starteinheit, fortgesetzt. Die in der Arztpraxis gefundene Dosis ist für zuhause häufig etwas zu hoch. Der Grund liegt in der intensiveren Stimulation zuhause. Manche Apotheken beispielsweise bieten verschiedene Einstellungssets. Diese werden nur an eine Arztpraxis verschickt, es ist deshalb keine ärztliche Verordnung erforderlich. Die Beauftragung erfolgt durch die Praxis oder den Patienten schriftlich. Die Rechnung wird regelmäßig auf den Patienten erstellt. Zusätzlich werden Spritzen, Kanülen, MiniSpike, Alkoholtupfer, Anwenderinformationen, Bestellkarten, Freikuverts und Rezeptur-Text-Etiketten mitgeliefert.

Vakuumtherapie bei ED

Tab. 2  Zentrale Inhaltsstoffe der SKAT-Rezepturen. Zusätzliche Inhaltsstoffe Natriumdisulfit, Glucose, Benzylalkohol, Ethanol 96%, Aqua ad injektabilia. 1 g = 1 ml
Tab. 2 Zentrale Inhaltsstoffe der SKAT-Rezepturen. Zusätzliche Inhaltsstoffe Natriumdisulfit, Glucose, Benzylalkohol, Ethanol 96%, Aqua ad injektabilia. 1 g = 1 ml

Tab. 3  Wirkungsvergleich
Tab. 3 Wirkungsvergleich

Ein Plastikzylinder wird über den Penis gestülpt und an der Basis abgedichtet. Durch den Aufbau eines Unterdrucks mit einer Handpumpe entsteht durch passive Füllung eine Erektion im Penis. Die Erektion wird durch die Applikation eines Gummirings an der Penisbasis nach Entfernen des Plastikzylinders gehalten. Der Therapieerfolg kann durch Kombination mit Sildenafil oder MUSE gebessert werden.

Chirurgische Eingriffe

Chirurgische Eingriffe wie die Ligatur der dorsalen Penisvenen oder die arterielle penile Revaskularisation ist
definierten Gefäßkonstellationen wie die isolierte venöse Insuffizienz bei arterieller Suffizienz oder arterielle
Insuffizienz bei jungen Patienten vorbehalten.

Endovaskuläre Embolisation

Die endovaskuläre Embolisationstherapie bei Männern mit ED aufgrund venookklusiver Dysfunktion ist eine sichere und effektive therapeutische Option mit niedriger Komplikationsrate und hohem klinischen Erfolg.

Priapismus

Der Priapismus ist eine seit mindestens zwei Stunden bestehende Dauererektion, welche ohne sexuelle Erregung besteht und mit Gefahr der Schwellkörperischämie einhergeht. Der Druck im Schwellkörper liegt über dem diastolischen Druck (80-120 mmHg), eine Durchblutung kann nicht mehr stattfinden. Durch die 3fach höhere fibrinolytische Aktivität im Corpus cavernosum entstehen auch nach langer Ischämiezeit keine Thromben. Nach über 12 Stunden Krankheitsverlauf beginnt der irreversible ischämische Schaden an den Schwellkörpern mit fibrotischer Abheilung.
Zu differenzieren ist ein nichtischämischer Priapismus („high flow“) gekennzeichnet durch eine weniger pralle und nicht schmerzhafte Erektion durch vermehrten arteriellen Einstrom, kompensiert durch suffizienten venösen Abstrom. Die Gefahr eines ischämischen Schadens am Schwellkörper besteht hier nicht.

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