1. Deutsch-Österreichisch-Schweizerischer AIDS-Kongress 24.-27. Juni 2009 in St.
Gallen/Schweiz
SÖDAK 2009: Viele Diskussionen und viele Preise
Prepare for the long run – das war das Motto des ersten AIDS-Kongresses, den die drei Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz gemeinsam organisiert haben. Das wissenschaftliche Programm wurde fast ausschließlich aus den eingereichten wissenschaftlichen Beiträgen zusammengestellt. Die Themen reichten von der Grundlagenwissenschaft über Diagnostik, Therapie, Epidemiologie und Prävention bis zur Sozialwissenschaft. Von insgesamt 370 eingereichten Arbeiten wurden 239 als Poster und 33 als orale Präsentationen ausgewählt. Gut besucht waren nicht nur die Vorträge, sondern auch die „Posterwalks“ mit Diskussion in der Kaffeepause am Nachmittag (siehe Foto).
Together for the long run
Kurzfristig mit ins Programm aufgenommen wurde das Symposium „Together for the long run“, in dem Rolf Rosenbrock, Leiter der Forschungsgruppe Public Health am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, die Normalisierung von AIDS und die gemeinsamen Aufgaben aller Akteure zur anhaltenden Bedeutung des Genfer Prinzips darstellte. Das Genfer Prinzip von 1998 sieht die Einbindung der Community in die Planung internationaler Aidskonferenzen als genauso wichtig an wie die wissenschaftlichen Organisatoren. Anlass der kurzfristig angesetzten Plenarveranstaltung war ein Konflikt im Vorfeld des SÖDAK. Das Community Board hatte sich im Frühjahr aus der Vorbereitung des Kongresses zurückgezogen; die Deutsche AIDS-Hilfe schloss sich dem an, die Schweizer Aidshilfe und die Österreichische Aidshilfe nahmen nur unter Vorbehalt teil. Die Begründung: Es sei bei allem Engagement nicht gelungen, zentralen Anliegen der Community hinreichend Berücksichtigung zu verschaffen. Nach den Worten des Kongresspräsidenten Pietro Vernazza, St. Gallen, ging es den Organisatoren des Kongresses immer darum, alle Interessensvertreter im Kongress-Board zu haben und zu halten und er bedauerte, dass die Community vor dem Ausscheiden kein Gespräch gesucht hat. Vernazza betonte, dass die Finanzierung des Kongresses zeitweise schwierig und es deshalb nicht einfach gewesen sei, alle finanziellen Ansprüche hinreichend zu erfüllen.
Alle Gruppen unter einen Hut bringen
Rosenbrock versuchte in seinem Vortrag mit einem begründeten Appell und Vorschlägen aufzuzeigen, wie solche Brüche in Zukunft verhindert werden können. Das Genfer Prinzip sei kein Auslaufmodell, auch wenn Aids von einer drohenden Katastrophe für die gesamte Zivilisation zu einem für die öffentliche Gesundheit und medizinische Versorgung kontrollierbaren und beherrschbaren Problem geworden sei, so Rosenbrock. Es sei im Gegenteil nach wie vor nötig, und das nicht nur als Vorbild für andere Krankheiten, weil nur mit allen Interessensvertretern gemeinsam beispielsweise die derzeit aktuellen Fragen zur Prävention von HIV/Aids im Spannungsfeld zwischen EKAF-Statement, nachlassender Mobilisierungskraft der betroffenen Communities, PEP und STDs beantwortet werden können. Jeder einzelne Akteur - Community Board, Aidshilfen, Präventionsagenturen, klinisch und forschend tätige Mediziner, forschende und beratende Sozialwissenschaftler, pharmazeutische Industrie und Politiker – müssen miteinander auskommen, indem sie nicht nur ihre eigenen Interessen im Blick haben. „Alle diese Gruppen unter einen Hut zu bringen, ist nicht leicht, aber nur so besteht die Chance, HIV/Aids effektiver zu bekämpfen“, sagte Rosenbrock. Der Sozialforscher plädierte für ein Konferenzkonzept, das nicht nur die neuesten Forschungsergebnisse in den Mittelpunkt stellt, sondern je nach den aktuellen Herausforderungen und Fragen Redner einlädt und zur Diskussion und zum Informationsaustausch geeignetere Veranstaltungsformate nutzt – auch wenn das mit einem Verlust an wissenschaftlichem Gehalt einhergeht. Für den 2. SÖDAK, der vom 15.-18. Juni 2011 in Hannover stattfinden wird, wünschte Rosenbrock den Kongressorganisatoren in diesem Sinne gutes Gelingen.
Ausgezeichnet!
So viele Preise wie auf dem SÖDAK gab es wohl noch nie auf einem deutschsprachigen AIDS-Kongress.
Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung:Auch dieses Jahr hat wieder Boehringer Ingelheim Pharma den Medienpreis mit 15.000 Euro gesponsort. Die Preise wurden an sechs Journalistinnen und Journalisten für ihre sachliche, kompetente and an Menschen orientierte Arbeiten zu HIV und Aids auf der Eröffnungsveranstaltung verliehen. Schade nur, dass Harpe Kerkeling nicht wie angekündigt, die Preise für Tageszeitung, Internet, Film und Fernsehen persönlich verliehen hat, sondern die Glückwünsche per Video aussprach.
