Zwei Mädchen erzählen

"Ich bin ein 13-jähriges Mädchen, das seit sieben Jahren in einer Pflegefamilie lebt und HIV-positiv ist..."

...Eigentlich verläuft mein Leben ganz genau wie bei jedem anderen Kind in meinem Alter. Ich gehe in die 7. Klasse auf ein Gymnasium, bin eine gute Schülerin, treibe gerne Sport wie z.B. Skifahren, Schwimmen, Radfahren, Turnen, etc. Das heißt, obwohl ich diese Krankheit habe, lebe ich "normal". Trotzdem ist es für mich ziemlich belastend. Nachdem ich weiß, wie ängstlich die Menschen auf meine Krankheit reagieren, kann ich nicht offen sagen, was ich habe. Es ist schon ein Problem, übers Wochenende bei einer Freundin zu sein, da ich pünktlich am Abend meine Tabletten einnehmen muss. Wie soll ich das erklären? Meine Mama und ich sind dabei schon ziemlich erfinderisch geworden.

"Also sage ich manchmal ich muss meine Vitamintabletten einnehmen oder Penicillin oder ich erzähle eine andere Geschichte."

Im Moment nehme ich fünf Tabletten. Also werde ich natürlich dann gefragt, wie viele Vitamine ich da nehmen muss. Das ist für mich sehr schwer, denn ich belüge andauernd meine Freunde.

"Wie gerne würde ich einfach die Wahrheit sagen."

Um dieser Situation aus dem Weg zu gehen, lade ich die Mädchen zu mir ein und dann merkt es niemand.

Über mich und mein Leben wird seit etwa drei Jahren ein Film gedreht, in dem gezeigt werden soll, dass ich - wie jedes gesunde Kind auch - ganz normal leben kann. An einem dieser Drehtage machte ich das Experiment und erzählte einer Freundin von meiner Krankheit. Ich war ziemlich aufgeregt, denn ich hatte natürlich Angst, sie zu verlieren. Meine Mama war dabei falls sie die Fragen stellen würde, die ich ihr nicht beantworten könnte. Sie sah mich aber nur an und sagte: "OK". Sie ist ein Jahr älter als ich und kennt diese Krankheit. Gott sei Dank ist sie noch immer meine Freundin und eine der wenigen, bei der ich auch mal für ein paar Tage bleiben kann, ohne lügen zu müssen.

Ich glaube sogar, dass ich meinen Schulfreunden von meiner Krankheit erzählen könnte, ohne sie zu verlieren. Ich spreche oft mit meinen Eltern darüber.

"Wir sind zu dem Entschluss gekommen, erst noch zu schweigen, da wir nicht wissen, welche Reaktion die Eltern meiner Mitschüler zeigen werden."

Die Möglichkeit, dass ich gemieden werde und unter Umständen sogar die Schule wechseln muss, ist leider gegeben.

Bei den Dreharbeiten habe ich immer viel Spaß. Ob der Film aber jemals gezeigt wird oder nicht, kann ich ganz alleine entscheiden. Wie viel Mut ich dann als Erwachsene habe, weiß ich noch nicht.

Ich mache mir schon sehr oft Gedanken, was ich tun soll, wenn ich mich einmal verliebe. Da ich noch drei erwachsene Brüder hier in der Familie habe, spreche ich auch mit ihnen über eine solche Situation.

"Sie glauben, wenn es soweit ist, soll ich einfach offen mit meinem Freund darüber sprechen."

So zeigt sich, wer zu mir steht oder nicht. Bevor ich mit einem Jungen schlafe, muss er von meiner Krankheit wissen, so brauche ich kein schlechtes Gewissen zu haben und er kann frei entscheiden, ob er trotzdem bei mir bleibt. Meine Brüder wären entsetzt, wenn ihnen ein Mädchen diese Wahl nicht lassen würde.

