STEFAN ESSER, ESSEN
Eindrücke vom Kongressbesuch in Mumbai
In diesem Zusammenhang fiel zunächst die große Zahl der auf der Industrieausstellung gezeigten Kombinationspräparate auf. Die Kosten für diese Medikamente werden während stationärer Aufenthalte vom indischen Staat übernommen. Ambulant müssen die Betroffenen die antiretrovirale Behandlung selbst bezahlen. Die Präparate bleiben allerdings für die meisten Inder unerschwinglich, auch wenn die Tagestherapiekosten in Indien weit unter den deutschen liegen. Und auch für das indische Gesundheitswesen stellen die geschätzt etwa 2,5 Millionen HIV-Infizierten eine kaum zu lösende Herausforderung dar. Die engagierte Rede des indischen Gesundheitsministers auf dem Kongress ließ auch Missstände wie Korruption, Gewinnstreben, Gleichgültigkeit und Stigmatisierung nicht unerwähnt. Eine so offene und ergreifende Ansprache ist für deutsche Politiker eher ungewöhnlich.
Mörderischer Verkehr
Dennoch ist HIV/AIDS nur eines von vielen Problemen der knapp 1,2 Milliarden Menschen in dem explodierenden Schwellenland, in dem arm und reich dicht beieinander liegen. Die Wahrscheinlichkeit in Indien sein Leben oder seine Unversehrtheit zu verlieren, ist vermutlich im mörderischen Straßenverkehr wesentlich höher als sich beim Geschlechtsverkehr mit HIV zu infizieren und Jahre später an AIDS zu versterben.
Hiervon konnten sich die DAIG-Vorstandsmitglieder unter Einsatz ihres Lebens vor Ort bei Ausflügen in die Umgebung des Kongresszentrums sowie bei der Anfahrt zum Flughafen überzeugen. Allein auf der Rückfahrt durch die selbst nachts um 3:00 Uhr noch brechend vollen Straßen ereigneten sich zwei Unfälle, zum Glück nur mit Blechschäden. Genauso wie der für Deutsche nahezu unerträgliche Straßenverkehr wird das mitten im Stadtzentrum gelegene, äußerlich äußerst marode wirkende Atomkraftwerk von den Indern mit Gelassenheit betrachtet. Gefürchtet werden in Mumbai eher erneute Attentate moslemischer Fundamentalisten, was sich durch die besonders vor den Hotels sichtbare Polizeipräsenz bemerkbar macht.
Dem reichen Gast aus Europa begegnen die Inder ohne Aggressivität. Armut und Enge werden tapfer hingenommen. Ob die einzigartige indische Mentalität auch zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der HIV-Infektion führt, bleibt abzuwarten.
Die indischen HIV-Kongress-Teilnehmer jedenfalls sind an einem Austausch mit internationalen Kolleginnen und Kollegen interessiert.
Fotos: Dr. A. E. Haberl, Frankfurt