Ramona Pauli, München
Koronare Herzkrankheit – Nationale VersorgungsLeitlinie

Die chronisch-ischämische Herzkrankheit und der akute Myokardinfarkt führen die Todesursachenstatistik in Deutschland an. Die Leitlinie zur Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungen wurde gemeinsam von den Kassen, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer und den medizinischen Fachgesellschaften verfasst. Sie stammt aus dem Jahr 2006.

Die koronare Herzerkrankung (KHK) ist die Manifestation der Atherosklerose an den Herzkranzarterien. Diese ist mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden und vermindert bei häufigen Angina-Pectoris-Beschwerden die Lebensqualität. Unter akutem Koronarsyndrom steht man unmittelbar lebensbedrohliche Phasen der KHK, d.h. instabile Angina pectoris, akuter Infarkt und plötzlicher Herztod. Zwischen instabiler Angina pectoris, ST-Hebungsinfarkt (STEMI) und Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) bestehen fließende Übergänge.

Tab. 1: Risikofaktor und Wahrscheinlichkeit
Tab. 1: Risikofaktor und Wahrscheinlichkeit

Versorgungskoordination 

Die Langzeit-Betreuung des Patienten, deren Dokumentation sowie die Koordination der Maßnahmen erfolgen grundsätzlich durch den Hausarzt. Die Überweisung zum Facharzt sollte erfolgen bei unzureichendem Therapieerfolg, bei unklaren Symptomen, bei Verschlechterung und bei Verdacht auf neu aufgetretene kardiale Komplikationen. Im ersten Jahr nach einem akuten Koronarsyndrom oder einer Revaskularisation sowie bei schwerer Herzinsuffizienz, ventrikulären Rhythmusstörungen und Klappenvitien ist die gemeinsame Betreuung durch Hausarzt und Kardiologen anzustreben. Eine multidisziplinäre Rehabilitation wird empfohlen nach akutem ST-Hebungsinfarkt, Nicht-ST-Hebungsinfarkt, koronarem Bypass sowie in ausgewählten Fällen nach elektiver PCI (Perkutaner Koronarer Intervention).

Invasive Diagnostik

Eine invasive Diagnostik wird empfohlen bei:

  • akutem Koronarsyndrom
  • anhaltender Angina pectoris trotz leitliniengerechter medikamentöser Therapie
  • pathologisches Ergebnis bei nicht invasiven Untersuchungen  
  • Eine invasive Diagnostik wird nicht empfohlen bei:
  • niedriger Wahrscheinlichkeit für eine KHK
  • bei stabiler Angina pectoris mit gutem Ansprechen auf medikamentöse Therapie
  • nach Revaskularisation ohne erneuten Ischämienachweis bzw. wieder aufgetretene Angina pectoris
  • bei fehlender Bereitschaft des Patienten zur Revaskularisation

Prognosestratifizierung

Anhand bestimmter Risikofaktoren lässt sich für einen Patienten mit stabiler KHK die jährliche Wahrscheinlichkeit für ein kardiales Ereignis (z.B. Herzinfarkt) abschätzen (Tab. 1).

Diagnostik

Abb. 1a)
      und b): Spezielle Diagnostik a) Algorithmus – v.a. chronische KHK – Kardiologische Versorgungsebene; b) Algorithmus bei
      bekannter KHK – Kardiologische Versorgungsebene
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Abb. 1a) und b): Spezielle Diagnostik a) Algorithmus – v.a. chronische KHK – Kardiologische Versorgungsebene; b) Algorithmus bei bekannter KHK – Kardiologische Versorgungsebene

Zur Basisdiagnostik gehört die Anamnese inklusive Risikofaktoren, die Auskultation von Herz und Lunge, die Erhebung des BMI und des Gefäßstatus, die Messung des Blutdrucks sowie ein Ruhe-EKG mit 12 Ableitungen. Bei den Laboruntersuchungen sind lediglich ein kleines Blutbild (Ausschluss Anämie) sowie Lipide und Blutzucker (Risikofaktoren) angezeigt. Bei Verdacht auf KHK bzw. bekannter KHK gibt es auf der kardiologischen Versorgungsebene zwei Algorithmen zur Abklärung (Abb. 1a und b).

Medikamentöse Behandlung

Zur medikamentösen Therapie der KHK stehen Nitrate, Beta-Blocker und Calciumantagonisten zur Verfügung. Patienten mit stabiler Angina pectoris sollten ein schnell wirksames Nitrat zur symptomatischen Behandlung bei sich haben. Nitrate senken durch Reduktion der Vor- und Nachlast den myokardialen Sauerstoffverbrauch. Sie haben keinen Einfluss auf die Prognose der KHK. Die Indikation zu einer Dauertherapie ist immer wieder zu überprüfen. Der Nitrattoleranz kann durch Nitrat-freie Intervalle begegnet werden. Besondere Vorsicht ist z.B. bei Aortenklappenstenose, bei hypertrophischer obstruktiver Kardiomyopathie und bei Volumenmangel geboten. Die Interaktion mit Phosphodiesterase-5-Hemmern (z.B. Sildenafil/Viagra®) kann zu lebensbedrohlichem Blutdruckabfall führen. Molsidomin hat eine den Nitraten vergleichbare antianginöse Wirkung.

