S. Pischke, H. Wedemeyer, Hannover
Hepatitis E aus der Sicht des Klinikers
Die Hepatitis E ist eine Infektionskrankheit, die durch das Hepatitis E Virus (HEV), ein Einzelstrang RNA-Virus mit 4 humanpathogenen Genotypen, ausgelöst wird.
Während die Hepatitis E in vielen tropischen Ländern der Dritten Welt endemisch ist, galt sie in Industrienationen lange Zeit nur als Reisekrankheit mit sporadischen Fällen ohne größere klinische Relevanz. Aktuelle Entwicklungen zeigen die zunehmende Bedeutung dieser Infektionskrankheit weltweit, aber auch für die Gesundheitssituation in Deutschland im Speziellen an.1 Zum einen gibt es neue Erkenntnisse über die lange Zeit unterbewertete Inzidenz der Hepatitis E in Industrienationen, zum anderen kommt der Hepatitis E in der Transplantationsmedizin durch kürzlich beschriebene chronische Verläufe nach Organtransplantationen eine wachsende Bedeutung zu.2, 3 Insbesondere wird der zoonotische Ursprung in Europa akquirierter HEV-Infektionen zunehmend untersucht.4
Fazit
Die Hepatitis E tritt nicht nur als Reisekrankheit auf, sondern sollte auch ohne Auslandsanamnese zur differentialdiagnostischen Abklärung einer Hepatitis unklarer Genese gehören. Insbesondere bei Schwangeren und Patienten mit zugrundeliegender Lebergrunderkrankung sollte ein plötzlicher unerklärlicher Anstieg der Leberenzyme Anlass zur Testung auf Hepatitis E geben, da in diesen Situationen gehäuft rasche Dekompensationen bis zum Leberversagen beobachtet wurden.
Beim Immunsupprimierten kann es zu chronischen Verläufen einer HEV-Infektion kommen. Dies ist bei der Differentialdiagnose der Transplantathepatitis beim Lebertransplantierten ebenso zu berücksichtigen, wie bei aus anderen Gründen Immunsupprimierten mit Hepatitis unklarer Genese.
Für HIV-Infizierte in Deutschland scheint eine chronische Hepatitis E zwar nicht häufig zu sein27, doch in Einzelfällen kann es zu chronischen Verläufen kommen.25, 26
Besondere Vorsicht ist bei einer Hepatitis E im Rahmen einer Schwangerschaft geboten. In dieser Situation kommt es gehäuft zu akutem Leberversagen. Die Prognose, wenn solch ein HEV-assoziiertes Leberversagen dann eintritt, ist jedoch dieselbe wie bei akuten Leberversagen anderer Genese.5
Übertragungswege und Epidemiologie
In tropischen Ländern der Dritten Welt ist es wiederholt zu Hepatitis E Epidemien gekommen. In einigen Ländern ist das Virus endemisch. Oft kam es in Folge von Naturkatastrophen oder Kriegen und in Flüchtlingslagern, also in Bedingungen mit verringerten Hygienestandards, zu Ausbrüchen. Als Hauptübertragungsquelle in diesem Zusammenhang gilt kontaminiertes Trinkwasser.
In Industrienationen und somit in Deutschland spielt hingegen die zoonotische Übertragung die Hauptrolle.1 Für die Genotypen 3 und 4 wurden zahlreiche Fälle beschrieben, in denen es durch Tierkontakte und durch Verzehr unzureichend gegarter tierischer Nahrungsmittel zur Infektion gekommen war. Besondere Bedeutung als Wirtstier haben Schweine4, aber auch Rentierfleisch, Wildschweinfleisch1, 6, 7 oder Schellfisch kommen als Infektquelle in Frage.8 Eine Studie aus Dänemark zeigte, verglichen mit der Normalbevölkerung, eine erhöhte HEV-Seroprävalenz bei Bauern9 und eine Studie aus Moldawien zeigte insbesondere für Schweinebauern ein hohes Expositionsrisiko.10
Um eine „foodborne“ Übertragung zu vermeiden und das Virus zu inaktivieren, ist Erhitzen der Nahrung über 70°C erforderlich11, weil besonders von unzureichend gekochten tierischen Nahrungsmitteln oder von Kontakten zu lebenden infizierten Tieren eine Gefahr ausgeht.
In den letzten Jahren gibt es vermehrt Berichte aus Industrienationen, die auf „autochthone Infektionen“ mit steigender Häufigkeit hinweisen.1, 12 In Deutschland beträgt die Antikörperprävalenz etwa 1-3%, die klinisch manifeste Erkrankung ist jedoch ein seltenes Ereignis und tritt nach Statistik des Robert Koch-Instituts zwischen 50 und 100 mal pro Jahr in Deutschland auf, allerdings mit steigender Tendenz.1
Durch PCR-Untersuchungen von Klärwasser der Kanalisation in Europa und den Vereinigten Staaten gelang es zu zeigen, dass das Virus in nennenswerter Häufigkeit in Exkrementen in niedrig-endemischen Industrienationen nachweisbar ist.13
Eine seltene Möglichkeit einer Infektion mit dem HEV ist die parenterale Transmission über eine infizierte Blutkonserve. In Einzelfällen gelang es, Infektketten aufzudecken, bei denen kontaminierte Blutprodukte der Ursprung der Infektion waren.14-16 HEV-Übertragungen durch Bluttransfusionen wurden nicht nur in Asien, sondern auch in Frankreich und England beschrieben.
