Interview mit Dr. Axel Baumgarten, Berlin
Neue HIV-Ziffern – Hintergründe und Details
Seit 1. Juli gibt es im EBM die neuen HIV-Ziffern. Welche Rolle hat die DAGNÄ bei der Erarbeitung dieser Ziffern gespielt?
Axel Baumgarten: Die DAGNÄ hat hier den Anstoß gegeben und hat die Verhandlungen des Spitzenverbandes der Krankenkassen und des Kassenärztlichen Bundesverbandes (KBV) als Sachverständige und Gutachter begleitet. Als Vertreter der DAGNÄ waren Armin Götzenich und ich daran beteiligt.
…und die Ziffern gelten jetzt bis Ende 2011?
Axel Baumgarten: Ja und nein. Eine grundlegende Reform des EBM ist für 2011 geplant. Sollte die Überarbeitung des EBM länger dauern, bleiben die Ziffern bestehen und zwar solange, wie es diesen EBM gibt. Der Vorteil ist somit, dass wir nicht in Bedrängnis kommen mit auslaufenden Verträgen. Die HIV-Ziffern können nur durch etwas Neues abgelöst werden.
Zur Abrechnung der neuen EBM-Ziffern ist eine Dokumentation
erforderlich. Warum ist das so?
Axel Baumgarten: Letztendlich war die Qualitätssicherung das wesentliche Argument für die Ziffern. Der Spitzenverband Kassen und die KBV waren beide sehr daran interessiert, jede Sonderleistung im EBM-Katalog mit einer entsprechenden Qualitätssicherungsmaßnahme zu versehen und dazu gehört die Dokumentationspflicht.
Das heißt die Kassen haben erstmals Qualität und Honorar verknüpft. Was ist hier unter Qualität zu verstehen?
Axel Baumgarten: Die Qualitätssicherung umfasst ein großes Bündel an Maßnahmen. Im Wesentlichen wird eine strukturierte Behandlungsqualität eingeführt. Dazu gehört eine fachspezifische Fortbildungspflicht und ein klar definiertes Leistungsspektrum. Qualität bedeutet beispielsweise auch eine leitliniengerechte Versorgung –soweit es Leitlinien gibt. Maßgeblich sind die Deutsch-Österreichischen Leitlinien, aber auch die Leitlinien der EACS, der IAS und DHHS können zugrunde gelegt werden. Selbst eine Abweichung davon ist möglich, allerdings bedarf es einer adäquaten Begründung.
Welches sind die Qualitätsziele?
Axel Baumgarten: Es gibt keine Ergebnisqualität, sondern Behandlungsqualität. Das heißt, die Kassen können nicht verlangen, z.B. dass ein bestimmter Prozentsatz der Patienten unter der Nachweisgrenze ist. Das wurde von den Kassen immer wieder diskutiert, aber zum einen gibt es dafür keine gesetzliche Grundlage, zum anderen lehnt das die KBV strikt ab.
Nun hat die DAGNÄ einen Dokumentationsbogen konzipiert ...
Axel Baumgarten: Richtig. Die Inhalte dieses Bogens sind ein Kompromiss zwischen den von den Kassen geforderten Aspekten sowie Punkten, die die DAGNÄ für wichtig erachtet. So ist für die Kassen die Prophylaxe besonders wichtig. Impfungen und die Prophylaxe der opportunischen Infektionen müssen daher ausführlich dokumentiert werden. Für die DAGNÄ ist die Abbildung der HIV-Versorgung besonders wichtig. Sie ist die Grundlage für unsere zukünftigen Verhandlungen.
Was passiert mit den Dokumentationsbögen?
Axel Baumgarten: Bisher verbleiben die Bögen beim behandelnden Arzt. Vorgesehen ist eine Stichprobenprüfung, das heißt die KV wird aus ihrer Region stichprobenartig 10% der HIV-Ärzte prüfen und zwar 10 Fälle pro Arzt. Bei einer überschaubaren Zahl von Behandlern muss man in absehbarer Zeit mit einer Prüfung rechnen. Wenn mehr als zwei Fälle auffällig sind, wird die Kommission nachfragen. Ob die Bögen in der Zukunft anonymisiert an eine Datenbank geschickt werden können, z.B. an das Zentralinstitut der KBV, ist noch unklar. Ein solches Vorgehen hätte viele Vorteile, aber es ist u.a. auch eine Kostenfrage.
Wer prüft die Stichproben?
Axel Baumgarten: In den regionalen KVen müssen Gremien geschaffen werden, die die Bögen prüfen. In der Berliner KV beispielsweise gibt es eine Aids-Kommission. Es wird Verhandlungen geben, ob diese Kommission dafür zuständig sein wird. In unserem Interesse ist, dass auch Ärzte mit HIV-Erfahrung in der Kommission sitzen und nicht nur KV-Funktionäre. Aber das liegt momentan in der Hand der regionalen KVen.
Was machen HIV-Behandler, die nicht Mitglied in der DAGNÄ sind?
Axel Baumgarten: Gibt es das? Man kann natürlich auch individuell dokumentieren. Obligat ist die Dokumentation. Der von der DAGNÄ entworfene Bogen erleichtert allerdings die Arbeit erheblich, Es lohnt sich daher in die DAGNÄ einzutreten.
Wohin kann man sich wenden bei Problemen mit dem
Dokumentationsbogen?
Axel Baumgarten: Mitglieder der DAGNÄ können sich bei Problemen jederzeit an die Geschäftsstelle in Berlin wenden.
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