Beta-Blocker sind bei allen Patienten mit KHK und Herzinsuffizienz sowie nach Myokardinfarkt indiziert. Sie vermindern die Angina pectoris-Symptome und Verbessern die Belastungstoleranz. Nach einem Myokardinfarkt sowie bei KHK und Herzinsuffizienz senken sie die Mortalität.

Calciumkanalblocker verringern die Nachlast und Kontraktilität. Kurzwirksame Substanzen haben im Gegensatz zu langwirksamen Calciumantagonisten (z.B. Verapamil SR, Amlodipin) keinen Einfluss auf die Morbidität. Sie können als Medikamente der zweiten Wahl zur Blutdrucksenkung und zur symptomatischen Behandlung der Angina pectoris eingesetzt werden. Dihydropyridine sind im Zeitraum bis zu vier Wochen nach Infarkt und bei instabiler Angina pectoris kontraindiziert.

Risikofaktoren-Management

Das Programm Nationale VersorgungsLeitlinien ist eine gemeinsame Initiative der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. Die Leitlinien verstehen sich als evidenzbasierte Entscheidungshilfen für die strukturierte medizinische Versorgung (Disease Management, Integrierte Versorgung). Die Leitlinie KHK wurde im Juni 2006 zudem von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie-Herz- und Kreislaufforschung (DGK), der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz- und Kreislauferkrankungen (DGPR) herausgegeben.

Zur Sekundär- und Tertiärprophylaxe sind Thrombozytenfunktionshemmer, Cholesterinsenker und Antihypertensiva angezeigt. Bei den Thrombozytenhemmern sind ASS (Dosierung 75-325 mg/d) sowie bei ASS-Unverträglichkeit Clopidogrel Mittel der Wahl. Zur Cholesterinsenkung sollten in erster Linie Statine eingesetzt werden. Der LDL-Cholesterinwert (auch zur Schlaganfall-Prophylaxe) liegt bei <100 mg/dl. Statine führen auch in jedem Fall unabhängig vom Ausgangswert des LDL-Cholesterins zu einer signifikanten Verbesserung der Prognose. Für andere Lipidsenker liegen zur Sekundärprävention keine so ausführlichen Daten vor wie für Statine. Sie sind daher Mittel der zweiten Wahl. Der Blutdruck sollte auf Werte <140/90 mmHg, bei Diabetikern <130/80 mmHg eingestellt werden. Ebenso sollten alle Patienten mit Linksherzinsuffizienz mit ACE-Hemmern und bei Unverträglichkeit mit AT1-Antagonisten behandelt werden. Der Blutzucker ist möglichst normoglykämisch einzustellen. Verzicht auf Nikotin, Gewichtsreduktion, gesunde Ernährung, die Besserung der psychosozialen Risikofaktoren sowie regelmäßiges körperliches Training können die Morbidität senken. Ferner sollte jährlich eine Grippeschutzimpfung durchgeführt werden. Für folgende Maßnahmen fehlen hinreichende Belege für die Wirksamkeit der symptomatischen Behandlung bzw. prognostischen Besserung:

  • Chelattherapie
  • Homöopathie
  • Phytotherapie
  • Peri- und postmenopausale Hormontherapie
  • Vitaminsupplementierung
  • Sauerstofftherapie

Rehabilitation

Die Durchführung einer multidisziplinären Rehabilitation wird nach STEMI sowie Non-STEMI, nach koronarem Bypass sowie in ausgewählten Fällen (ausgeprägtes Risikoprofil, besonderer Schulungsbedarf, Compliance-Problemen) empfohlen.
Anschließend sollte insbesondere bei Patienten nach akutem Koronarsyndrom oder Bypass-Operation die Teilnahme an einer ambulanten Herzgruppe zur Förderung eines regelmäßigen Trainings- und Lebensstiländerungen angeregt werden.

EACS
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Empfehlungen der EACS
Prävention der Koronaren Herzkrankheit (KHK) bei HIV-Infizierten

Empfehlungen der EACS

Prinzipien: Die Intensität der Präventionsmaßnahmen zur KHK hängt vom vorhandenen KHK-Risiko ab. Dies kann geschätzt werden.1
Die Präventionsmaßnahmen sind unterschiedlicher Art und erfordern das Hinzuziehen eines entsprechenden Spezialisten, besonders wenn das Risiko hoch ist und immer bei Patienten mit einer KHK-Vorgeschichte.



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