Akute Hepatitis E: Verlauf beim Immunkompetenten
Abb. 1: Mögliche Folgen eines Kontakts mit HEV
Abb. 2: Hepatitis E Infektion. Typischer serologischer Verlauf
Bei Immunsupprimierten verläuft der Kontakt mit dem HEV zumeist asymptomatisch17 oder es kommt zu einer akuten Hepatitis (Abb. 1). Nach einem Prodromalstadium mit fakultativen, unspezifischen Symptomen, wie Muskel- und Gelenkschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Effloreszenzen und abdominellen Beschwerden, treten meist Hepatitis-spezifischere Beschwerden wie Ikterus, zunehmende Entfärbung des Stuhls und Dunkelfärbung des Urins auf. In der körperlichen Untersuchung zeigt sich oft eine Hepato- oder Splenomegalie. Laborchemisch zeigt sich die Hepatitis E an erhöhten Werten für Bilirubin, Transaminasen und Gamma-GT, mit zumeist hepatitischem Muster, d.h. führender GPT. Die normalerweise selbstlimitierte Erkrankung sistiert typischerweise nach vier Wochen. Bilirubin, Transaminasen und Gamma-GT normalisieren sich in der Regel innerhalb von sechs Wochen.
Bei Patienten mit vorbestehender Leberzirrhose18 oder Schwangeren19 kommt es u.U. zu besonders schweren Verläufen der Hepatitis E bis zum Leberversagen. Die zugrundeliegende Pathophysiologie, die bei schwangeren Patientinnen mit HEV-Kontakt gehäuft zu symptomischer Infektion oder sogar zum Leberversagen führt, ist bislang nicht geklärt.
Chronische Hepatitis E: Verlauf beim Immunkompromitierten
Bis Anfang 2008 gab es keine Hinweise für eine chronische Hepatitis E. Bei immunsupprimierten Lymphompatienten wurden jedoch prolongierte Verläufe mit einer Dauer von bis zu 4 Monaten beschrieben.20
Bei Organtransplantierten traten in der Vergangenheit vereinzelt schwere Hepatitis E-Verläufe auf21, chronische Verläufe waren jedoch bis Februar 2008 nicht bekannt. Dann beschrieben Kamar et al. acht Fälle einer chronischen Hepatitis E bei Organtransplantierten.2 Auch andere Arbeitsgruppen bestätigten, dass es zu chronischen Verläufen bei Transplantierten kommen kann.22, 23 Eine Studie aus Deutschland untersuchte daraufhin systematisch die Häufigkeit chronischer HEV-Infektionen bei Lebertransplantierten und wies nach, dass dieses Phänomen im Niedrig-Endemiegebiet Deutschland zwar selten ist, aber doch vorkommt.3 Außerdem konnte das anthropozoonotische Potential des nachgewiesenen HEV-Stammes aufgezeigt werden, da es experimentell gelang, mit Serum eines Patienten mit chronischer HEV-Infektion Schweine zu infizieren.3
Da beim Organtransplantierten eine Serokonversion u.U. erst über 4 Monate nach RNA-Nachweis auftritt, ist die serologische Testung auf HEV-IgG und IgM bei Transplantierten nur bedingt verwertbar und der PCR-Diagnostik ist der Vorzug zu geben.3
Es wurden nicht nur chronische Verläufe bei Neuinfektionen beobachtet, sondern es erscheinen in Einzelfällen auch Reaktivierungen nach scheinbarer Ausheilung möglich, wie der Fall eines Stammzelltransplantierten, der 14 Wochen nach Stammzelltransplantation eine Reaktivierung seiner vor Transplantation durchgemachten HEV-Infektion erlebte, zeigte.24
Auch bei 2 HIV-infizierten Patienten wurden chronische Verläufe einer Hepatitis E Infektion beobachtet.25, 26 Eine Studie aus Deutschland fand jedoch kürzlich bei 123 HIV-Infizierten keinen Hinweis für eine chronische Hepatitis E.27 Somit müssen das Ausmaß und die Bedeutung chronischer HEV-Infektionen bei HIV-Patienten in größeren Studien noch abgeklärt werden.27
Besondere Vorsicht ist bei HIV Patienten mit HCV- oder HBV-Co-Infektion geboten, da erhöhte Transaminasen, die durch eine neu erworbene HEV-Infektion bedingt sind, irrtümlich auf die vorbestehende HCV- oder HBV-Infektion zurückgeführt werden könnten.28
Literatur beim Verfasser