Meine Eltern haben mich vor ca. 1½ Jahren über das ganze Ausmaß meiner Krankheit aufgeklärt. Bis dahin wusste ich zwar, dass ich wegen meines Blutes Medikamente einnehmen muss, jedoch nicht, welche Verantwortung ich Mitmenschen gegenüber trage. Ich selbst hoffe ja immer, dass vielleicht ein Medikament gefunden wird, das mich heilt und ich niemandem von meiner Krankheit erzählen muss. Das wäre das schönste Geschenk für mich und meine Familie. Allerdings weiß ich auch, dass viele Kinder Krankheiten haben, für die es keine Medikamente gibt. Sie würden wahrscheinlich gerne mit mir tauschen. Für mich wäre es einfacher, wenn alle so wenig Angst vor meiner Krankheit hätten, wie meine Pflegeeltern. Ich bin mir sicher, sie hätten mich nicht zu sich geholt, wenn ich so "gefährlich" wäre. Meine Eltern lieben ihre Kinder und würden sie auch wegen mir nicht in Gefahr bringen.

Meine leibliche Mama ist an dieser Krankheit gestorben. Ich weiß aber auch, dass sie noch leben könnte, wenn sie die Medikamente regelmäßig eingenommen hätte. Ich wurde auch schon gefragt, ob ich auf meine Mama böse sei, weil sie mich angesteckt hat. Sie erfuhr aber erst selbst davon, als ich schon geboren war. Warum sollte ich dann böse sein? Ich bin froh, dass ich geboren bin und eine Familie gefunden habe, die mich liebt und zu mir steht. Das haben viele gesunde Kinder nicht."

"Ich bin ein 13jähriges Mädchen und nenne mich für meine Geschichte Sandy. ..."

...Ich lebe mit meiner Mutter und zwei Geschwistern zusammen. Da meine Mutter erst später erfahren hat, dass ich und meine Eltern krank sind, bekam ich mit fast drei Jahren meine Medikamente.

Seit meiner Geburt bin ich HIV-positiv, aber erfahren habe ich es erst, als ich elf Jahre alt war.

"An dem Tag, an dem ich es erfuhr, war ich ziemlich erleichtert, endlich zu wissen was mit mir los ist."

Da ich ja auch Medikamente genommen habe, wollte ich mit ca. zehn Jahren mehr darüber erfahren. Schließlich erzählte mir meine Mutter endlich an einem Nachmittag, dass ich HIV-positiv sei. Um mehr darüber zu erfahren, was das genau für mich bedeutet und so, führten wir anschließend noch ein Gespräch mit dem Kinderarzt aus der Uni-Klinik. Den Doktor kenne ich ja schon lange, weil ich alle drei Monate in die Klinik muss. Ich werde dann immer untersucht und mir wird Blut abgenommen. Das finde ich aber nicht schlimm.

"Ganz im Gegenteil finde ich es sogar toll, dass ich mehr über meinen Körper Bescheid weiß, als meine zwei Jahre ältere Schwester."

Dies bedeutet aber für mich, dass ich durch die Medikamente im Alltag eingeschränkt bin. Das tägliche Einnehmen der Medikamente ist manchmal lästig, vor allem wenn man mal bei einer Freundin schlafen möchte, weil man sich ständig verstecken muss. Bin auch manchmal müde und unkonzentriert in der Schule und habe Zukunftsängste.

"Dann denke ich manchmal daran wie es für mich aussieht mit Familie, ob ich Kinder kriegen kann?"

Ich finde da schon, dass die Krankheit ein Hindernis im Leben ist. Trotz alledem finde ich, dass es schon gute Medikamente gibt, um einigermaßen die Krankheit in den Griff zu bekommen. Ich glaube aber und hoffe, dass man irgendwann mal die Krankheit heilen kann.

Bis dahin muss ich noch weiter meine Medikamente einnehmen und in die Uni-Klinik gehen.

Liebe Grüße
Eure Sandy

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