Neue HIV-Medikamente in der ClinSurv-Kohorte
In der HIV-Therapie stehen seit einiger Zeit neue vielversprechende antiretrovirale Medikamente zur Verfügung. Es handelt sich dabei um Raltegravir, den ersten Vertreter der Klasse der Integrasehemmer, den sog. „second-generation“-NNRTI (Nicht-Nukleosidaler Reverse-Transkriptaseinhibitor) Etravirin und den CCR5-Korezeptorantagonisten Maraviroc. Diese Medikamente sind seit Beginn des Jahres 2007 zunächst im Rahmen des Early Access Programms (EAP) und später im Zuge der regulären Zulassung auf dem deutschen Markt verfügbar. Die ClinSurv-Kohorte am Robert Koch-Institut besteht seit 1999 und ist eine prospektive multizentrische Beobachtungsstudie, an der sich bundesweit 13 HIV-Kliniken beteiligen. Zwischen 1999 und 31.12.2008 wurden insgesamt 14.382 HIV-positive Patienten in die Kohorte eingeschleust. Neben den demographischen Daten der Patienten werden halbjährlich die immunologischen und virologischen Parameter sowie Daten zur antiretroviralen Therapie (ART), HIV-assoziierte und AIDS-definierende Erkrankungen erfasst. ART-Regime mit den neuen Substanzen werden berücksichtigt, sobald diese erstmalig nach dem EAP-Stichtag verabreicht wurden.
Abb.: Anteil verwendeter Ressourcen innerhalb der unterschiedlichen Medikamentenklassen NRTI, NNRTI und PI bei Einsatzbeginn von Raltegravir (RAL), Maraviroc (MVC) und Etravirin (ETR)
Quelle: RKI
Anteil neuer Substanzen: 2,3%
In dem hier analysierten Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 386 Patienten mit den neuen antiretroviralen Medikamenten behandelt. Der weitaus größte Teil (n=292) der Patienten erhielt ein Raltegravir-haltiges Regime. Maraviroc und Etravirin wurden in geringerem Umfang eingesetzt (Maraviroc n= 86, Etravirin n= 99). Im Zeitraum zwischen Januar 2007 und Dezember 2008 verfügt das ClinSurv-Gesamtkollektiv über einen Beobachtungszeitraum von insgesamt 10.925 Patientenjahren. Auf die neuen Substanzen fallen in dieser Zeit vergleichsweise nur 2,3 % dieser beobachteten Patientenjahre (252/10.925). Die Patienten wurden im Mittel acht Monate mit einer der neuen Substanzen behandelt.
Hauptsächlich Salvage-Therapie
Insgesamt 88 der 386 Patienten (23%) setzten eines dieser neuen Medikamente ein, obwohl ihre Viruslast erfolgreich unterhalb der Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml lag. Fünf Patienten wurden in der Firstline-Therapie damit behandelt, obwohl diese Substanzen weitgehend für vorbehandelte Patienten zugelassen sind. Bei den verbleibenden Patienten, die in dem Zeitraum mit neuen Substanzen behandelt wurden, lag die mediane Viruslast bei Therapiebeginn bei 5.316 Kopien/ml und die mediane CD4-Zellzahl bei 323 Zellen/µl. Der größte Teil der Patienten war bereits mit einer ganzen Reihe antiretroviraler Medikamente vorbehandelt. Der mediane kumulierte Substanzeinsatz vor Therapiewechsel lag für Raltegravir bei 9, für Maraviroc bei 8 und für Etravirin bei 11 Einzelsubstanzen.
Offensichtlich haben die Patienten, bei denen auf ein Etravirin-haltiges Regime umgestellt wurde, den größten Verbrauch an vorangegangenen Ressourcen. Die Hälfte dieser Patienten wurde im Vorfeld mit fast allen NRTI- und PI-Einzelsubstanzen behandelt, die zu der Zeit zur Verfügung standen. Der Umstand, dass bei 25% aller neu eingesetzten Substanzen, insbesondere beim Etravirin, in den vorangegangenen Regimes kein NNRTI verwendet wurde, darf daher nicht überbewertet werden (Abb. 1). Die bekannte Behandlungsdauer vor einem Wechsel zu neuen Medikamenten betrug im Mittel 112 Monate (Raltegravir: 115 Monate, Maraviroc: 99 Monate, Etravirin: 122 Monate). Vorzugsweise wurde, dies gilt insbesondere für Etravirin-haltige Regime, der Proteaseinhibitor Darunavir als Kombinationspartner eingesetzt.
Der Therapieerfolg mit den neuen Substanzen gestaltet sich gut. Sechs Monate nach Behandlungsbeginn mit Raltegravir, Maraviroc und Etravirin stellte sich bei 62% der Patienten (91/147), die zu Beginn des Therapiewechsels nicht unter der Nachweisgrenze lagen, ein Therapieerfolg ein. Bei den Patienten, die keinen Therapieerfolg zeigten, lag die mediane Viruslast nur geringfügig über der Nachweisgrenze (Median 171 Kopien/ml).