Deutscher AIDS-Preis 2009 der DAIG: Ebenfalls mit 15.000 Euro dotiert ist der von der Firma Essex Pharma gestiftete DAIG-Forschungspreis. Er ging dieses Jahr an Dr. Hendrik Streeck, der an der Universität Bonn seine wissenschaftliche Karriere begann und nun an der Harvard Medical School in Boston arbeitet. Die in „Plos Medicine“ erschienene Arbeit beschreibt die Reaktionsfähigkeit und Funktionstüchtigkeit von zytotoxischen T-Zellen im Verlauf einer chronischen HIV-Infektion.
DAIG-Nachwuchsforscherpreis 2009: Die Doktorandin Hanna-Mari Tervo aus der Abteilung Virologie der Universität Heidelberg beschäftigt sich mit Kleintiermodellen in der HIV-Forschung. Für ihre Arbeit zu murinen Zellen, in denen zwar eine HIV-Replikation möglich ist, aber keine Integration stattfindet, erhielt sie den von der Firma Tibotec mit 3.000 Euro dotierten Preis. Die Arbeit wurde in „Retrovirology“ veröffentlicht.
Posterpreis der österreichischen AIDS-Gesellschaft: Das Poster von Synove Daneel vom Fachbereich Infektiologie/Spitalhygiene des Kantonspitals St. Gallen wurde von der ÖAG mit 1.000 Euro ausgezeichnet. Die Arbeit stellt eine Untersuchung vor, in denen Analphabeten in Mali mit innovativ illustrierten Flyern die Präventionsbotschaften verstehen und erklären lernen.
AIDS-Forschungspreis der DGI: Die deutsche Gesellschaft für Infektiologie verlieh ihren Forschungspreis dieses Jahr Dr. Arne Schneidewind von der Universität Regensburg. Die von GlaxoSmithKline gestifteten 10.000 Euro zeichnen drei Arbeiten von Schneidewind aus, die den Zusammenhang zwischen dem Vorliegen des Gens HLA-B27 in HIV-Infizierten und einer verzögerten Progression untersuchen. Die Arbeiten erschienen im „Journal of Virology“.
Gilead HIV Clinical Cooperation Grant 2009: Zum dritten Mal vergab Gilead Sciences Deutschland einen Preis in Höhe von 30.000 Euro für Projekte, in denen deutsche HIV-Schwerpunktpraxen und Zentren in weniger entwickelten Ländern zusammen arbeiten. Dieses Jahr wurde eine deutsch-südafrikanische Kooperation ausgezeichnet, die sich zum Ziel gesetzt hat, neue Erkenntnisse des Immunrekonstitutions-Syndroms zu gewinnen und diese in einen Behandlungsalgorithmus umzusetzen. Die beteiligten Zentren: Abteilung für Gastroenterologie, Rheumatologie und Infektionskrankheiten der Charité Berlin, Institut für Infektionskrankheiten und Molekulare Medizin der Universität Kapstadt/Südafrika und die HIV-Abteilung des Jooste Krankenhauses in Manenberg/Südafrika.
3A Frauenforschungspreis: Diesen Preis gab es dieses Jahr das erste Mal: Die Arbeitsgruppe Ärztinnen und AIDS 3A zeichnete Dr. Ilona Hauber, Heinrich-Pette-Institut in Hamburg, und Dr. Clara Lehmann, Universität Köln, für ihre Forschungsarbeiten mit je 1.000 € aus (siehe auch Seite 47).
Hector Forschungspreis 2008: Prof. Joachim Hauber, Heinrich-Pette-Institut Hamburg, und Dr. Frank Kirchhoff, Universität Ulm, erhielten den Forschungspreis, der mit 20.000 Euro dotiert war. Die Hector-Stiftung zeichnete damit die in Science erschienene Arbeit „Molekulare Scheren gegen HIV“ aus.
Was nehmen Sie von diesem Kongress mit nach Hause?
Dr. Thomas Frey, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in Zürich
„Normalerweise mache ich meine Fortbildungen im Internet. Hierher bin ich gekommen, um mich mit Kollegen auszutauschen und um Kollegen zu treffen. Mich interessieren vor allem die Nebenwirkungen der HIV-Therapie, die Penetration der Medikamente ins ZNS und die kardiovaskulären Erkrankungen. Der Kongress ist ausgezeichnet organisiert und das Programm interessant.“
Dr. Horst Schalk, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in Wien
„Ich finde es gut, dass erstmalig alle deutschsprachigen Staaten gemeinsam den Kongress veranstaltet haben. Man erfährt, wie es in den anderen Ländern läuft und dass es glücklicherweise für die Patienten ähnlich gut läuft. Ich nehme vor allem Informationen zu den neuen Substanzen mit in meine tägliche Arbeit.“
Dr. Thore Lorenzen, Arzt am Institut für Interdisziplinäre Medizin in Hamburg
„Der Kongress bietet zwar
keine Überraschungen und es gibt nichts wirklich Neues und Aufregendes. Aber
die präsentierten Daten sind solide und orientieren sich an der Praxis. Für
meine Arbeit ist wichtig: Hier kann ich viel Basiswissen auffrischen.“